MCP — Der Newsletter #28 im Mai
Liebe Leser:innen,
mein April war voll des guten Lesens, ebenso groß ist nun meine vorfreudige Neugier auf einige Mai-Novitäten. Dieser Newsletter bietet eine ausgewogene Mischung aus beidem.
Zuerst allerdings einmal: danke. Von Herzen! Für das überwältigende Feedback zur Anthologie Und ich — (Öffnet in neuem Fenster). Es fühlt sich so, so schön an, dass diese aufregende Neuigkeit nun in der Welt ist und auf so offene Arme trifft. Das Buch darf jetzt weiter werden und in den kommenden sonnenhellen Monaten nun Gestalt annehmen. Ich melde mich mit Neuigkeiten dazu dann wieder pünktlich zum Erscheinen. (Und wir planen im Hintergrund bereits fleißig Tollstes.)
Worüber ich mich auch total gefreut habe, war euer Zuspruch zum (sehr bedachten) Sponsoring dieses Newsletters, wenn sich das anbietet. Und der Suhrkamp Verlag ist auch diesmal gleich wieder dabei:
Lucía Lijtmaer erzählt die Geschichte zweier Frauen, die 400 Jahre versetzt leben und nach der Befreiung aus dem Patriarchat streben: Von der »gefährlichsten Frau der Welt«, die 1639 nach Amerika flieht, und einer jungen Spanierin, die sich 2014 aus einer toxischen Beziehung befreit. Was sie verbindet, erfahrt ihr im Roman »Die Häutungen«: http://shrk.vg/DieHaeutungen-P (Öffnet in neuem Fenster)
(Öffnet in neuem Fenster)Eine kleine, unabgesprochene Randnotiz von mir: Als Suhrkamp diesen Titel vorschlug, der ohnehin schon auf meinem Stapel der ungelesenen Bücher lag, dachte ich vor der Zusage für diesen Newsletter: Ich lese erst mal kurz rein. Ich habe zwei Stunden später und nach über einhundert atemlos gelesenen Seiten zum ersten Mal wieder aufgeblickt. Was für ein rauschhaftes Lesen! Möglich macht das auch die tolle Übersetzung aus dem Spanischen von Kirsten Brandt.
Die schönste Perle im April
Mein Lieblingsbuch im April war ganz eindeutig Birkenschwester von Caro Van Thuyne. Aus dem Niederländischen sagenhaft gut übersetzt hat diesen poetischen und komplexen Text Lisa Mensing. Der Roman erzählt von Mari, die nach dem schmerzhaften Verlust ihrer kleinen Schwester Tully, mit kaum mehr als der Kleidung, die sie trägt, von Zuhause aufbricht, um an einem Fluss entlang Richtung Meer zu wandern. Sie hat zumindest Annie Dillard (die Wunderbare) im Gepäck. Ihr Mann Felix wartet daheim, versucht ein Zuhause für ihre Rückkehr zu erschaffen, versucht daran zu glauben, dass Mari diese Erfahrung gerade allein machen muss, versucht ihr trotzdem nah zu sein und daran zu glauben, dass sie zu ihm zurück kehren wird, wenn sie bereit dazu ist. Es ist die Geschichte einer Liebe, die in der größer werdenden Entfernung immer deutlicher wird. Es ist natürlich vor allem eine Geschichte von Trauer und Verlust. In Rückblicken, die zwischen Mari und Felix’ Perspektive wechseln, setzt sich für uns Lesende ein Mosaik von dieser außergewöhnlichen Familie zusammen: Tully ist mit einer seltenen Behinderung auf die Welt gekommen. Nach dem Tod der Mutter hat Mari alles daran gesetzt, sich um ihre Halbschwester, die gehörlos und blind geboren ist, kümmern zu dürfen. Ihre Wanderungen werden begleitet von Trauer und Schmerz, aber auch von Dankbarkeit, von der Lektüre der Landings von Richard Skelton. Und über weite Strecken von einer Dohle. Eine intensive Lektüre über eine Frau auf dem Weg. Und noch einmal: Lisa Mensings Übersetzung, die so sicher und gleichzeitig so zart, genau den Ton wiedergibt, in dem dieser Roman vom schwer zu Erzählenden spricht, ist eine große Offenbarung. Zuletzt noch ein Hinweis an die großartige Buchgestaltung von Anna Schilling, die diesem Buch eine wunderbare weitere Dimension verleiht und dabei immer im besten Sinne den Text trägt.
Vorfreude auf den Mai
Kat Menschik, die grandiose Künstlerin — ich liebe einfach alles, was sie tut — hat sich mit ihrer Reihe Illustrierte Lieblingsbücher schon längst in all unsere Herzen und Regale gemalt. 2016 erschien der erste Band dieser von ihr so großartig kuratierten und gestalteten Reihe und seither bietet diese Bibliothek eine inspirierende Mischung aus Klassikern, Entdeckungen und tollen Texten zeitgenössischer Autor:innen. Der erste Band, Ein Landarzt und andere Erzählungen von Franz Kafka, erscheint jetzt Anfang Mai zum 100. Jubiläum Kafkas in neuer, farbenprächtiger Ausstattung.
Rivka Galchen Jeder weiß, dass deine Mutter eine Hexe ist , übersetzt von Grete Osterwald, erscheint am 14.5. Wer, so wie ich die Findungen von Maria Popova liebt, wird laut aufkreischen, denn dort bin ich zum ersten Mal auf das Thema gestoßen, das Rivka Galchens in ihrem Roman nun ausführlich erzählt: Den Prozess gegen Katharina Kepler, die Mutter des Astronomen und Physikers Johannes Kepler, die im 17. Jahrhundert der Hexerei angeklagt wurde. Seit ich bei Popova auf diese Geschichte gestoßen bin, wünsche ich mir ein Buch, dass Katharina Keplers Perspektive erzählt. Nun haben wir es.
