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Noltes Notizen | 19. August 2022

Liebe KLup-Freund:innen,

einer von euch, also ein KLup-Mitglied, hat mich dieser Tage gefragt, warum wir als Online-Magazin im Bistum Münster eigentlich so viel über die Kölner Wirren veröffentlichen. Gute Frage, zumal sie echtes Interesse zeigte und nicht etwa Irritation darüber, was uns in Münster denn die Vorgänge in Köln angingen. Oder warum wir als "digitale Kirchenzeitung" (wie wir mitunter immer noch unrichtigerweise verstanden werden) des Bistums Münster uns in Angelegenheiten des Nachbar-Erzbistums Köln einmischten.

Um mal hinten anzufangen: Dieser "Einmischen-Vorwurf" (wie gesagt, den das besagte KLup-Mitglied gar nicht erhob) klingt immer so ein bisschen wie die Empörung eines Staates über die Empörung eines anderen Staates darüber, dass dort die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Dann verbittet sich der beschuldigte Staat in größtmöglicher diplomatischer Ernsthaftigkeit derlei Einmischungen in "innere Angelegenheiten". Meist betreffen diese inneren Angelegenheiten die von ziemlich autoritären Staaten, die Demokratie eher für eine Bedrohung und Ausdruck westlicher Dekadenz halten.

Solche Tendenzen gibt es auch im kirchlichen Bereich durchaus zwischen dem einen und dem anderen Bistum, wie zu hören ist. Das gibt es aber natürlich auch innerhalb des Großsystems Kirche: Wie oft haben uns Geistliche, aber auch Laien-Leser:innen schon vorgeworfen worden, Netzbeschmutzer zu sein!

Die Frage der Pressefreiheit in der Kirche ist auch eine Frage des Umgangs mit Macht und ihrer Kontrolle

Es entsetzt mich immer wieder, wie schwer sich Menschen gerade innerhalb der Kirche mit freiheitlich-demokratischen Grundwerten tun. Statt sich damit auseinanderzusetzen, worüber wir berichten - nämlich mitunter auch Skandalöses -, werden wir und unsere Arbeit skandalisiert. Warum aber sollte für die Kirche nicht dasselbe Medienverständnis gelten wie für Politik und Gesellschaft? Auch das übrigens ist für mich eine Frage des Umgangs mit Macht und ihrer Kontrolle in der Kirche. Wichtig: Damit tun sich wahrlich nicht nur Kleriker, und unter ihnen wahrlich nicht nur Bischöfe schwer.

Ich vergleiche uns an der Stelle immer gern mit den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten, die zurzeit ja wieder - zwar alles andere als grundlos, aber doch völlig unnötig - in der Kritik stehen (dazu wird es am kommenden Dienstag einen lesenswerten Gast-Kommentar bei uns geben!). Die Öffentlich-Rechtlichen haben den gesellschaftlichen, gesetzlich festgesetzten Auftrag, kritisch und wahrhaftig beispielsweise darüber zu berichten, was Regierungen und Politiker:innen tun. Dazu werden sie maßgeblich durch eine verpflichtende Rundfunkgebühr wirtschaftlich in die Lage versetzt. Und dann machen die Journalist:innen der Öffentlich-Rechtlichen ihren Job - und zwar gemäß den Standards unseres Metiers, zu denen beispielsweise eine journalistische Sorgfaltspflicht gehört, wenn es um die Überprüfung der Richtigkeit von Informationen oder die Anhörung aller Beteiligten an einer Sache geht. Und dann kann da schon einmal etwas dabei herauskommen, das für den Einen oder die Andere unangenehm ist. Da sind dann aber bitte nicht die Medien schuld. Klar, oder? Für die Gesellschaft jedenfalls sind dies wichtige Informationen. Die Menschen haben ein Recht, im Sinn eines öffentlichen und persönlich-bürgerlichen Interesses davon zu erfahren, sich eine Meinung zu bilden und womöglich daraus zu handeln.

