Wie 5 Publisher für mehr Repräsentation in der Medienwelt kämpfen
Publisher wie Moderatorin Esra Karakaya oder Podcaster Frank Joung von Halbe Katoffl setzen sich für eine vielfältige Medienwelt ein. Mitgliedschaften können eine Stütze in dieser Mission sein.
Esra Karakaya moderiert die Online-Talkshow Karakaya Talks
Esra Karakaya hat genug davon, den Wünschen irgendwelcher Leute hinterherzulaufen, die ihre Content-Produktion finanzieren. Sie ist Moderatorin und Host der Online-Talkshow Karakaya Talks (Öffnet in neuem Fenster).
Die Show richtet sich an Millennials und will die Perspektive marginalisierter Gruppen sichtbar machen. Eine solche Representation in den Medien sei wichtig, komme aber viel zu kurz, findet Esra. Das liege vor allem daran, dass diejenigen, die in Redaktionen Entscheidungen treffen oder die Content-Produktion finanzieren, da meist ganz andere Vorstellungen haben.
Auch deshalb hat sich Esra dafür entschieden, ihre Talkshow mithilfe ihrer Zuschauer:innen zu finanzieren. So können sie und ihr Team über Themen berichten, die vielleicht keine Schlagzeilen machen, die aber der Community der Sendung sehr am Herzen liegen.
“Unsere Mitglieder geben uns eine Art von Freiheit und Unabhängigkeit, die wir nicht hätten, wenn wir Teil einer Redaktion oder einer anderen Institution wären.” – Esra Karakaya
In den vergangenen Episoden ging es zum Beispiel um Themen wie queer-muslimische Identität, anti-asiatischen Rassismus als Reaktion auf den Ausbruch des Coronavirus in Wuhan oder um Blackfishing, bei dem Weiße versuchen, sich als Schwarze auszugeben, um von einem vermeintlichen sozialen Vorteil zu profitieren.
Für die Community-Finanzierung haben Esra und ihr Team ein Steady-Projekt (Öffnet in neuem Fenster) gestartet und bieten Mitgliedschaften an. Mehr als 500 Mitglieder unterstützen inzwischen die Show mit einem regelmäßig gezahlten Betrag. Damit stellen sie sicher, dass Karakaya Talks weitergehen kann und das Team weiter über die Themen spricht, die ihnen am Herzen liegen.
Zurück zu den YouTube-Wurzeln
Karakaya Talks wurde zunächst unabhängig auf YouTube ausgestrahlt, bevor es dann für eine Weile vom WDR ins Programm aufgenommen wurde. Seit aber vor ungefähr einem Jahr die Show im WDR nicht verlängert wurde, sendet das Team rund um Karakaya Talks wieder auf YouTube – dank der Unterstützung ihrer Mitglieder, die ihnen bei der Finanzierung helfen und damit dafür sorgen, dass sie völlig unabhängig arbeiten können.
Mitgliedschaften haben es Esra auch ermöglicht, ihrer Community näher zu kommen. "Ich liebe es, dass die Kommunikation innerhalb der Zielgruppe und unserem Team bleibt", sagt sie. "Und dass sonst keine Personen reinreden, die nicht einmal in die Arbeit involviert sind und nicht wissen, was es bedeutet, Teil der Zielgruppe zu sein."
Ein Beispiel, wie so eine Kommunikation innerhalb der Community und dem Talkshow-Team aussieht: Zahlende Mitglieder bekommen die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen und zu äußern, was sie sich von der Show wünschen. "Das ist eine tolle Möglichkeit für uns", sagt Esra. "Weil wir dadurch verstehen, was unsere Zuschauer:innen wollen, was sie brauchen, und weil wir eine Show kreieren können, die für unsere Zielgruppe wirklich relevant ist."
Die Mitglieder wiederum sind mehr als bereit, die Show zu unterstützen – auch weil es in der deutschen Medienlandschaft an Formaten mangelt, die auf ihre Interessen zugeschnitten sind.
"Durch Mitgliedschaften schaffen wir es, eine Community nicht nur aufzubauen, sondern auch zu pflegen und zu fördern", sagt Esra. Das verändere die Beziehung und auch die Verantwortung gegenüber den Zuschauer:innen komplett. "Wenn wir nicht das liefern, was sie von uns erwarten, oder was wir versprochen haben, können sie uns direkt zur Verantwortung ziehen und ihre Unterstützung zurückziehen."
