Zum Hauptinhalt springen

TEXTE VOM VORHANDENSEIN

TEIL 17: VOM BETEN Teil 2

“Und deswegen ist Poesie so mächtig und so wesentlich für jedes vereinte geistliche Leben: Sie bewahrt beide Aspekte der geistlichen Erfahrung, da sie das Loben wie Verlieren in ein und demselben Moment zu benennen weiß.”

Christian Wiman

Wie so oft habe ich nach dem Schreiben des letzten Textes noch weiter über die Verknüpfung von Schreiben und Gebet nachgedacht. Und mir sind noch so viele Gedanken begegnet, dass ich es für lohnenswert halte, dem noch einen zweiten Teil zu widmen. Wohlwissend, dass auch damit höchstens ein bisschen an der Oberfläche gekratzt ist. Hier gehts zum ersten Teil: VOM BETEN (Öffnet in neuem Fenster)

Auch für andere Schreibende scheint das immer wieder eine spannende Spur gewesen zu sein. Kafka schreibt zum Beispiel in seinen Tagebüchern vom “Schreiben als eine Form des Gebets” und der Schreiber des Jakobusbriefs im biblischen Neuen Testament fordert seine Lesenden auf “Täter des Worts und nicht Hörer allein zu sein. Das Wort für Täter, Tuende, Handelnde ist im griechischischen Original das Wort poiētēs (ποιητής). Übersetzen könnte man es auch mit Poet, Dichter, Verfertiger, Schöpfer, Urheber und sogar Schriftsteller.

Es wird also nahegelegt, einen poetischen Ausdruck für Spiritualität zu finden. Eine Art Performance-Kunst von poetischer Qualität. Und die müsste natürlicher Weise im besten Fall sehr individuell und persönlich sein. Einfach nur abschreiben und kopieren ist ja noch keine Kunst. Wenn ich Schreib-Workshops für Schulklassen gebe, versuche ich immer, ihnen möglichst viele unterschiedliche Poetinnen und Poeten vorzustellen und mich mit Beispielen meiner eigenen Texte etwas zurückzuhalten. Nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern weil gerade am Anfang und im Schulkontext schnell der Eindruck entstehen kann, dass alle einfach das nachmachen sollen, was ich ihnen gerade präsentiert haben. Schließlich stehe ja dort als jemand, der das Schreiben zum Beruf gemacht hat und eingeladen wurde, um ihnen etwas davon mitzugeben. Und selbstverständlich kann man eine Menge dadurch lernen, wenn man seine Heldinnen und Helden kopiert und dabei ihrem Stil und ihrem Handwerk auf die Spur kommt. Das bleibt vermutlich überhaupt nicht aus. Trotzdem wird es eigentlich erst da spannend, wo jemand seine eigene Stimme findet und man möglicherweise noch Einflüsse und Bezüge von anderen erkennen kann, die aber zu etwas Neuem und Eigenem gemacht wurden. Es geht mir also in keinster Weise darum in diesen Workshops möglichst viele kleine Klone meiner eigenen Kunst zu erschaffen, sondern im besten Fall einen Freiraum zu schaffen, ein Fenster zu öffnen, der anderen dabei hilft, ihren eigenen persönlichen Zugang und Ausdruck im und beim und durch das Schreiben zu finden.

Diesen Gedanken angewandt auf den Satz von Jakobus, könnte man vielleicht sagen, dass demnach auch der spirituelle Ausdruck ein sehr persönlicher, eigener und authentischer Ausdruck sein darf, vielleicht sogar muss, damit er, wie in der Poesie, die Kraft hat jemanden zu erreichen und zu berühren. Oder dass überhaupt jemand Interesse daran hat zuzuhören oder sich die Zeit zu nehmen das “Gedicht” zu lesen. Natürlich werden auch da Bezüge und Einflüsse erkennbar sein, aber als Inspirationsquellen und nicht als Schablonen.

