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Noltes Notizen | 30. September 2022

Liebe KLup-Freund:innen,

Bischofsstab im Regen: vor dem Fuldaer Dom. (Foto: Nolte)

in der vergangenen Woche hatte ich noch von einem "heißen Herbst" in der Kirche gesprochen - eine Woche später macht ein eisiger Wind aus Rom frösteln: Die katholische Kirche in Deutschland wird sich warm anziehen müssen, und das nicht, weil Gas und Geld knapp werden. Was da punktgenau zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz von Kurienkardinal Kurt Koch aus dem Vatikan veröffentlicht wurde (Öffnet in neuem Fenster), ist ein klares, scharfes, gezieltes Manöver gegen den Synodalen Weg. Und vor allem gegen jene Bischöfe in Deutschland, die diesen Reformprozess wollen. 

Dass Nazi-Vergleiche wie der von Koch nie funktionieren, immer nach hinten losgehen und zugleich den entsprechenden Akteur (zu Recht) vollständig disqualifizieren, dürfte eigentlich bekannt sein. Koch wäre zuzutrauen gewesen, dass er darum weiß. Das Gegenteil scheint der Fall. Mehr noch: Angesichts der bislang angenommenen Intelligenz des Kardinals und der publizistischen Hintergründe und Umstände ist völlig klar, dass es hier um eine gezielte Provokation und Diskreditierung nicht nur von ihm geht. Anders gesagt: Die Reformgegner bringen sich in Stellung. Damit sie gehört und gelesen werden, braucht es ordentlich Wumms und Pulverrauch. Was liegt da näher, als einen deutschsprachigen Kurienkardinal mit aufsehenerregenden (geschmacklosen) Äußerungen exakt in dem Moment von sich reden machen zu lassen, in dem durch die Vollversammlung der Bischofskonferenz wenigstens noch ein wenig mediale Aufmerksamkeit auf der Kirche liegt?

An deren Anfang hatte der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, in einer intelligenten, geistvollen und geschickt verfassten Predigt zu Aufbruch, Reform und Handlung gedrängt ("Es ist höchste Zeit!") (Öffnet in neuem Fenster), zwischendurch versuchte bereits der päpstliche Nuntius Erzbischof Nikola Eterovic mit einer wenig luziden "Botschaft" (Öffnet in neuem Fenster)ein erstes - eher missglücktes - Störmanöver, und am Ende dann sollte der große Knall aus Rom stehen. 

Gerede vom deutschen Wesen

Der Duktus ist nicht neu, er tritt jetzt nur in seiner ganzen Giftigkeit zutage. Dieses Gerede, Bischöfe und Theologie hierzulande sollten sich vor der Versuchung vorsehen, "wieder mal" zu meinen, am deutschen Theologen-Wesen müsse die Welt genesen - dieses Gerede erleben unsere Bischöfe nicht erst seit Kochs Ausfälligkeit, sondern immer wieder auf den Fluren der vatikanischen Kurie. Derart unsägliche und sich verbietende Vermischungen von international anerkannter theologischer Expertise mit nationalsozialistischen Motivationen zeigen auf so unglaublich klare Weise, wie angstbesetzt sogar in Führungsetagen der Kirche auf ganz offenkundig notwendige Forderungen nach Selbstreflexion, Rückbindung ans Evangelium, Reformen reagiert wird. In meinem Kommentar gestern (Öffnet in neuem Fenster)meine ich genug dazu gesagt zu haben. Wie gut und wohltuend, dass Bischof Bätzing nicht nur so deutlich reagiert (Öffnet in neuem Fenster), sondern auch so fundiert und klar und uneingeschüchtert auch die kaum minder unsägliche Erwiderung Kochs gekontert (Öffnet in neuem Fenster)hat. Und wie wichtig, dass sich heute sogar die Bundesregierung in Person ihres Antisemitismusbeauftragten Felix Klein eingeschaltet hat (Öffnet in neuem Fenster).

Kräftiger Gegenwind aus Rom

Kuppel des Petersdoms. (Foto: Nolte)

Fakt ist, dass den deutschen Bischöfen beziehungsweise den 75 Prozent reformwilligen unter ihnen reichlich Gegenwind entgegenweht. Das war am Rand der Vollversammlung immer wieder zu spüren. Es dürfte in der Tat ein heißer Herbst werden. Und es ist nicht ausgemacht, dass am Ende Freude, Friede, Eierkuchen stehen. Ganz im Gegenteil. Meine Befürchtung ist in diesen Tagen ein ganzes Stück größer geworden: Es sind nicht die Austretenden, schon gar nicht die Bleibenden, es sind Verantwortliche an der obersten Spitze dieser Kirchenhierarchie, die unsere Kirche marginalisieren. Und sich selber schon längst.

