Vom Radfahren und Hirn urbar machen
Die gute Nachricht zuerst. Die Raumforderung ist vom Tisch. Ich weiß nicht, ob ich sie in einem öffentlichen Artikel (im Irgendlink-Blog) erwähnt hatte. Hier die Begebenheit in Kürze: Nach einem Routine-Gesundheitscheck Ende letzten Jahres stand für gut drei Monate ein Etwas von der Größe eines Daumenglieds in einem Organ zur Debatte. Im Brief der Fachärztin hieß das "Raumforderung". Die Ärztin empfahl ein MRT, um das Ultraschallbild präziser zu bestimmen. Für mich als Laien klang Raumforderung zunächst harmlos. Dennoch war ich neugierig, bemühte eine Suchmaschine, las von Tumoren und anderen Gräßlichkeiten.
Drei Monate in medizinischer Schwebe
Sofort zückte ich das Telefon, um einen MRT-Termin auszumachen. Und staunte. "Da sind wird dann im Feburar", sagte die Koordinatorin am Telefon.
Neben der langen Wartezeit und der damit einhergehenden Ungewissheit nahm ich es mit Humor und stellte mir immer vor, jemand will mich als Künstler konsultieren und bittet um einen Termin und ich kann mit einem genugtuenden Bedauern antworten, "Da sind wir dann [in einem Monat weit in der Zukunft, mindestens jedoch drei Monate später als dieses Telefonat]".
Keine schöne Zeit. Ungewissheit ist immer schlimm. Sich sorgen ebenso. Die Tristesse der Jahreszeit tat ihr übriges und mein mit Euphorie letztes Jahr propagiertes Projekt Irgendlink Reloaded litt sehr darunter.
Die Segel. Der Wind. So unheimlich raus. Stillstand. Meine Künstlerphantasie tat ihr übriges und in mir wuchs ein malignes Irgendwas, genannt Raumforderung.
Bis das MRT vor vier Wochen endlich Klarheit schuf. Da ist nichts. Nur ein angelebter Körper in einem dem Alter entsprechenden Zustand.
Wohlan. Möge die Livereise beginnen.
Die Zeit seither verbrachte ich mit diversen Tätigkeiten in der Künstlerbude. Ein bisschen umbauen, denn die Winde waren kalt, Isolierung tat Not. Rettete die Webseiten zweier Freunde, schrieb Artikel für den hießigen Ableger des ADFC (Öffnet in neuem Fenster).
Schreibtraining im Flüstermodus
Vor allem aber absolvierte ich ein Schreibtraining. Man muss sich das vorstellen wie Radfahren zu trainieren, wie Ausdauer üben. Angefangen hatte es damit, dass ich eine Dokumentation über Jack London geschaut hatte. Der Literat hatte es sich zum Ziel gesetzt mindestens tausend Worte pro Tag zu schreiben. Das kann ich auch, sagte ich mir und begann im Stillen und ohne zu publizieren, regelmäßig zu schreiben. Ich achtete dabei streng auf den Wordcount. Tausend Worte waren anfangs ziemlich hart. An manchen Tagen schrieb ich nicht, an manchen wenig. Mittlerweile bin ich seit über drei Wochen im Training. Die tausend Worte schaffe ich schon viel leichter und es springt hie und da mal ein guter Satz heraus.
Das Schwierige war, überhaupt erst einmal zu beginnen. Mich zu überwinden, nicht darauf zu achten, wieviele Tippfehler ich mache, wie quer die Texte sind, ob das Thema interessant ist oder einen Spannungsbogen aufweisen kann. Es ist nicht Ziel des Schreibtrainings, interessante, schön lesbare Texte zu liefern, sondern überhaupt mal etwas zu schreiben. Krass Tagebuchstil, unkorrigiert, nicht zumutbar. Aber auch, davon bin ich überzeugt: Es ist nicht nichts wert.
Aller Anfang ist
Wenn ich Radfahren trainiere (was nicht so wichtig ist wie das Schreiben zu trainieren), fahre ich auch immer wieder die gleichen Strecken in meiner Gegend. Es hat keine Bedeutung wie belanglos und uninteressant das ist was du machst, um eine Fähigkeit zu erreichen, sondern nur dass du es überhaupt beginnst.
Familiäre Diplomatie
Im Grunde hat meine Arbeit am Projekt AnsKap 2023 mit dem Schreibtraining längst begonnen. Zudem leiste ich noch diplomatische Vorarbeit. Sich für mehr als zwei drei Wochen aus dem Alltag rausnehmen will in unserer Gesellschaft gut vorbereitet sein. Auch für uns Freischaffende. Es ist nicht leicht, die Familie und die Liebste behutsam darauf vorzubereiten, dass sie ein paar Wochen ohne mich auskommen müssen. Auch die Reise selbst erfordert Vorarbeiten. Etwa die Recherche nach einer radelbaren Strecke, bis zum Nordkap. Dieses Mal möchte ich den Königsweg versuchen. Durch Norwegen.
Links:
Geplante Route:
https://umap.openstreetmap.de/de/map/ans-kap-ii_22398#4/62.71/13.18 (Öffnet in neuem Fenster)
Das ist eine erste Annäherung. Radfahren ist Bildhauerei. Der Feinschliff kommt vor Ort. In die Karte werde ich während der Reise die Tagesetappen hochladen.
Ein Twitterfreund empfahl mir den Rallarvegen (https://www.visitnorway.de/aktivitaten/freie-natur/radfahren/radtouren/rallarvegen/ (Öffnet in neuem Fenster)), eine gut achtzig Kilometer lange Radroute, zudem die beliebteste Radroute Norwegens. Leider liegt sie weit abseits meiner geplanten Strecke. Ich halte das trotzdem mal im Hinterkopf.
Man warnte zudem vor für Radfahrende gesperrten Tunneln, weshalb ich recherchierte und folgende Tunnelliste für Norwegen fand. Wenn ich es recht sehe, gibt es keinen nicht befahrbaren Tunnel auf meiner geplanten Strecke, bzw. nahe Umfahrungen auf der jeweils alten Straßenroute, die durch den Tunnel gekürzt wird. https://www.cycletourer.co.uk/maps/tunnelmaplrge.shtml (Öffnet in neuem Fenster)
Das wars fürs Erste. Ich plane, hier auf Steady alle ein bis zwei Wochen dienstags oder mittwochs einen Artikel zu schreiben. Thema Radfahren und Hirn urbar machen. Kommt mit, schließt euch mir an. Gemeinsam werden wir fit.
Mit dem Radeltraining habe ich übrigens noch nicht begonnen.
Auf der Steady-About-Seite dürft ihr mein Projekt gerne unterstützen.
https://steadyhq.com/de/irgendlink/about (Öffnet in neuem Fenster)