Auf Hanna Brotherus bin ich vor allem aufmerksam geworden, weil ich ihre Übersetzerin Elina Kritzokat sehr verehre (sie hat zum Beispiel auch Pirkko Saisio ganz hervorragend aus dem Finnischen übersetzt). Ende Mai erscheint Mein einziges Zuhause und erzählt die Geschichte einer Frau anhand ihres Körpers. Ich bin sehr gespannt darauf und freue mich in der Hoffnung auf eine Roman-Variante des großartigen Das ewigeUngenügend von Saralisa Volm oder der Konstellationen von Sinéad Gleeson (übersetzt von Stephanie Singh).
Im Mai erscheint bei Hanser Berlin die neue Reihe: Das Leben lesen. Und findet natürlich sofort mein ganzes Interesse. Neben Streiten von Svenja Flaßpöhler und Lieben von Emilia Roig erscheinen Mitte Mai zwei Titel, auf die ich mich ganz besonders doll freue: Schlafen von Theresia Enzenberger und Altern von Elke Heidenreich.
Wiedergelesen
Elke Heidenreich bildet hier eine wunderbare Überleitung, denn sie hat ein feines Nachwort verfasst zu: Eine Frau von Sibilla Aleramo. Ingrid Ickler hat den Roman neu und sehr frisch und richtig wirkend aus dem Italienischen übersetzt, nachdem in den Siebzigern bereits eine Übersetzung von Michaela Wunderle unter dem Titel Una donna. Geschichte einer Frau veröffentlicht wurde. (Diese Ausgabe hat mir irgendwann der wunderbare Tobi Schiller @tobiborns (Öffnet in neuem Fenster) geschenkt und seither bin ich begeistert von diesem Text.) Sibilla Aleramo (1876 - 1960) hat mit diesem Roman, der 1906 erstmals erschien, einen feministischen Weg in der Literatur bereitet, auf dem wir heute noch schreiben und lesen. Es ist so großartig, dass dieses Buch mit dieser Neuausgabe nun endlich gewürdigt und hoffentlich ganz viel und breit gelesen wird. In einer ebenso genauen wie literarischen Bestandsaufnahme schildert Sibilla Aleramo ihr Leben exemplarisch für viele Frauen auch nach dieser Generation — und hat beim Erscheinen einen regelrechten Skandal ausgelöst. Wie der Text über Sehnsucht und Begehren, über Mutterschaft und die innere Zerrissenheit in einer patriarchalen Struktur erzählt, wirkt ganz und gar nicht wie aus einer so weit entfernten Zeit, sondern auch dank der großartigen Übersetzung, mutig und modern, kraftvoll und konsequent. Der Roman einer Befreiung.
Reihenweise gut
Im Frühling sind jetzt zwei Trilogien erschienen, die nach den Städten benannt sind, in denen sie spielen:
Die Barcelona-Trilogie von Montserrat Roig (1946 - 1991) beginnt mit Die Frauen vom Café Núria. Den Roman aus dem Jahre 1972 übersetzten Kirsten Brandt und Ursula Bachhausen aus dem Katalanischen. Er führt uns anhand der Geschichte dreier Frauen, drei Generationeneiner Familie, die sich regelmäßig im titelgebenden Café in Barcelona treffen, direkt und soghaft in die Geschichte Katalaniens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der zweite Band Als wir von den Kirschen sangen ist großartigerweise bereits für den September angekündigt.
Die Paris-Trilogie von Colombe Schneck, übersetzt von Claudia Steinitz, erscheint direkt in einem Band. Die drei Kurzromane, die im französischen Original 2015, 2019 und 2021 erschienen sind, jetzt in einer Sammlung (205 Seiten) zusammenzufassen, ist absolut klug, denn man kann und will gar nicht mehr aufhören, mehr von dieser furiosen Stimme zu lesen.
Termine
Im Mai wird es zwei Instgram-Livestreams geben und eine kleine Reise nach Mannheim. Ich freue mich sehr auf alle drei Gespräche zu wirklich ganz großartigen Büchern und hoffe sehr darauf, euch hier oder dort zu sehen, in den Kommentaren oder im Publikum.
Am 13.5. um 20 Uhr spreche ich im Instgram-Livestream mit the one and only Caroline Rosales über ihren neuen Roman Die Ungelebten. Es ist ein Buch, das mich seit dem ersten Lesen wirklich kaum mehr loslässt und ich freue mich sehr darauf, für den Ullstein Verlag nun mit der Autorin darüber reden zu dürfen.
Am 17.5. um 20 Uhr spreche ich im Instgram-Livestream mit Doris Dörrie über Die Reisgöttin. Dieser Stream bildet den Abschluss der Livestream-Trilogie zur wunderbaren Tapir-Reihe beim Diogenes Verlag.
Am 29. Mai bin ich im Rahmen von Lesen.Hören mit der großartigen Caroline Wahl im EintanzHaus e.V. in Mannheim (Öffnet in neuem Fenster)auf der Bühne. Wir sprechen über Caroline Wahls neuen Roman Windstärke 17 und ich freue mich so sehr darauf, weil Ida, die wir schon aus 22 Bahnen kennen zu meinen liebsten Romanfiguren aller Zeiten gehört.
Wir lesen uns hier wieder am ersten Sonntag im Juni. Habt es sehr, sehr schön bis dahin. ♡
Auf das gute Lesen!
Eure Maria