Im Zentrum unserer Arbeit stehen Christ:innen, die immer noch so an ihrer Kirche hängen, dass sie bereit sind, an ihr zu leiden.

Warum sollte das für die Kirche und die sie betreffenden Nachrichten anders sein? Warum sollte diese Pressefreiheit, die Pflicht zu journalistischer Sorgfalt, zu fundierter und professioneller Berichterstattung auch über unangenehme Dinge für die Kirche nicht gelten? Wir haben bei uns im Bistum Münster keinen Grund zu klagen, auch wenn ich sehr genau weiß, dass wahrlich nicht jede Geschichte in unseren Medien zu Freudensprüngen in der Bistumsleitung führt. Wir wissen aber genauso: Im Zentrum unserer Arbeit stehen unsere Leser:innen, engagierte Christ:innen, die immer noch so an ihrer Kirche hängen, dass sie bereit sind, an ihr zu leiden. Sie haben ein Recht zu erfahren, was in ihr geschieht, was manche mit und aus ihr machen, was nicht gut läuft, was skandalös ist.

Und darum berichten wir selbstverständlich auch über die Geschehnisse in Köln. Vielleicht nicht in der Kleinteiligkeit und Intensität wie manche andere (wesentliche Aufgabe einer Redaktion ist die Entscheidung darüber, was man getrost weglassen kann - wir glauben, dass das unser Portal profiliert), aber doch selbstverständlich in den wichtigen, entscheidenden Entwicklungen, die beispielsweise gerade in Köln zu beobachten sind. 

Wir berichten auch deshalb darüber, weil es natürlich Christi:innen auch im Bistum Münster interessiert (und aufregt), wie in einem der größten und bedeutendsten Bistümer Deutschlands und der Welt, geleitet von einem Kardinal mit aktivem und passivem Papstwahlrecht, - wie dort mit Verantwortung und Macht, Betroffenen und Kritiker:innen, Wahrheit und Vertuschung, Strategie und Authentizität und Geld und Transparenz umgegangen wird.

Und wir berichten zuguter letzt auch deshalb darüber, weil "Kirche-und-Leben.de" natürlich bei weitem nicht nur von Menschen im Bistum Münster gelesen wird. Welcome in worldwibeweb! Wir erfahren gerade in jüngster Zeit viel Rückmeldung etwa aus dem Erzbistum Köln, aber ebenso aus dem Bistum Aachen und auch von weit außerhalb von Nordrhein-Westfalen - von Berlin über den Trierer Raum und Baden-Württemberg bis nach Österreich, in die Schweiz und nach Italien. Selbst im Vatikan werden wir gelesen. Datenanalysen sind da recht ergiebig ...

Ein Blick nach Italien

Apropos Italien: Dort hat gestern die Italienische Bischofskonferenz eine Zusammenfassung der Rückmeldungen gegeben, die rund 500.000 Katholik:innen im Land für die von Papst Franziskus ausgerufene Weltsynode eingesandt hatten. Das entspricht übrigens rund 10 Prozent aller katholischen Gläubigen in Italien. In Deutschland hingegen lag die Beteiligung an dieser Umfrage im untersten einstelligen Prozentsatz.

Natürlich haben die Menschen dort ganz eigene Themen - vor allem zum Zusammenleben der Generationen, dem Kontakt mit der Jugend, die Sorge um Armut und soziale Gerechtigkeit, das große Problem organisierter Kriminalität. Und auch wenn die Bischöfe in ihrer Zusammenfassung kein Wort über den Zölibat, die Frage der Weihe für Frauen oder die Relevanz der kirchlichen Sexuallehre verlieren - die Forderung nach einem fundamentalen Umdenken zu mehr Offenheit und weniger Zentralismus, mehr Laienbeteiligung und weniger Priesterzentrismus, mehr Dialog und mehr Lebensnähe ist auch dort offenkundig. Besonders wird das mit Blick auf von Missbrauch Betroffene, auf Frauen, auf queere Personen gesehen. 