"Es ist höchste Zeit!", hatte Bischof Bätzing in seiner beeindruckenden Eröffnungspredigt am Dienstag im Fuldaer Dom gesagt. Ich ziehe meinen Hut vor seinem Durchhaltevermögen, der übermenschlichen Kraftleistung und vor allem vor seiner Fähigkeit, sich (zumindest äußerlich) nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Doch ich fürchte zunehmend, dass die Zeit nicht mehr ist, dass sich diese Kirche den Zeichen der Zeit stellt, sich selber stellt und ihren Fehlern, ihrer Schuld, ihrer nach wie vor starken Selbstherrlichkeit. Es ist vielmehr längst die Zeit, sich darauf einzustellen, dass unsere Kirche hierzulande weiter marginalisieren wird. Ihre so nötige Stimme in den so unglaublich großen Herausforderungen unserer Zeit, unseres Landes, unserer Gesellschaft - sie wird keine Kraft mehr haben und sie wird kein Gewicht mehr haben. Weil sämtliche Glaubwürdigkeit dahin ist - und weil alle Chancen, alles Ringen, alles Streiten und Zusammenraufen vertan oder besser: zunicht gemacht wurden.

Ich fürchte, darauf wird es hinauslaufen. 

ABER!

Umso wichtiger wird es sein, die Kirche da zu stärken, zu stützen und sichtbar zu machen, wo sie nach wie vor glaubwürdig ist: an der Basis, in den Gemeinden (wie auch immer sie mit weniger Priestern und Hauptamtlichen) sein wird! Wo Menschen Christ:innen authentisch erleben, weil sie anders mit einander umgehen, mit denen, die nicht zu ihnen gehören, mit den Armen vor allem und den Marginalisierten, mit Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit, wo sie gegen Ausgrenzung Gastfreundschaft leben, gegen Hass Menschenfreundlichkeit, gegen Gewalt Frieden, gegen Ausbeutung Liebe - da vergegenwärtigen sie Gott. Und sind dann und darum - Kirche. Daran glaube ich. Dass das bleibt. Diese Kirche glaube ich. 

Auch darum setze ich, setzen wir in unserem Team, setzt "Kirche-und-Leben.de" so auf die regionale Berichterstattung aus den Gemeinden, den Pfarrheimen, den sozialen Orten, den Wohnzimmern und Schulklassen. Darum ist uns die Perspektive der engagierten Christ:innen so wichtig, ihre Welt UND ihr Blick auf die Kirche, ihre Verantwortlichen - die großartigen wie die schwierigen. Darum setzen wir auf die Kirche der Getauften und Gesendeten. Und dafür brauchen wir Unterstützung. Jeden Tag mehr. Den Grund habe ich oben beschrieben. Helfen Sie uns dabei - wenn wir Ihnen, was wir hoffen, wichtig genug sind. 

Übergänge!

Übergänge. Wandlung. Abschied. Neues. Das erleben wir alle gerade an so vielen Stellen. In unserer Redaktion geht es uns da nicht anders. Gerade heute verabschieden wir uns von zwei lieben Menschen. Von der einen war an dieser Stelle schon die Rede: Marie-Theres Himstedt hatte heute ihren letzten Tag bei uns; nach zwölf Jahren in unserem Team will sie eine neue berufliche Herausforderung annehmen.

Der andere ist Jürgen Kappel (Bild oben / Foto: Michael Bönte). Für ihn war heute ebenfalls der letzte Tag bei "Kirche+Leben" - nach sage und schreibe 31 Jahren geht er morgen in den Ruhestand. In dieser langen Zeit war der gebürtige Kölner unser Mann am Niederrhein. Über all die Jahre hat er in zahlreichen Reportagen, Porträts und Interviews über das kirchliche Leben und die Menschen zwischen Emmerich und Duisburg, Goch und Wesel, nicht zuletzt in Deutschlands zweitgrößtem Wallfahrtsort Kevelaer berichtet. 

Für uns in der Westfalenmetropole war Jürgen darum immer auch so ein bisschen Auslandskorrespondent. Der Paulusdom in Münster ist für die Menschen in den Kreisdekanaten Kleve und Wesel nunmal weit weg (aus dem einen oder anderen Grund möchte ich hier nicht schreiben, dass ihnen der Kölner Dom näher wäre, und sei es nur in Kilometern)

31 Jahre sind eine lange Zeit. Jürgen gehörte und gehört zum Inventar von Kirche+Leben. Als ich als Volontär in dieser Redaktion anfing, war ich 29 Jahre jung und Jürgen neun Jahre älter. Aber er kam mir damals schon vor wie ein alter Hase vor - wegen der journalistischen Erfahrung, die er mir voraus hatte. Es bewegt mich sehr, ihn heute - stellvertretend für unser Team - als Chefredakteur zu verabschieden. 

Lieber Jürgen, gib auf dich Acht! Gönn dir die freie Zeit, genieß den Alltag ohne allen Tagesdruck, lebe ein auf ganz neue Weise erfüllendes Leben! Und danke für allen Einsatz, alle Geschichten, alle Identifikation mit "Kirche+Leben" - unser Mann am Niederrhein!

Euch allen ein erholsames Wochenende, einen gesegneten Sonntag und einen schönen Tag der Deutschen Einheit!

Guet goahn!

Markus Nolte (Chefredakteur Online)

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