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Noltes Notizen | 20. Mai 2022

Liebe KLup-Freund:innen,

es könnte alles besser sein, es könnte alles schneller gehen, es könnte alles mehr sein. Ja, das stimmt. Wir könnten gut wieder mehr positive Nachrichten über unsere Kirche gebrauchen, wir könnten mit Reformen schon viel weiter seien, wir könnten in unserem KLup mehr Mitglieder haben ... Es gehört zu einer tiefen Weltsicht von uns Christ:innen, bei aller Erwartung des "Kommenden" Realist:innen zu bleiben. Ich gestehe, dass auch mir das schwer fällt. Ungeduld ist definitiv eine meiner Schwächen, aber mitunter entstehen darum Kommentare wie der, den wir gestern Abend veröffentlicht haben (Öffnet in neuem Fenster). Es gibt gleichwohl auch die wenig konstruktive Seite von Ungeduld: Manchmal überfordere ich so andere, nicht selten mich selbst. Grenzen anzuerkennen, ist eine ganz große Stärke. Ich sollte daran arbeiten. Vermutlich täte das nicht nur mir gut.

In dieser Woche, genauer gesagt: gestern und heute, gab es zwei Meldungen, die Ungeduldigen nicht gut tun, die aber so etwas wie einen engagierten Realismus erkennen lassen - und der kann in vielerlei Hinsicht heilsam sein. Gestern etwa haben wir davon berichtet, dass Kardinal Mario Grech, der Chef der "Weltsynoden"-Sekretariats im Vatikan, längst nicht so skeptisch oder gar kopfschüttelnd auf den Synodalen Weg hier bei uns in Deutschland schaut, wie manche Erzkritiker dieses Reformprojekts in Rom und anderen Teilen der Welt uns mit großem Getöse immer wieder glauben machen wollen. Das jedenfalls sagte Grech dem britischen Kirchen-Experten Christopher Lamb, wie wir berichtet haben (Öffnet in neuem Fenster):

Der Synodale Weg wie auch die Kritik daran seien ein Ausdruck von  Synodalität, so Grech in Lambs Synoden-Podcast "The Church's Radical  Reform". ... 

"Synodalität", so der aus Malta stammende Kardinal, "bietet den  besonderen Raum, in dem wir unsere Befürchtungen und Freuden, unsere  Gewissheiten und Zweifel teilen können - auch Träume." Es gebe  allerdings Träume, "die wir verwirklichen können und andere nicht.  Manche können wir morgen umsetzen, andere brauchen mehr Zeit."

Für die zweite Meldung in Sachen "engagierter Realismus" sorgte Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, heute im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk (Öffnet in neuem Fenster). Neben einem ziemlich klaren Bekenntnis dazu, die Diskriminierung von Homosexuellen in der katholischen Kirche beenden zu wollen, sagte Bätzing zunächst etwas, das eine Spur zu viel katholische Sprachverwuselung zeigte:

„Ich gebe zu, ja, der Papst enttäuscht mich auch, aber im Sinne einer Täuschung. Der Papst ist nicht der, der die Kirche vom Kopf auf die Füße  stellen könnte, was wir uns wünschen“, sagte er.

Hm, Enttäuschung oder Täuschung - da gibt es schon einen Unterschied, auch und gerade dem "Sinne" nach. Täuschung heißt (meine ich jedenfalls), jemandem ein X für ein U vormachen, etwas sagen oder tun, aber eingentlich etwas ganz Anderes meinen. Reformwillen nur vorgaukeln zum Beispiel. Das ist schlcihtweg Täuschung. Arglist. Wenn Bätzing das wirklich meint, dann braucht es keine "Enttäuschung im Sinn einer Täuschung". Dann kann er einfach sagen: "Ich finde, der Papst täuscht uns, er macht uns was vor. Und das enttäuscht mich." Schlimm, dieser Kirchensprech. 

Dann aber kommt er doch, dieser engagierte Realismus, auch bei Bischof Bätzing, wie wir berichtet haben:

Er rechne daher innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht mit  grundlegenden Reformen, wie etwa der Gleichberechtigung von Frauen in  Weiheämtern und der Abschaffung des Zölibats: „Wenn Sie immer nur die  Spitzen sehen – also fällt der Zölibat oder bleibt er? Werden Frauen  Priester oder werden sie es nicht? Dann würde man sich selber die  Enttäuschung ins Buch schreiben. Denn das ist klar: Das wird in den  nächsten fünf Jahren nicht kommen“, sagte der Bischof.

