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Der letzte Cent

Mara kramte nervös in den Taschen ihres alten Parkas.

Sie liebte diesen Mantel, denn nach all den Jahren hielt er sie warm. Warm war auch der Supermarkt, in dem sich die junge Frau befand. Ihre kalten Hände dankten es ihr und Mara spürte allmählich das sanfte Prickeln auf der Haut. Sie schaute auf die Leute, wie sie mit ihren vollen Einkaufswagen durch die Gänge schwebten. Nudeln, Obst, noch ein wenig Joghurt und natürlich etwas Süßes für die Liebsten. Noch ein kurzer Stopp an der Käsetheke und dann ab zur Kasse. Wie sorglos sie alle sind, dachte Mara. Nicht einer zögerte. Ohne Umschweife landeten die Waren in dem Wagen. Sie seufzte. Könnte sie das nur auch so machen.

Wieder durchsuchte sie blind mit ihren Händen die Untiefen ihrer Taschen. Da! Ein Fünf Euro Schein! Maras Herz machte einen Satz! Jetzt konnte sie sich doch noch etwas gönnen. Und bei all der Kälte und der Kündigung letzten Monat, hatte sie sich das ja auch mehr als verdient! Zielstrebig ging sie in den Gang mit den Weinflaschen. Was darf es sein? Ein Lächeln umspielte ihre schmalen Lippen. Ein Bordeaux oder doch lieber einen Chardonnay? Dann blieb sie mit den Augen an einem Sauvignon Blanc hängen. Die Falsche besaß ein wunderschönes Etikett. Ein kleiner Kolibri mit leuchtendem Gefieder prangte darauf und schien sie in exotische Länder mitnehmen zu wollen. Sie wollte gerade nach der Flasche greifen, als ihr Blick auf das Preisschild fiel. 10,99 €. Das war´s dann wohl. Ihre Hände traten den Rückzug an und zogen sich in ihre Taschen zurück. Dann wohl doch nur der Riesling für 3,99 €. So hatte sie wenigstens noch einen Euro für eine kleine Tüte Chips übrig. Vielleicht würde sie ihrem Bruder auch etwas davon abgeben, schließlich durfte sie bei ihm wohnen.

Mara wahr nicht immer so knapp mit ihrem Geld gewesen. Es gab eine Zeit, da war sie glücklich gewesen. Ihre kleine Wohnung am Stadtpark von Hamburg hatte ihr vollkommen ausgereicht. Sie war Grafikerin in einer großen Werbeagentur gewesen und verdiente gut. Ihre Freunde gingen gerne essen, trinken und feiern. Und Mara tat es ihnen gleich. Tobias, ihr damaliger bester Freund hatte immer gesagt „Das Leben ist zum Geld ausgeben da. Das kannst du nicht mit ins Grab nehmen“. Es waren tolle Nächte und ausgiebige Wochenenden in Bars, Restaurants und edlen Clubs gewesen. Doch Mara verlor den Überblick und damit auch die Kontrolle. Das Geld schmolz wie Eis in der Sonne und jeden Monat blieb ihr weniger zum Leben. Am Ende konnte sie sich gerade einmal eine Packung Nudeln und ein Glas Pesto für die nächste Woche kaufen. Doch kaum war ihr Gehalt auf dem Konto, ging es weiter. Irgendwann reichte Maras Geld allein nicht mehr aus und sie musste sich Geld von Tobias leihen. Erst 100 Euro, dann auch mal 500 Euro. Zurückgezahlt hatte sie es nie. Schließlich tauchten Marc und Leon bei ihr auf und verlangten das Geld und Zinsen von ihr zurück. Tobias war in der Hamburger Drogenszene aktiv. Mara wusste das, doch Drogen hatten sie nie interessiert. Doch nun brauchte Tobias das Geld, weil er selbst in Bedrängnis war. Also kratze Mara alles Geld zusammen, um sich von der Bedrängnis freizukaufen. Das wars. Mara war seit drei Monaten im Mietrückstand, das Konto und alle Reserven waren aufgebraucht. Tiefpunkt. Von ihrer Not wollte aber niemand etwas wissen. Alle Partyfreunde waren das was sie waren: Partyfreunde, aber keine Weggefährten. Nur Felix nahm sie auf und gab ihr das Gästebett. Mara bedankte sich bei ihrem Bruder und versprach schnell wieder auf die Beine zu kommen, doch dann verlor sie ihren Job. Durch das viele Feiern wurde Mara unpünktlich und unkonzentriert. Sie machte andauernd Fehler und schlief auf ihrem Schreibtisch regelmäßig ein. Da sie eine freie Mitarbeiterin war, gab man ihr einfach keine Aufträge mehr. Es gab ein finales Gespräch mit der Abteilungsleitung und auch diese Tür war von nun an geschlossen.

„Das macht dann vier neunundneunzig bitte“, sagte die Dame an der Kasse und starrte auf Maras Hand mit dem Fünf-Euro-Schein. „Äh, ja klar“, sagte Mara und die Realität setzte wieder ein. Sie hatte keinen Job und kein Geld und kaufte sich gerade Wein und Chips. Sie stiefelte aus dem Laden und atmete die kalte Winterluft ein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag ein Mann auf einer Bank und schlief. Mara traten Tränen in die Augen.

Kein weiterer Tiefpunkt, ein Wendepunkt war gekommen.

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Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

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