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Geseier im Dominakostüm

(K)ein Text über eine wütende Reitgerte auf der Terrasse

Hauen wir uns nicht immerzu alle die Hucke voll? Machen wir die meisten Dinge nicht nur aus lauter Bequemlichkeit? Oder weil wir Angst haben, dass wir uns ernsthaft mit uns selber befassen müssten? Ich stelle mir viele Fragen, manchmal zu viele. Ich mag es, Menschen und auch mich aus der Reserve zu locken, manchmal erzählen sie mir Dinge, die sie sonst keinem erzählen. Am liebsten möchte ich dann losziehen und allen zurufen, guck mal, ihr/ihm geht es genauso. Du bist nicht alleine mit deinen Ängsten. Aber das geht nicht immer, denn manche Menschen haben tatsächlich Geheimnisse und die verrate ich natürlich nicht. Auch ich habe welche und die verrate ich auch nicht.

Auch nicht in meinem Buch-Manuskript (Öffnet in neuem Fenster). Man könnte sich natürlich einbilden, ich habe eine Geschichte geschrieben, die ich erlebt habe. Aber nix da. Alles, was in diesem Manuskript vorkommt, habe ich mir ausgedacht oder erlebt. Vieles ist genauso passiert und anderes haben meine Freundinnen und Freunde erlebt. Manches auch Familienmitglieder. Alles ist wahr, aber nichts so richtig. Manchmal melden sich Leute bei mir, denen ich ein Stück zum Lesen gegeben habe und sie weisen mich dann darauf hin, dass sie bei genau dieser Szene doch dabei waren und es eigentlich ganz anders war. Kann das sein, frage ich mich dann und denke, habe ich mir doch nicht alles ausgedacht. Das bin ich. Ich höre zu, füge hier und da etwas ein, lasse weg und denke mir was aus. Ob ich das jetzt oder jemand anderes erlebt hat oder ob das einfach nur meine Fantasie ist? Kann ich nicht sagen :)

Aber meine Fantasien machen mich sehr glücklich. Es gibt Tage, da flüchte ich mich in (m)eine Parallelwelt und tauche so tief ein, dass ich selber nicht weiß, was wahr ist. Dann muss ich mich schütteln und stelle mir ernsthaft die Frage, ob ich vielleicht ein Fantasieleben führe? Aber was für ein Leben möchte ich denn führen?

Projektarbeit

Wir sollten uns trauen, unser Leben infrage zu stellen und uns überlegen, was möchte ich? Wer bin ich? Ehrlich zu sich sein, was gibt mir Freude? Welchen Weg möchte ich gehen? Mach ich das, was ich tief in meinem Herzen tun möchte? Ich las etwas über Geschichten. Das viele sich ihr eigenes Unvermögen nicht eingestehen und daran dann den anderen die Schuld geben. Ich musste das auch lernen. (Ich glaube übrigens gerade wieder, dass hier wird kein Text. Das denke ich tatsächlich jede Woche immer wieder von vorne.)

Ich habe ein Projekt im Baumarkt. Ich nenne es so, weil es Besonderer klingt, aber eigentlich ist Projekt gelogen, das schreibe ich mir nur schön. Ich schreibe meine Schwäche schön. Denn ich mache einen Job dort und dieser Job macht mir unheimlich viel Spaß, obwohl er nichts mit meinem eigentlichen Schaffen zu tun hat!  Ah, welch Glück, da ruft der Baumarkt gerade an. Wir sprechen zwei Minuten, legen auf, ich kläre alles, rufe zurück und gehe morgen dort arbeiten. Also gibt es keinen RauschVonWorten (Öffnet in neuem Fenster) und ich muss gestehen, ich bin fast ein bisschen froh, denn so muss ich mich nicht mit dem Dreck in meinem Kopf befassen. Ich bin voll mit C.. Und ich habe die Nase voll. Lasst euch verflucht noch mal endlich impfen. Für die Kinder, die noch nicht geimpft werden können. Für die Verletzten, damit sie operiert werden können. Für die Krebspatientinnen und Patienten, damit sie ihre Behandlungen erhalten können. Für uns, damit wir alle wieder entspannt ins Restaurant gehen können. Für die Kultur,  für das Leben, für die Pflegenden und all die Menschen, die im Krankenhaus arbeiten. Für Weihnachten!

