Was von der Disco bleibt
Hi! Dennis von Indie Fresse hier.
Zwischen unseren Podcast-Folgen gibt’s kluge Gedanken zu schönen Spielen in eurem Postfach.
Wenn ihr uns dabei unterstützen wollt:
Ein schönes (!) Spiel: Drova
Hömma! Was das denn? Gothic? In 2D!? Jo. Isses. Und kann dat watt?
Mein lieber Herr Gesangsverein!
Drova - Forsaken Kin (Öffnet in neuem Fenster) ist ein neues Rollenspiel von Just2D (Öffnet in neuem Fenster), einem 6-köpfigen Team aus Magdeburg. Die Inspiration sind Gothic und Morrowind. Und ich bin extrem froh, dass unser Hörer Cybard (Öffnet in neuem Fenster) uns auf Mastodon drauf hingewiesen hat.
Weil:
Nostalgie: Für mich stehen die Gothic-Spiele von Piranha Bytes wie wenig andere Spiele für meine Schulzeit. Die Spiele habe ich immer ausgeliehen bekommen von Freunden, die mir dann auch immer weitergeholfen haben, wenn ich mal nicht weiterwusste. Wie kommt man denn zum Sumpflager? Und wieder weg? Und sollte ich mich in Gothic 2 der Stadtwache anschließen oder lieber den Söldnern? Gothic (und auch Morrowind) waren schwierig, kryptisch, brutal — und damit sofort etwas, über das man sich austauschen konnte. Spiele als sozialer Kitt. Und Drova fängt das ganz genau so ein.
Diese Freiheit: In Drova strande ich als komplette Nullnummer in einer fremden Welt voller Monster und dann…darf ich halt einfach machen. Ich kann in einem kleinen Holzfällerlager aushelfen. Oder ich gehe sofort ins Ruinenlager, um dort die Wachen von mir zu beeindrucken. Oder ich heuere als Erzhauer an. Oder ich werde gekidnappt, weil ich ein naiver Tölpel bin. Drova bietet ganz viele Pfade an. Einige sind offensichtlich gefährlicher oder schlicht dusseliger als andere. Aber ich darf selbst entscheiden. Wie erfrischrend!
The Ruhrpott of it all: Die Gothic-Spiele sind legendär für ihren ruppigen Ruhrpott-Ton. Junge! Hömma! Aufs Maul! Und so weiter. Im Englischen kommt das, finde ich, gar nicht so gut rüber. Auf Deutsch entfaltet Drova eine riesige Wirkung auf mich. Es zeichnet eine raue Welt. Hart, kantig, gefährlich. Aber auch eine Welt voller Wärme. Wer den Söldnern, Banditen, Erzhauern und Druiden von Drova hilft, findet auch Verbündete. Und irgendwie fühlen die sich dann für mich echter an als die oft eher glatten Figuren moderner Spiele.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich JEDEM dieses Spiel empfehlen kann. Ich kenne da z.B. einen ganz bestimmten Podcast-Host, dessen Name sich auf Shmarcus reimt, den Drova vermutlich ganz fürchterlich ärgern würde.
Aber: Drova hat für mich noch mal ganz krass verdeutlicht, dass ich das Feeling von Spielen wie Morrowind und Gothic nicht verkläre. Dass in diesen alten, rauen, ruppigen Designs noch ganz viel Leben steckt.
Außerdem: Die Pixelgrafik! Zum Dahinschmelzen.
Große Liebe für dieses Spiel!
Ein kluger (?) Gedanke: Die Erben von Disco
Ich möchte diese Woche ein bisschen über die komplett bizarren Vorgänge rund um Disco Elysium schreiben. Denn wer ein bisschen Gaming-News liest, der hat gemerkt: Da tut sich was. Und ich drösel das ein bisschen auf.
Es gibt wenige Spiele, an die ich so häufig zurückdenke wie Disco Elysium. Vor fünf Jahren hat mich dieses Spiel einfach komplett umgehauen (hier (Öffnet in neuem Fenster) und hier (Öffnet in neuem Fenster) haben wir drüber gepodcastet). Ein Rollenspiel, aber ohne Kämpfe. Ein Spiel voller politischer Theorie, aber witzig, absurd und obszön. Und menschlich war es vor allem. Ein melancholisches Spiel, über gescheiterte Existenzen, die zwischen Drogen und Suff dann irgendwie doch die schaurige Schönheit des Seins erfahren.
Dieses Spiel ist eine Wucht. Und der Erfolg hat die Macher völlig zerstört.
