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Schokokuchen für Anja

„Mama? Wo ist den meine Sporthose?“, fragte Katharina ihre Mutter. „Die ist in der Wäsche mein Schatz, aber nimm doch die Grüne.“, gab Anja die Antwort, während sie damit beschäftigt war, den kleinen Jakob für den Kindergarten fertig zu machen. Das Unterfangen, dem Jungen seine Strickjacke zuzuknöpfen war gewagt, aber Anja gab nicht auf. „Mama, mir ist schlecht.“, sah Jakob sie an. Sein Gesicht sah tatsächlich recht blass aus. „Oh Jakob, dann lassen wir dich vielleicht besser zu Hause?“, sagte sie und musterte ihren Jüngsten. „Mama! Die grüne Hose will ich aber nicht und Vera hat gesagt, dass ich damit aussehe wie Kermit der Frosch!“, rief es aus dem Kinderzimmer der beiden Mädchen. „Dann weiß ich auch nicht. Nimm doch einfach die Leggins deiner Schwester, die ist dunkelblau. Das müsste doch gehen.“, rief sie zurück, während sie den letzten Knopf an Jakobs Jacke zuknöpfte. Geschafft! Dann hörte sie ein würgen und ihre neue Bluse war voll von Jakobs Erbrochenem. „Mama! Ich gebe Katharina nicht meine Leggins! Die macht da nur wieder ein Loch rein!“, kam Vera aus dem Zimmer gestiefelt. Dann sah sie auf ihre Mutter. „Ihhh, was ist das denn!“, rief sie angeekelt und machte sofort kehrt. Anja seufzte und hob Jakob hoch.

Während sie sich und ihren Sohn sauber machte, und die neue Bluse umgehen in den Wäschekorb wanderte, musste sie daran denken, dass eigentlich bald Weihnachten war. Als sie und Christopher noch in den Zwanzigern waren, hatten sie ihre kleine Palme im Wohnzimmer geschmückt und Schokokuchen auf der kleinen Couch gegessen. Dabei hatten sie Weihnachtslieder gehört und „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt. Mehr nicht. „Schatz? Ich muss los! Kaufst du heute noch Pilze, Kloßteig und Milch ein? Ich glaube, Eier haben wir auch keine mehr. Meine Mutter erwartet dich so gegen Mittag. Du hast doch den Tee und die Wärmedecke besorgt? Also bis heute Abend“, rief ihr Mann und verschwand aus der Tür. „Mama! Kommst du jetzt mal!“, kam es erneut aus dem Kinderzimmer.

Anja war früh Mutter geworden. Sie hatte ein Jahr als Sekretärin in einer kleinen Firma gearbeitet, die Holzspielzeuge für Kinder produzierte. Sie hatte ihre Arbeit geliebt, besonders die netten Kollegen und die Spielzeugmessen. Nachdem sie Zwillinge bekommen hatten, beschlossen Christopher und sie, dass Anja zuhause bleiben würde. Dann wurde schließlich noch ihre Schwiegermutter krank und Anja brachte ihr Essen vorbei, putze regelmäßig und machte diverse Erledigungen für sie. Mit der Zeit kam immer mehr dazu. Jakob kam auf die Welt und die Mädchen wurden größer, mussten zum Sport, Musikunterricht und zur Schule. Hausaufgaben, Berge von Wäsche und Christophers Mutter ging es immer schlechter. Christopher selbst hörte auf Einzukaufen, wusch keine Wäsche mehr und überließ ihr auch sämtliche Bürotätigkeiten die zu Hause anfielen. Schließlich war es selbstverständlich geworden, dass Anja das Mädchen für alles war. Gab es irgendetwas zu tun, würde Anja es schon machen. Und was hatte sie getan? Genau das. Sie hatte sich selbst und ohne Widerspruch dort wiedergefunden, wo sie jetzt war. Aber jetzt war das Maß voll. Als Christopher nach Hause kam, war seine Frau nicht zu Hause. Die Wohnung duftete nicht nach Essen und eine unheimliche Stille herrschte in ihr. Mit dem Schuh trat er auf einen Brief, der mit Anjas Handschrift an ihn adressiert war. Er stellte seine Tasche ab und Las:

Lieber Christopher,

die Kinder habe ich zu deinem Bruder und Ines gebracht, sie bleiben dort übers Wochenende bei den beiden. Ich selbst bin zu Susanne gefahren. Sie geht heute Abend mit mir ins Kino. Warte nicht auf mich, ich bleibe bei ihr. Du müsstest dich morgen allerdings um deine Mutter kümmern. Ich werde am Nachmittag noch zu Tobias fahren. Er hat vielleicht einen Job für mich als Sekretärin bei seiner Schwester in der Firma. Die suchen dringend jemanden. Wenn ich nach Hause komme, könnten wir ja zusammen essen und ich erzähle dir alles. Ich liebe dich. Bis morgen.

Christopher las den Brief ein zweites und noch ein drittes Mal. Er hatte da wohl einiges nicht mehr richtig gesehen oder überhaupt nichts mehr. Als Anja am Abend nach Hause kam, erwartete Christopher sie im Flur. Sie dachte kurz, er wäre vielleicht verärgert, doch dann sah sie seinen schicken Anzug und sein verschmitztes Lächeln. „Sorry, ich hatte noch so viel bei meiner Mutter zu tun und der Schokokuchen für dich ist mir im Ofen angebrannt. Daher wollte ich dich zum Essen ausführen, damit wir über deinen neuen Job reden können.“, sagte er und nahm sie in den Arm.

„Danke!“, flüsterte Anja in sein Ohr und küsste ihn, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte.

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Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

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