In meiner Jugendzeit gab es zum Beispiel in frommen Kreisen diesen merkwürdigen Begriff der sogenannten “Stillen Zeit”. Das bezeichnete einfach eine bestimmte Zeit, die man im besten Fall rgelmäßig mit Bibellesen und Gebet verbringen sollte. Idealerweise morgens, je früher desto heiliger und je länger, desto frommer. Das schlechte Gewissen, wenn man als Teenager diese Disziplin nicht an den Tag legte, gab es natürlich gratis dazu. Nicht, dass an dieser spirituellen Praxis grundsätzlich etwas schlecht oder verwerflich wäre. Wenn das dein Ding ist - Go for it! Ich glaube nur, dass es nicht erstrebenswert ist, dass es für alle dieselbe Form, Uhrzeit, oder Ausdruck geben kann. Sonst bleibt es unweigerlich bei langweiligen Kopien.

Der amerikanische Comedian Kevin James Thornton hat auf Instagram eine ganze Reihe von kurzen Clips veröffentlicht, in denen er seine Kindheit und Jugend in einer fundamentalistischen Freikirche verarbeitet. Mit all den Merkwürdigkeiten, die das so mit sich brachte. Seinen Take zur Quiet Time möchte ich dir nicht vorenthalten:

https://www.youtube.com/watch?v=RqD6dI3et9k (Öffnet in neuem Fenster)

Das Buch von Christian Wiman, aus dem das Anfangs-Zitat stammt, kann ich im Übrigen sehr empfehlen. Es zählt mit zu dem Besten und Tiefgreifendstem, das ich zum Thema Poesie und Theologie jemals gelesen habe. Leider lief die deutsche Übersetzung nicht besonders erfolgreich und ist mittlerweile vergriffen. Ich verlinke trotzdem hier die deutsche E-Book Variante und das englischen Original:

https://www.adeo-verlag.de/mein-heller-abgrund.html (Öffnet in neuem Fenster)https://www.amazon.de/My-Bright-Abyss-Meditation-Believer/dp/0374534373/ref=tmm_pap_swatch_0?_encoding=UTF8&qid=&sr= (Öffnet in neuem Fenster)

NEWS-NEWS-NEWS-NEWS-NEWS

Ich möchte Dir gerne ein Buch vorstellen, an dem ich mitschreiben durfte. Von den Perlen des Glaubens bis zu christlichem Yoga, von Bibelatmen bis Ikonenmalerei: Das Christentum hat einen großen Reichtum an Gebets-, Glaubens- und Achtsamkeitspraktiken, die darauf warten (neu) entdeckt zu werden. Dieses Buch ist ein Reiseführer durch die Welt der christlichen Spiritualität. Kurz und knapp stellt es 40 Dinge vor und inspiriert mit praktischen Tipps dazu, andere Zugänge auszuprobieren. Ein Buch, das zeigt: Glaube und Spiritualität ist so viel vielseitiger als der Besuch eines traditionellen Gottesdienstes mit starrer Liturgie und alten Kirchenbänken. Probier es einfach aus! Keines der Dinge, die du hier findest, braucht Vorwissen, den Glauben an Gott, Kenntnisse in der Verteidigung gegen die dunklen Künste oder andere spirituelle Skills. Sie sind einfach anzuwenden und können dir Aha- und Wow-Effekte schenken – müssen es aber nicht.

Ich durfte einiges zu dem Bereich Kreativität und Sprache beitragen. Teilweise Übungen, die ich auch gerne in meinen Workshops mit den Teilnehmenden ausprobiere.

https://store.ruach.jetzt/produkt/40-dinge-die-du-ausprobieren-musst-bevor-du-aufhoerst-zu-glauben/ (Öffnet in neuem Fenster)

MEIN NEUES BUCH

Hier kannst Du das Buch direkt bei mir bestellen. Wenn du magst auch mit Widmung. Wie auch schon der Vorgänger, erscheint es im wundervollen Lektora Verlag. Ich freue mich sehr, wenn ich diese Wegstrecke und diese Spurensuche mit Dir teilen darf:

https://store.ruach.jetzt/produkt/wir-werden-alle-verwandelt-werden-marco-michalzik-buch/ (Öffnet in neuem Fenster)

Liebe Grüße und bleib neugierig

Marco

PS. Wenn du diese Mail bekommst und darüber nachdenkst mich und meine Arbeit auf Steady monatlich zu untersützen, dann klicke gerne auf den Button.

Kategorie Texte vom Vorhandensein

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Marco Michalzik und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden