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Die letzte Romantikerin

Cleo sagte neulich bei unserem traditionellen Schreibbrunch zu mir: »Ich habe dich gestern als die letzte Romantikerin bezeichnet.«

Ich nehme das als Kompliment. Was nicht selbstverständlich ist. Noch vor ein paar Jahren habe ich meine Romantik als einen Makel betrachtet, den ich kaputtdenken, eine selbstverschuldete Unmündigkeit, eine Unreife, die ich als Teil meiner Persönlichkeitsarbeit überwinden muss. Mittlerweile habe ich meine Romantik integriert und sehe die Schönheit und Kraft in ihr. Sie ist ein kitschiger, bunter Altar in meinem Wohnzimmer.

Ich hatte es immer schon in mir. Schon im zarten Alter von neun Jahren konnte ich absolut zielsicher die Dolce & Gabbana Outfits in den Modemagazinen meiner Mutter erkennen. Und was für eine ästhetische Ekstase ich erlebte, als ich das erste Mal Baz Luhrmanns Romeo + Juliet sah (omg, in dem Film wurde die gesamte Capulet Familie von Dolce & Gabbana ausgestattet (Öffnet in neuem Fenster)).

Julias Mutter im Party Dress by Dolce & Gabbana, Romeo + Juliet, Baz Luhrmann, 1996

Schon mit zehn (als ich das erste Mal Beetlejuice (Öffnet in neuem Fenster) sah) begriff ich, welche Süße darin liegt, unheilbar, untröstlich traurig zu sein. Schon mit vierzehn war mir unklar, warum ich mich in einen stickigen Konzertsaal stellen und zusammen mit 3000 anderen Leuten angestrengt in die gleiche Richtung gucken soll, wenn ich stattdessen auch mit meinem MP3 Player vorne im Doppeldecker Bus sitzen und die Musik in einer viel besseren Soundqualität nur für mich allein spielen kann, als Soundtrack für mein eigenes Leben. 

Winona Ryder als Lydia in »Beetlejuice« (Tim Burton, 1988)

Dieser Shit hat sich nicht mit dem Ende meiner langen (laaaaangen) Adoleszenz erledigt. Kurz bevor Cleo das mit der letzten Romantikerin sagte, hatte ich gerade einen sehr romantischen Tag gehabt. Also, alleine, nur mit mir selbst. Es war der erste warme Frühlingstag, ich trug mein pinkes Seidenhemd mit den Rüschen am Kragen, das fantastische Dinge mit meinem Teint macht, lief alleine durch die Straßen und hörte dazu You don’t own me von Leslie Gore. Ich war in diesem verwirrenden Zwischenzustand; ich hatte intensive Fomo, wollte aber gleichzeitig niemanden sehen. Ich wollte nur in Bewegung bleiben, Musik hören und mit Bauarbeitern flirten. 

»Main Character Energy«, sagte Cleo.

Wenn du weiterlesen willst, musst du mir einen Kaffee kaufen.

Ja, ich will! (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Romanzen

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