Das klingt noch ein bisschen nach bischöflichem Fünf-Jahres-Plan, den man aber eben nicht wird einhalten können. Ob es jemals kommen wird, ist auch nicht klar. Das sagt Bätzing nicht, aber er meint es wohl. Aber weil er vorher gesagt hat:

„Ich setze mich nicht in den Sessel und sage, das ist jetzt so, sondern  dafür gebe ich wirklich einen Großteil meiner Kraft. Ich glaube, dass es  zu Veränderungen kommen wird“,

halte ich ihn weiterhin für einen engagierten Realisten. Anders gesagt: Die Alternative wäre Nichtstun - und damit würde sich nie etwas ändern. Bei aller Skepsis, die ich nicht loswerde, und bei aller Ungeduld, die viele schlichtweg überfordert, verzweifeln lässt, tief verletzt, die es der Hoffnung ziemlich schwer machen kann, treibt mich doch die Überzeugung, dass dieses Reformen-nach-vorn-Treiben etwas bewirken wird. Nicht sofort, ganz sicher nicht in fünf Jahren, aber womöglich über die geplante Weltsynode im Vatikan, die ich mir gut als Vorkoster-Stube für ein drittes Konzil vorstellen kann. Dafür lohnt es sich, weiterzumachen. Und ungeduldig zu bleiben. Und dafür zu beten, dass Menschen an dieser zweifellosen Zumutung nicht zugrunde gehen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Katholikentag 2022 in Stuttgart, der am kommenden Mittwoch beginnt, ein Treffen solcher ungeduldig-engagierter Realisten ist. Ich hoffe sehr, dass Stuttgart nicht zur kollektiven Anti-Depressiva-Ausgabestelle wird. Ich wünsche mir Gemeinschaftserfahrung, gute Diskussionen, bewegende Gottesdienste - und in all dem das Erlebnis einer Kirche, die weitergeht, die sich entwickeln will. Dafür genügen vermutlich auch 20.000 Besucher:innen, die sich trotz Corona, Krieg und Kirchenkrise auf den Weg nach Stuttgart machen werden.

Wenn ihr auch dabei seid: Besucht uns doch einfach an unserem Stand im Zelt der Nord-Bistümer, Lageplan 2-SG-01, direkt neben der Uni-Bibliothek! Gemeinsam mit unserem Geschäftsführer David Rönker und mit Martin Burzlaff von unserem Partner "Emmaus-Reisen" findet ihr mich für gewöhnlich dort. Ich würde mich freuen! Darüber hinaus werden Jan Dirk Wiewelhove und Michael Bönte aus unserem Redaktionsteam in Stuttgart dabei sein. Jan wird sich vor allem anschauen, wie das Bistum Münster beteiligt ist - und Michael als unser Fotoreporter wird die Katholikentags-Stimmung in vielen Bildern einfangen. Wir planen, täglich zwei Bilderstrecken von dort zu liefern, dazu tägliche Berichte aus Bistums-Sicht. Jens Joest wird im Newsroom in Münster die Stellung halten und alles darüber hinaus aktuell Wichtige aus Stuttgart für euch zusammenstellen. Wenn alles gut geht, kommt auch mein nächster Newsletter direkt von unserem Katholikentags-Stand.

Apropos Besuch: Exakt heute in zwei Wochen steht unser erstes analoges KLup-Treffen an! Heute wäre Anmeldeschluss - aber wer sich spontan entschließen will, am 3. Mai zu 17 Uhr ins Medienhaus nach Münster zu kommen (Cheruskerring 19, 48147 Münster), kann sich gern noch im Lauf der nächsten Woche bei uns melden: via E-Mail an redaktionsassistenz@kirche-und-leben.de (Betreff: KLup-Treffen). Wir starten mit einer Führung durch unser Gebäude, die ehemalige Bonifatiuskirche. Danach ist Zeit fürs Kenennlernen, zum Fragen-Stellen und Diskutieren. Den Abschluss macht um 19 Uhr die Besteigigung des Turms der berühmten Lambertikirche mit dem Verwaltungsdirektor des Bistums Münster, Ralf Hammecke, der zudem KLup-Mitglied der ersten Stunde ist. Wir freuen uns sehr auf euch!

In der Hoffnung, dass das angekündigte Unwetter, das uns hier in Münster gottdank ziemlich in Ruhe gelassen hat, auch bei euch nicht allzu heftig war, wünsche ich euch einen gesegneten Sonntag und grüße euch herzlich. Bleibt uns gewogen, empfehlt uns weiter!

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)