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Ich bin dankbar!

Wenn man zwei Jahre quasi nur noch liegend verbringt, dann stellt man sich zwangsweise die Frage "warum passiert mir das"! Dagegen kann man sich nicht wehren und es ist sehr schmerzlich. Aber inzwischen glaube ich auch, dass das gut so ist. Es ist ein Schritt zur Genesung. Leider ist es sehr schwer diesen Moment im Genesungsprozess zu überwinden. Manchmal benötigt man dazu einen Freund oder auch die Hilfe eines professionellen Therapeuten. Bei mir hat sich diese Frage mit der Zeit von selbst gelöst. Es war ein langer Prozess und er endete mit einem sehr traurigen Erlebnis.

Schon in der REHA nach meiner zweiten Operation, haben mich die Menschen die ich dort kennen lernte davon überzeugt, dass das Schicksal nicht nur scheinbar wahllos, sondern auch sehr vielfältig und in vielen Fällen auch erbarmungslos zuschlägt. Jeden Tag traf ich dort bei meinen Anwendungen und Übungen Menschen, denen es viel schlimmer als mir erging. Die keine Familie oder Freunde hatten, die sich um sie sorgten oder kümmerten, oder die mit viel schlimmeren Behinderungen zu leben lernen mussten.

Was waren dazu im Vergleich meine Schmerzen und die Bewegungseinschränkungen - der Rollstuhl kam erst später. Aber nichts veränderte meine Sichtweise mehr als folgende Geschichte.

Ich hatte vor vielen Jahren bei einer Organisation ganz in der Nähe unseres Wohnortes gearbeitet. Heute sage ich, das war beruflich die schönste Zeit. Meine Kollegen waren auch Freunde und von solcher Herzlichkeit, wie man es sich nur wünschen kann. Mit einem dieser herzensguten Kollegen, ich nenne ihn hier Wilfried, hatte ich einige gemeinsame Projekte. Deshalb waren wir auch gemeinsam auf Reisen und wir lernten uns zwangsweise näher kennen, erfuhren mehr über unseren familiären Hintergrund und die beginnenden Wehwehchen. Er war damals ja noch recht jung, aber er hatte schon einen sehr hohen Blutdruck und musste regelmäßig Medikamente nehmen. Nachdem ich meinen Arbeitsplatz geändert hatte, telefonierten wir von Zeit zu Zeit noch und mit der Zeit schliefen auch diese seltenen Kontakte ein.

Einige Zeit nach meiner REHA erhielt ich von der betreffenden Organisation das Angebot an einem Projekt auf Stundenbasis teilzunehmen. Darüber freute ich mich sehr, auch um meinen alten Freund und Kollegen wieder zu treffen.

Als ich ankam habe ich gleich nach Wilfried gefragt. Da wurden alle still und eine Kollegin nahm mich beiseite und erzählte mir, dass Wilfried einen schweren Schlaganfall erlitten hatte und nicht mehr derselbe Mensch sei, den ich noch kannte. Seine Familie hätte keine Zeit gehabt sich um ihn zu kümmern und deshalb habe man ihn in ein Pflegeheim gegeben.

Ich war geschockt. Wilfried der immer herzensgut zu allen Menschen war, der jedem half der in Not war. Wilfried der kluge Kopf und Macher. Ob im Beruf oder in seiner Gemeinde. Und nun hatte er trotz großer Familie niemanden, der ihn bei sich aufnahm und sich um ihn kümmerte.

Ja, ich habe es schwerer als vor meiner Krankheit. Und so manchem der mich nach längerer Zeit sieht, sehe ich die Betroffenheit an, mich im Rollstuhl zu sehen. Ich sehe diese Mischung aus Verwunderung und dem Wunsch möglichst rasch das Weite zu suchen. Aber ich habe gelernt mit mir und meiner Behinderung zu leben und ich gehe selbstbewusst und stark durch das Leben. Meine Familie und insbesondere meine, die beste Frau der Welt, sind für mich da. Deshalb bin ich dankbar, denn es geht mir soviel besser als unzählig viel anderen Menschen.

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