Mitgliedschaften ermöglichen die Arbeit unabhängiger Medien
Auch Liv Little sagt, dass es sehr kraftvoll und ermächtigend sei, durch Mitglieder finanziert zu werden. Liv ist Gründerin des britischen Online-Magazins gal-dem (Öffnet in neuem Fenster), welches aktiv daran arbeitet, Repräsentationslücken zu schließen – in gal-dems Fall für Frauen und nicht-binäre People of Color.
Eine Kooperationen von gal-dem mit dem Guardian
Das Magazin finanziert sich derzeit durch eine Mischung aus bezahlten Partnerschaften und zunehmend durch Mitgliedschaften. Damit ist gal-dem auf dem besten Weg, 3000 Mitglieder zu gewinnen, die monatlich einen Unterstützugsbeitrag zwischen 5 und 15 Pfund zahlen.
"Ziel ist es, dass die Einnahmen durch unsere Leser:innen den größten Teil unserer Gesamtkosten decken", erklärt Liv. "Wir glauben, dass Mitgliedschaften wirklich die Zukunft für viele unabhängige Publikationen sind."
"Für uns ist der Weg nach vorne ein Modell der Finanzierung durch unsere Leser:innen. Wir freuen uns darauf, dieses Modell immer weiterzuentwickeln." – Tag Warner, Gay Times.
Tag Warner, CEO des LGBTQI+ Magazins Gay Times, stimmt zu. "Ich persönlich glaube, dass Mitgliedschaften der Weg in die Zukunft für viele Medien sein wird", sagt er. "Nicht zuletzt, weil die Einnahmen durch Printwerbung aber auch durch digitale Werbung komplett einbrechen."
Die Community mit einbeziehen
Liv sagt, dass die Mitgliedsbeiträge bei gal-dem verwendet werden, um die Inhalte zu finanzieren, die von Mitgliedern der Community produziert werden. “Wir investieren in talentierte Leute aus unserer Community. Es sind Auftragsarbeiten, Video-Inhalte, Personalkosten, Kosten für freie Mitarbeiter. Jeder Penny fließt in die Inhalte, die wir produzieren.”
https://steadyhq.com/magazin/posts/8324eb1e-bda1-4fc8-ab83-1b36fc521b9c?utm_source=magazin&utm_medium=link&utm_campaign=representationmedia_post (Öffnet in neuem Fenster)Auch Raul Krauthausen (Öffnet in neuem Fenster) nutzt Mitgliedschaften für sich. Weil, wie er sagt, unter den Medienmacher:innen, die sich bemühen, Repräsentationslücken zu schließen, ein Großteil schlecht bezahlt wird – wenn überhaupt. Raul ist Deutschlands sichtbarster Aktivist für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Seit 20 Jahren arbeitet er daran, den Themen und Stimmen dieser Menschen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Gut 400 Mitglieder unterstützen seine Arbeit. "Es geht nicht um mein Gehalt", sagt er. "Es geht darum, all die Leute zu bezahlen, die an dieser Arbeit beteiligt sind." Das Geld, das er über Steady einnimmt, verwendet er, um zum Beispiel Kolumnist:innen für ihre Artikel zu bezahlen. Damit macht er auf die Notwendigkeit aufmerksam, diese Arbeit angemessen zu honorieren – was in der Medienbranche leider nicht selbstverständlich ist.
Raul Krauthausen, Aktivist für Barrierefreiheit. 📸: Andi Weiland
Die Inhalte, die Raul produziert, sind aber nicht exklusiv für Mitglieder. "Alles, was ich mache, sollte für jede:n kostenlos verfügbar sein", sagt er. "Wenn jemand an den Wert meiner Arbeit glaubt, steht es ihm frei, mich regelmäßig zu unterstützen. Das ist meine persönliche Philosophie, denn ich arbeite für die Unterprivilegierten, die sich das, was ich mache, vielleicht nicht leisten können. Sie sollen nicht auch noch dafür bezahlen müssen, weil sie ohnehin schon unterrepräsentiert sind."
