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Sachen, die ich meinem jüngeren Ich gerne gesagt hätte (wenn sie zugehört hätte)

Ich habe neulich mal wieder diesen unglaublichen Fleabag-Monolog (Öffnet in neuem Fenster) angeguckt, der, indem die Protagonistin weinend in einem Beichtstuhl sitzt, und sich eine Autorität wünscht, die ihr sagt, wie sie ihr Leben leben soll:

»Ich will jemanden, der mir sagt, was ich essen soll. Was ich mögen soll, was ich hassen soll, worüber ich mich aufregen soll, was ich hören soll, welche Band ich mögen soll, wofür ich Karten kaufen soll, worüber ich Witze machen soll, worüber ich keine Witze machen soll. Ich will, dass mir jemand sagt, woran ich glauben soll, wen ich wählen soll, wen ich lieben soll, und wie ich es ihnen sagen soll. Ich glaube, ich will einfach, dass mir jemand sagt, wie ich mein Leben leben soll, denn bisher habe ich es offenbar falsch gemacht.«

Fleabag im Beichtstuhl

Diese Szene ist so stark, weil sie ein so universelles Gefühl zeigt — die schreckliche Erkenntnis, dass es keine Autoritäten gibt, dass alle mit Wasser kochen, dass alle genau gleich ahnungslos sind. Und die Angst, die aus dieser Erkenntnis erblüht.

Erwachsenwerden besteht in erster Linie darin, dass man realisiert: Wenn man eine weise alte Frau will, nach deren Lehre man sein Leben ausrichten kann, muss man die selbst werden. In diesem Sinne habe ich eine Liste geschrieben, mit Sachen, die ich schon gelernt habe, wenn ich mich in chaotischen Zeiten daran erinnern muss, dass ich schon sehr viel mehr weiß als vor zehn Jahren.

Was ich vom Leben gelernt habe

Talk is cheap. ——— Es wird generell sehr viel geredet. Besonders in Business Fragen. Jeder Startup-Heini, für den ich bisher gearbeitet habe, hat erzählt, sein Produkt sei die Zukunft der Produkte wie wir sie kannten. In diesem Fall ist die Rede ein notwendige Methode, Investorengeld einzusammeln. Jeder Typ, mit dem ich ernsthaft zusammen war, hat mir erzählt, es wird für immer sein. Was jemand sagt, ist ein netter Hinweis dafür, was er gut findet, wonach er sich sehnt und was er vermisst in seinem Leben, man kann aber daran überhaupt nicht ablesen, wie er wirklich handeln wird. Was eine Person machen wird, ist einzig und allein daran abzulesen, was sie macht. Auch und gerade bei mir selbst versuche ich nicht darauf zu hören, was ich so den ganzen Tag labere, sondern mir anzuschauen, was ich so den ganzen Tag mache.

Sucht ist stärker als Liebe. ——— Niemand hört für jemand anderen auf. Nicht für seine Frau, nicht für ihren Mann, nicht für ihre Kinder. Immer nur für sich selbst.

Das Finanzamt macht keine Fehler.

Der einzige Weg, zu wissen, ob du einer Person vertrauen kannst, ist ihr zu vertrauen. ——— Als ich mich so lange immer in unerreichbare Typen verknallt habe (und das vielleicht immer noch tue, wer weiß), war ich eine Weile besessen davon, das Risiko zu eliminieren, Red Flags früh zu erkennen und jeder Gefahr frühzeitig auszuweichen. Ich wollte mich zu hundert Prozent absichern. Meine Therapeutin meinte, sorry, das gehe leider nicht, ich könne nur dafür sogen, dass ich im Falle einer Katastrophe gute Selbstheilungs-Skills habe. So ist das: Innere Sicherheit ist alles, was man kriegt. Die Welt und die Liebe und die Menschen werden immer gefährlich bleiben. Wir kommen hier nicht lebend raus.

Zehn Finger tippen lernen lohnt sich.

Talent ist dramatisch überbewertet. ——— Niemand wird mit Skills geboren. Talent ist einfach nur die Lust, etwas immer weiter zu machen, weil man den Prozess liebt. Wenn man immer weiter macht, dann wird man zwangsläufig gut, oder man hat zumindest irgendwann Style. Und Style ist das, was alle wollen. 

Alkohol hat keinen einzigen Vorteil.

Wenn du mit jemandem zusammen bist, dann weißt du das. ——— Wenn man ein definierendes Beziehungsgespräch braucht, verzweifelt widersprüchliche Signale zu lesen versucht, sich mit Freundinnen zusammen setzen muss, um die geheime Botschaft hinter irgendwelchen Textnachrichten zu entschlüsseln, ist es keine Beziehung, sondern eine Situationship. Wenn jemand es ernst meint, wird er dich das wissen lassen. Und schnell. 

Das VOGUE Horoskop hat immer recht. 

Wenn du weiterlesen willst, musst du mir einen Kaffee kaufen.

Ja, ich will! (Öffnet in neuem Fenster)

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