Zahlen oder Inhalt?

Gestern schon wurde das Papier der Italienischen Bischofskonferenz veröffentlicht. Hier in Deutschland konnte man dazu zumeist lesen, dass es das Papier gibt und dass 500.000 Menschen dafür ihre Meinung kundgetan haben. Was sie aber gesagt haben, die Inhalte dieser Rückmeldungen - davon las man in katholischen Medien überraschend wenig. Dabei hat sich die Lektüre durchaus gelohnt, wie ich meine und wie man bei uns lesen kann (Öffnet in neuem Fenster). Nicht nur wegen der Inhalte, sondern auch weil aus ihnen ganz ähnliche Reformerwartungen sprechen wie im Kern auch beim Synodalen Weg in Deutschland. Die Katholik:innen in der Schweiz haben unlängst ganz Ähnliches zu Protokoll gegeben.  (Öffnet in neuem Fenster)

Diese Beobachtung ist deshalb so eminent wichtig, weil sie zeigt: Der Synodale Weg ist mitnichten eine deutsch-narzisstische Angelegenheit, und die dumme Rede von der Errichtung einer deutschen Nationalkirche eben genau dies - dumm. Und falsch. Ihr seht also: Wer "Kirche-und-Leben.de" liest, bekommt durchaus auch profunde Informationen, Hintergründe, Einordnungen und Kommentare zu Themen, die über unsere Münsteraner Domtürme hinausreichen. 

Wappnen für den Synodalen Weg

Das ist wichtig zu wissen, wenn es auf die nächste Etappe des Synodalen Wegs zugeht. Vom 8. bis 10. September tagt die Synodalversammlung in Frankfurt - und es steht einiges Wesentliches auf dem Programm. Jetzt schon wappnen sich die ersten Beteiligten - sei es der Passauer Bischof Oster mit meines Erachtens wenig luziden, dafür durchschaubar provokativen Thesenwiederholungen (à la der Synodale Weg fördere die Glaubenskrise), sei es die allemal ähnlich engagierte Erwiderung und Zurückweisung durch Essens Generalvikar Klaus Pfeffer (Öffnet in neuem Fenster), sei es ein lesenwertes Interview mit der Erfurter Dogmatikerin Julia Knop, das wir heute veröffentlicht haben (Öffnet in neuem Fenster).

Alles in allem bleiben die Themen eher solche mit dem Klang des Schweren, Negativen, Frustrierenden. Wir bemühen uns, gerade mit unseren Geschichten aus Gemeinden, über engagierte Projekte und überzeugende Schwestern und Brüder auch den Blick für das weiterhin treu und beeindruckend erbrachte Glaubenszeugnis im Kleinen zu schärfen. Dazu gehört auch unsere Serie über bewährte oder weiterentwickelte oder neue Formen von Frömmigkeit und Spiritualität (Öffnet in neuem Fenster), die wir auch in den nächsten Tagen noch fortführen. 

All  das gehört zusammen. Das Eine ist nicht wichtiger als das Andere, das Geschehen an der Grasnarbe nicht weniger wertvoll als jenes rund um die große Kathedrale am Rhein. Wir bemühen uns, mit den vielen wunderbaren Begabungen, Interessen und Kompetenzen in unserem Redaktionsteam, jede Geschichte mit derselben Akribie, Professionalität und Leidenschaft zu recherchieren und zu erzählen - so wie wir es als Journalist:innen gelernt haben und wie ihr es von uns erwarten dürft: die Menschen im Bistum Münster, in Köln und weit darüber hinaus in Gottes großem, buntem Garten.

In diesem Sinn ein duftes Wochenende, einen gesegneten Sonntag und herzliche Grüße!

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)