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Leistung…

Vor kurzem kam mir eine Erinnerung aus Studienzeiten wieder hoch: Ich hatte einen Freund besucht, der an der Universität Oxford studierte. Oxford, das war in meinem Kopf und sicherlich auch im Kopf von vielen anderen dieser krasse Ort, wo die klügsten und „leistungsstärksten“ Leute studieren.  Leistung, „gut sein“, war etwas, womit ich mich zu der Zeit sehr identifizierte, was mir in meiner sozialen Identität Sicherheit gab  (und mir sicherlich weiterhin noch auf die ein oder andere Art gibt).  Und ich hatte gerne Menschen um mich herum, wo das ähnlich war.

Aber ich fühlte mich sooo unwohl in Oxford. Vermutlich weil ich nicht dazu gehörte und den Eindruck hatte, dass ich von Oxford-Studierenden nicht unbedingt als Ihresgleichen gesehen wurde. Wenn jemand auf einer Party herausfand, dass ich dort nicht studierte, sondern nur jmd. besuchte, schien schnell das Interesse an mir zu sinken.

Aber ich fühlte mich auch so unwohl, weil mir in diesem Epizentrum von „Leistung“ klar wurde, wie eklig und leer sich eigentlich dieses Streben nach Leistung anfühlen kann. Und wie sehr es mit (meinem) persönlichem Ego zu tun haben kann. Und wie diese Verzwickung mit dem Ego im Weg steht, seine eigenen Stärken wirklich auf den gesellschaftlichen Mehrwert auszurichten.  

Krass fand ich, dass selbst an diesem Ort, wo man sagen könnte: „Wer da ist, hat alles erreicht“, selbst da ließ das „sich Messen“ nicht los. Miteinander messen ging auf diesem hohen Level akademisch nun nicht mehr so leicht. Aber dafür war es nun das kompetitive Rudern, was hoch im Kurs stand.

Don’t take me wrong: Ich hatte dort in der WG-Küche auch einige super inspirierende Gespräche und Oxford ist sicherlich auf viele Arten ein wichtiger Ort für Menschen, die in der Welt Wichtiges und Gutes bewirken (werden). Ich glaube, es gibt dort (und an anderen „Leistungsorten“ dieser Welt) beides. Mein Ausschnitt ist nur ein kleiner und subjektiver, der mich aber sehr ins Nachdenken gebracht hat.

Viele Jahre später kann ich nicht sagen, dass mich diese Erfahrung dort von meinem ungesunden „Leistungsstreben“ geheilt hätte. Aber sie war ein Anstoß.

Ich bewirke gerne Dinge, habe Freude, mich in interessante Themen einzubuddeln, sie tief zu verstehen und daraus Anwendung zu generieren, bin recht schnell im Kopf, habe Gestaltungskraft und eine gewisse Selbstsicherheit. All das führt oft zu dem, was man gesellschaftlich als „Leistung“ verstehen kann.

Und da ist an sich nichts Schlechtes dran. Aber es ist auch nichts Schlechtes dran, das nicht zu tun.

2023/2024 war ich sehr schwer krank und konnte nicht „leisten“. Und auch heute lebe ich weiter mit chronischen Erkrankungen und erforsche notwendigerweise oft mehr das SEIN als das TUN. Nicht einfach, aber bereichernd.

Und was es mir hilft zu sehen: Was und wie ich zu dieser Welt beitragen kann, hat mit meiner eigenen Kapazität zu tun. Und dabei ist mein Körper, mein Sein auch Teil dieser Welt. Zu einer gesünderen Welt beitragen zu wollen, ohne die Gesundheit meines Körpers im Blick zu haben, macht keinen Sinn. An allererster Stelle ist es wichtig, liebevoll mit meinem Körper und meinen Ressourcen umzugehen. Daraus kann ich dann rein spüren: „Wofür habe ich Kapazität? Was möchte aus mir hieraus in dieser Welt bewegt werden?“ Und ich kann gütig auf all das gucken, was ich nicht kann. Und auch nicht können muss. Nicht irgendeinem Leistungsideal hinterherrennen, sondern wirklich reinspüren: Was ist mein authentischer Flow gerade? Wo zieht es mich mit meiner Gestaltungskraft hin (oder auch nicht)?

Wenn ich damit gut in Verbindung bin, fühle ich viel Stimmigkeit. Aber es ist ein Prozess, ein ständiges Hin- und Herpendeln zwischen einerseits dem mit mir, mit meinem authentischen Sein gut verbunden zu sein und andererseits einer Stimme im Kopf, die irgendwo hinstreben will, um sich gut genug zu fühlen.  Weil sie früh gelernt hat, dass sie so den als Kind erfahrenen Mangel scheinbar füllen kann.

Ich glaube, dass unsere Welt es braucht, dass gerade Menschen, denen „Leisten“ wichtig ist, mit sich selbst gut in Kontakt sind und hinschauen, welche inneren Anteile sie eigentlich zu dieser „Leistung“ anspornen. Denn wir brauchen keine Leistung in irgendeiner Unternehmensberatung XY, wo die Berater:innen jede Woche im Flugzeug sitzen und CO₂ in die Luft pusten, oder in anderen Organisationen, die die Welt schlechter statt schöner machen. Und wenn wir nicht bewusst haben, was uns eigentlich antreibt, dann können wir schnell an solchen Orten landen.  Oder wir sind dann zwar an sinnvollen Orten tätig, aber unbewusst mehr mit dem Beweisen unseres eigenen Werts beschäftigt, als wirklich präsent verbunden zu sein mit dem, was es sinnvollerweise von dir für diesen Ort gerade braucht.

Wir brauchen in unserer Welt Menschen, die mit sich gut im Kontakt sind und dann mit ihren Stärken, aber auch mit all ihrer Menschlichkeit und Unperfektheit sinnvolle Dinge tun in dieser Welt. So wie es ihnen möglich ist. Innerhalb ihrer Kapazität. Und das kann sehr unterschiedlich aussehen und ist oft fern von dem dominierenden gesellschaftlichen Leistungsmotiv, das uns eigentlich nicht wirklich nachhaltig hilft.

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Herzliche Grüße

Lyn

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Über Lyn von der Laden

Als Coach und Beraterin für Zusammenarbeit (Öffnet in neuem Fenster) begleite ich Teams und Organisationen, ihre Zusammenarbeit wirksam, anpassungsfähig und freudvoll zu gestalten.

Außerdem schreibe ich auf Steady regelmäßig über meine Herzensthemen, z.B. über Selbstorganisation, psychologische Sicherheit oder die Bedeutung des Nervensystems für wirkungsvolle Teamarbeit. 

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