Der edelste Kies
Heute gibt es im Newsletter kein neues Video, sondern sozusagen eine Fußnote zu einem früheren Beitrag. Erinnert ihr euch noch an die Kirche »Maria Regina Martyrum« in Berlin?
https://youtu.be/EeN5iw3Xp54?t=130 (Öffnet in neuem Fenster)Die hellen Teile der Fassade sind Waschbeton, belegt nicht mit irgendwelchen weißen Steinchen, sondern mit Marmorkieseln. Und die Marmor-Kieselsteine sind auch nicht aus irgendwelchem Marmor, sondern aus Carrara-Marmor. Das italienische Städtchen Carrara und die Gegend drumherum beherbergen die berühmtesten Marmorbrüche der Welt und Carrara-Marmor ist der Inbegriff von hochwertigem weißem Naturstein.
Nun waren wir zufällig neulich in Urlaub in der Nähe von Carrara. Wenn man dort beim Gehen auf den Boden schaut, kann man so etwas sehen:
Das ist genau der Carrara-Marmorkies, mit dem auch Maria Regina Martyrum verkleidet ist, höchstens qualitativ ein kleines Bisschen billiger. An anderen Stellen kann der Boden auch so aussehen:
Wenn man sich vom Zentrum entfernt, wird das Pflaster etwas billiger, zum Beispiel so:
Das Zeug ist also wirklich überall. Es wundert einen auch nicht, denn bei der Verarbeitung der riesigen Blöcke, die bei Carrara aus den Bergen geholt werden und die dort überall auf den Höfen der Steinmetzbetriebe herumstehen, muss es zwangsläufig jede Menge Bruch geben. Der gleißende weiße Kies ist, ebenso wie das Marmorpflaster, mehr oder minder eine Form der Abfallverwertung.
Da am Carrara-Marmor in unseren Breiten der Nimbus des Luxus haftet, findet man ihn in Deutschland eher selten als Straßenbelag. Die Stadt Sindelfingen verlegte 1982 einige Zebrastreifen, bei denen die weißen Streifen aus Carrara-Bruch bestehen, (Öffnet in neuem Fenster) was bis heute als Sinnbild von 80er-Yuppie-Hedonismus auf kommunaler Ebene gilt und zu einem inoffiziellen Wahrzeichen wurde. Auch wenn es angeblich einfach auf die Dauer billiger ist als weiße Farbe.
Das nächste neue Video folgt in den kommenden Tagen, bis bald!
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