Was bei ZA/UM passiert, dem estnisch/britischen Studio hinter Disco, kann man, glaube ich, getrost als Shitshow bezeichnen. Zahlreiche Angestellte wurden gefeuert (Öffnet in neuem Fenster). Die Leads von Disco Elysium unter Vorwürfen von toxischem Verhalten aus der Firma gejagt (Öffnet in neuem Fenster). Es gibt Gerichtsprozesse, Schuldzuweisungen, Gerüchte, viel Wut. It’s a mess! Ich glaube am nächsten kommt der ganzen Story diese Doku (Öffnet in neuem Fenster) von People Make Games.
Und jetzt ist etwas sehr, sehr merkwürdiges passiert: Insgesamt fünf Studios voller ehemaliger Disco-Entwickler*innen sagen jetzt, dass sie nun am “wahren” Nachfolger arbeiten.
Longdue (Öffnet in neuem Fenster): Ein “dutzend” Entwickler*innen, darunter wohl auch ehemalige Disco-Entwickler*innen (die jedoch nicht namentlich erwähnt werden), die an einem “geistigen Nachfolger” arbeiten, einem “psychogeographischen Rollenspiel” mit isometrischer Perspektive.
Dark Math Games (Öffnet in neuem Fenster): “zwanzig” Entwickler*innen rund um Kender Kaur (Öffnet in neuem Fenster), den estnischen Autor und Disco-Elysium-Investor, der eine…komplexe Beziehung hat zum alten Entwicklungsteam. Ihr Spiel: XXX Nightshift, ein “True Detective Roleplaying Game” in einem Ski-Ressort aus isometrischer Perspektive. Es gibt einen Trailer (Öffnet in neuem Fenster)!
Summer Eternal (Öffnet in neuem Fenster): Ein Künstler*innen-Kollektiv rund um einige der wichtigsten Disco Devs, die einen Aufschlag machen mit einem Manifest. Zitate? Gerne. “Unsere Kunst wurde zu Industrie runtergemacht” und “diese Industrie wurde ausgeraubt von korrupten Bossen”. Stark!
Red Info: das neue Studio rund um Robert Kurvitz, den Lead-Autor und Designer von Disco Elysium. Es existiert…vielleicht?
ZA/UM (Öffnet in neuem Fenster): Das originale Disco-Elysium-Studio, das gerade haufenweise Leute entlässt und Projekte vor allem einstellt.
Wie wild! Fünf Jahre nach Disco Elysium gibt es fünf Studios. Jedes davon mit einem Anspruch, einen Teil von Disco Elysium zu besitzen und das wahre Erbe weiterzutragen. Also quasi Game of Thrones, aber es geht um ein Videospiel über einen sehr traurigen, sehr besoffenen Cop und sein verkorkstes Leben in einem fiktiven postkommunistischen Staat. Cool.
Ich habe keine Ahnung, was aus all dem wird. Ich vermute: So einige Projekte werden knallhart scheitern. Aber vielleicht bekommen wir ja wirklich einen geistigen Nachfolger. Um ehrlich zu sein: Ich weiß gar nicht, ob ich diesen Nachfolger brauche?
Oder anders. Ich will nicht unbedingt ein neues Spiel über einen besoffenen Cop. Das Setting muss gar nicht postkommunistisch sein. Es müsste für mich nicht mal unbedingt um politische Ideologien gehen (aber ich nehm’ das gerne!). Am wichtigsten wäre es für mich, dass was auch immer da entsteht, eine kleine, traurige Ode an die Menschlichkeit wird. Weil, weiß nicht wie es euch so geht, aber…glaube es wäre Zeit.
Achso und kein Crunch für die Macher*innen. Das wäre was!
Schamlose Selbstpromo und anderes Zeug
Marcus war zusammen mit Lara Keilbart im Wochentalk (Öffnet in neuem Fenster) im Deutschlandfunk Kultur und hat über Vampire und Geschlechterrollen in Games geplaudert
Mehr von Dennis gibt’s hier bei Breitband (Öffnet in neuem Fenster). Es geht um E-Book-Piraterie!
Polygon hat eine Doku (Öffnet in neuem Fenster) über das gemeinsame Game-Projekt von Ex-KGB und Ex-CIA-Leuten. Wild!
Auf Steam gab’s im Next Fest zahlreiche Demos. Meine Highlights: Windblown (Öffnet in neuem Fenster), Keep Driving (Öffnet in neuem Fenster), Lost but Found (Öffnet in neuem Fenster), Lonely Mountains Snow Riders (Öffnet in neuem Fenster). Und bei euch so?