Ringen um Repräsentation
Raul ist sich bewusst, dass seine Arbeit vor allem von den Leuten gesehen wird, die sowieso schon Teil seiner Blase sind. "Das sind eigentlich nicht diejenigen, die ich mit meinen Nachrichten, Gedanken oder meinem Schreiben überzeugen oder informieren muss. Ziel ist vielmehr, ein breites Publikum zu erreichen." Also auch in Medien Beachtung zu finden, die kein Nischenpublikum bedienen.
Der Mangel an Repräsentation ist eine zentrale Herausforderung für Medienmacher:innen wie Raul, wie er erzählt. Selbst wenn sie es schaffen, von großen Medien berücksichtigt zu werden, bleiben viele Hürden bestehen. "Sehr oft werden Menschen mit Behinderungen oder People of Color dann für Sensations-Storys hergenommen", sagt Raul. Diese Geschichten würden gerne rezipiert, sei die Begründung dafür, "aber wenn wir über andere Dinge sprechen wollen und nicht nur über unser eigenes Leid oder vermeintlich inspirierende Geschichten, dann wird das nicht veröffentlicht".
Spotify kopiert Nischen-Format
Das ist die Schwierigkeit im Kampf um mehr Repräsentation: Einerseits arbeiten Publisher wie Raul, Esra, Liv und Tag daran, dass ihre Themen und Anliegen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Andererseits laufen sie auch Gefahr, dass dies dann auf die falsche Art und Weise geschieht.
Eine ähnliche Erfahrung hat Frank Joung gemacht. Er hat im vergangenen Jahr überrascht feststellen müssen, dass der Streaming-Gigant Spotify eine Eigenproduktion startet, die seinem eigenen Podcast Halbe Katoffl (Öffnet in neuem Fenster) unheimlich ähnelt. In Halbe Katoffl führt Frank Interviews mit Deutschen, die nichtdeutsche Wurzeln haben.
"Dass Spotify sich überhaupt für diese Art von Konzepten interessiert, zeigt natürlich, dass Migrations-Geschichten das Potenzial haben, auch eine breite Masse zu interessieren", sagt er. "Ich frage mich nur, ob solche großen Plattformen wirklich an diesen Inhalten interessiert sind oder ob sie nur versuchen, einen Trend mitzumachen. Am Ende zählen für Spotify und Co. vor allem Zahlen wie Reichweite und Klicks."
Genau dem können sich unabhängige Publisher wie Frank entziehen. Frank sagt, dass seine Mitglieder es ihm ermöglichen, seinem Konzept treu zu bleiben und er nicht auf Klickzahlen oder Ähnliches achten muss.
https://blog.steadyhq.com/halbe-katoffl-wer-soll-denn-für-einen-kostenlosen-podcast-geld-bezahlen-14d2f4a225e5 (Öffnet in neuem Fenster)"Dadurch kann ich frei arbeiten und muss niemandem Rechenschaft ablegen", sagt er. "Ich stehe nicht unter dem Druck, irgendeine beliebige Zahl erreichen oder meinen Chef:innen oder einer Redaktion gefallen zu müssen." Natürlich habe aber die Unabhängigkeit nicht nur Vorteile. "Ich habe nicht die finanzielle Stabilität oder andere Möglichkeiten, die ich als Mitarbeiter in einer großen Redaktion vielleicht hätte."
Trotzdem: Ohne Mitgliedschaften und die Möglichkeit, mit seinem Projekt auch Einnahmen zu erzielen, sagt Frank, wäre die Entscheidung, einen Podcast von Grund auf neu zu starten, viel schwieriger gewesen. "Vielleicht wäre es dann nie dazu gekommen. Wer weiß?" Mitgliedschaften seien für ihn eine Win-Win-Situation. "Sie ermöglichen es mir, Geld zu verdienen, und für meine Hörer:innen ist es eine tolle Möglichkeit, etwas zurückzugeben und Danke zu sagen."
Auch Liv von gal-dem sieht das so. "Wir haben unser Magazin gegründet, um unserer Community eine Plattform zu geben. Wir arbeiten mit unserer Community zusammen, unterstützen sie und lernen von ihr. Dann auch noch von dieser Community finanziert zu werden – mehr kann man sich nicht wünschen. Genau darauf kommt es an."