Jetzt was anderes: Einer meiner Freundinnen sagte ich kürzlich, sie kann mich auch gerne bei der Arbeit einfach mal heimlich auf dem Klo anrufen. Sie wohnt weiter weg und wir sind viel im Alltag gefangen, was regelmäßigen Austausch schwierig macht. Der Klo-Anruf kam lange nicht, aber dann erwischte ich sie. Sie war Arbeiten, saß auf der Toilette, pumpte Milch ab (stillen und so), schrieb mit ihrer Nachbarin, wo der Schlüssel für die Reinigungsfrau liege und ging ans Telefon. Das nenne ich mal Multitasking. „Uschi, du bist meine Heldin!“ Ich hoffe, du liest das und lachst jetzt herrlich. Kuss zu dir. Wir quatschten tatsächlich zwanzig Minuten und ich komme jetzt zu dem Schluss, dieser Text ist Schrott. Denn er ergibt nach wie vor keinen Sinn. Aber muss denn immer alles Sinn haben? Reicht es nicht, wenn das hier ein bis drei Leute lesen und sich dieselben Fragen stellen. Und am Ende genau eines gelernt haben: Es muss nicht immer alles Sinn machen und sie sind nicht alleine mit ihren Zweifeln.

Ängste

Was soll ich also schreiben? Was erwarte ich denn? Da sind sie wieder die Erwartungen (Öffnet in neuem Fenster). Ich möchte nichts mehr erwarten, nicht von anderen, nicht von mir selbst, nicht von den Politiker:innen. Corona ist sowieso wieder da und strebt die Weltherrschaft an. Die vierte Welle wütet, ich erwarte nichts. Außer dass ich es bitte schaffe mich mal nicht zu ernst zu nehmen. Ist aber schwierig, denn in diesem zweiten Corona-Winter (Öffnet in neuem Fenster) sehe ich meine Leichtigkeit dahin siechen. Ich merke, wie ich flüchte. Flüchte vor meinen eigenen Gedanken, vor meinen Zweifeln, vor meinen Texten und Ideen und das macht mir Angst. Ich habe Angst vor Weihnachten, weil die Themen um Corona einen Spalt in unsere Familie zu treiben drohen. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich habe Angst vor einem erneuten Lockdown, ich möchte kein Homeschooling mehr erleben, das tat unserem Familienfrieden nicht gut. Ich habe Angst vor der vierten Welle, die uns überrollt und uns vielleicht wieder den Spaß auf Tiroler Skipisten nimmt. Ich habe Angst vor einer Quarantäne. Ein paar Tage bekommen wir das vielleicht hin, aber wie soll mein ständig rennender und radfahrender Triathlet (Öffnet in neuem Fenster) das aushalten?

Ich könnte ihn im Garten immer hin und her jagen, dazu ziehe ich mir ein Dominakostüm an, stelle mich auf die Terrasse und schwinge meine alte Reitgerte. Gar keine schlechte Idee, da hätten sogar die Nachbarn etwas von.

In meinen dunkelsten Momenten schreibe ich nie wieder einen RauschVonWorten, liest ja doch keiner. Corona erwischt mich noch hart, meine restliche Lungenkapazität (Öffnet in neuem Fenster) geht flöten und der Gatte erleidet Depressionen nach der Quarantäne. Aber wie heißt das so schön frei nach Niccoló Machiavelli, wenn man ganz unten ist, kann es nur noch aufwärts gehen. Ich dachte zwar da waren wir schon, aber ich habe mich wohl getäuscht. So (er)warte ich dann brav den Tiefpunkt, um dann auf 2022 zu hoffen. Dabei habe ich mir doch in den letzten Jahren erst mühsam das JETZT genießen erarbeitet. Und siehe da, meine Laune schlägt doch noch um. Ich beginne über mein Geseier zu schmunzeln, denke an zwei fette 40-er Geburtstagsfeten, die noch vor Weihnachten kommen – wohlgemerkt mit 2G+!!! Und dann fällt mir das halb leere bzw. halb volle Glas ein, das bei mir nicht mit Wasser, sondern mit feinstem Rotwein gefüllt ist und im Grunde so voll ist, dass es überzulaufen droht: mit Wein und Luft!

In diesem Sinne bleibt luftig, leicht&lebendig,
Helen

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Kein WortRausch ohne die Illustration von Sophie Schäfer:

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