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GZ #12 Ein kritischer Moment für das Christentum

Gofigramm

Du siehst mich während meiner Zugfahrt nach München. Rechts neben mir ist das Zugfenster.

Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich auf dem Weg nach München. Heute, am Freitagabend, werden der Comedian und Podcaster Jay Friedrichs und ich als HOSSA TALK auftreten, ein Podcast, der sich mit Fragen des christlichen Glaubens beschäftigt.

Das Publikum wird die Möglichkeit haben, uns Fragen zu stellen. Wir werden darauf spontan im Dialog antworten. Es geht darum, nicht den direktesten Weg zur Antwort zu finden, sondern die Frage zu nutzen, um darüber ins Gespräch zu kommen, Assoziationen zu folgen, gemeinsam vielleicht sogar zu neuen Erkenntnissen zu kommen - und das alles live vor einem Publikum.

Wir haben das schon oft gemacht und wissen deshalb, dass es funktioniert. Aber natürlich ist es auch jedes Mal wieder aufs Neue spannend.

Über das Christentum kann man dieser Tage eigentlich kaum sprechen, ohne dabei im Kopf zu haben, dass es maßgeblich weiße Christen gewesen sind, die Donald Trump erneut an die Macht gewählt haben. Menschen, die sich in der Vergangenheit als 'Werte-Wähler' bezeichnet haben, haben einen Mann zum Präsidenten gemacht, der mehrfach als Straftäter, auch als sexueller Straftäter, verurteilt worden ist. Sie wussten, dass es seit den späten Sechzigerjahren keine so rassistische, fremdenfeindliche, frauenverachtende Kampagne mehr gegeben hat, wussten von den Plänen, illegale Migrant*innen zusammenzutreiben und notfalls in Lagern zu internieren, die vom Militär bewacht werden, wussten auch, dass die neue Administration massiv Menschenrechte einschränken will und dass Trump von fachkundiger Seite als Faschist bezeichnet worden ist.

Sie wussten das alles und haben ihn nicht dennoch, sondern, so sieht es aus, genau deshalb gewählt.

Es sind Christen wie ich gewesen, weiß, protestantisch, etwa in meinem Alter, meistens männlich, die zu seinen Königsmachern wurden, denn Statistiken zeigen, dass, wenn sie tatsächlich der Werte ihrer eigenen Religion gemäß gewählt hätten, Trump nicht Präsident geworden wäre. Jetzt aber beobachten wir etwas, das intelligente, nicht zur Hysterie neigende Menschen als den Aufstieg eines neuen amerikanischen Faschismus bezeichnen. (Leseempfehlung: What white Christians have wrought (Öffnet in neuem Fenster), Time Magazine)

In meinem Umfeld gibt es Menschen, die davon ausgehen, dass von christlichen Gemeinschaften nur das Beste für die Welt ausgeht. Als Christ sage ich: Wenn alles gut geht, ist das der Fall. Gegenwärtig beobachten wir jedoch, dass zum x-ten Mal in der Kirchengeschichte das genaue Gegenteil passiert.

Warum? Die amerikanische Theologin Diana Butler Bass schreibt: weil das Thema Gerechtigkeit ausgeklammert worden ist. Um die Christenheit nicht zu spalten, wurde es vermieden, darüber zu debattieren, welchen Menschen soziale Gerechtigkeit widerfahren muss. Das Thema Gerechtigkeit wurde unter den Tisch fallen gelassen, um die Einheit zu bewahren. Leichter war es, Jesuslieder zu singen und zu beten. Du kannst ihren lesenswerten Artikel hier finden (Öffnet in neuem Fenster). Er ist lang, lohnt sich aber.

Vielleicht gibt es auch noch andere Gründe. Vielleicht ist die Trauer darüber, dass die Kirche zunehmend an gesellschaftlicher Relevanz verliert, Anlass genug, sich einem weißen christlichen Nationalismus zuzuwenden, sich ein autoritäres Regime zu wünschen, das notfalls mit Gewalt dafür sorgt, dass 'die Kirche' wieder Bedeutung hat.

Du magst das alles ganz anders sehen. Ziehe am besten Deine eigenen Schlüsse. Ich jedenfalls fahre mit diesen Gedanken nach München, um Fragen zum Christentum zu beantworten. Und ich bin sehr gespannt auf den Abend. Bei Gelegenheit erzähle ich Dir, wie es gewesen ist.

In dieser Ausgabe des GOFIZINEs erwartet Dich eine kurze Bildvorstellung des amerikanischen Künstlers David Hammons, die ich gerade passend finde, außerdem die letzte aktuelle Folge des openSPACE Podcasts. Abschließend schenke ich Dir eine meiner etwas robusteren Geschichten, für den Fall, dass Du so etwas vertragen kannst, die von den Katzen in meiner Siedlung handelt und sie in kein besonders sympathisches Licht taucht.

Du weißt ja, alles im GOFIZINE ist nur ein unverbindliches Angebot.

Jetzt wünsche ich Dir eine tolle Woche. Bis nächsten Montag.

Dein Gofi

Danke, dass Du diesen Newsletter liest. Derzeit unterstützen nicht ganz siebzig Menschen die Teile meiner Arbeit, die ich kostenlos allen zur Verfügung stelle. Wenn auch Du Dich dazu entschließen könntest, wäre ich Dir dankbar. Hier erfährst Du, wie das geht. (Öffnet in neuem Fenster)Und wenn Du das bereits machst, danke ich Dir sehr herzlich!

Art2Go

David Hammons: Pray for America

Dies ist ein Exemplar einer ausgedehnten Serie von "Körperdrucken" von David Hammons. Hammons bestrich Körper und Kleidung mit Fett oder Margarine, bevor er sich gegen ein Brett oder ein Blatt Papier presste, um anschließend die Oberfläche mit Grafit oder Pigment zu bestreuen. Dieses eindringliche Bild des Künstlers, eingehüllt in die amerikanische Flagge, seine Hände zum Gebet gefaltet, entstand nur ein Jahr nach den Ermordungen von Martin Luther King Jr. und Robert F. Kennedy und in einer Zeit landesweiter Proteste, Rassenunruhen und Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Es steht für das, was Hammons als seine "moralische Verpflichtung als schwarzer Künstler" beschrieben hat, "dass ich versuche, das, was ich sozial fühle, grafisch zu dokumentieren."

David Hammons wurde 1943 in Springfield, Illinois, geboren und zog 1963 nach Los Angeles, um Kunst zu studieren. Nach Stationen am Los Angeles City College und dem Los Angeles Trade and Technical College begann er den Abendunterricht am Otis Art Institute bei dem realistischen Künstler und Aktivisten Charles White.

Obwohl er sich nicht dafür entschied, in einem traditionellen realistischen Stil zu arbeiten, übersetzte Hammons Whites sozial engagierten, handgezeichneten Realismus in einen zeitgenössischen Realismus von gefundenen Objekten und Materialien. Ab den späten 1960er Jahren begann er, seinen eigenen Körper zu benutzen, ihn zu färben, auf Papier einzuprägen und das Ergebnis mit Pigment und Grafit zu bestreuen, um Body Prints herzustellen. Diese Röntgen-ähnlichen Figuren wurden mit anspruchsvollen Details von Haut, Haaren, Kleidung und Körperteilen unterbrochen, die durch den Prozess der Eins-zu-Eins-Übertragung entstanden sind.

Von wegweisenden Aktionen wie seinem Bliz-Aard-Ball Sale (1983), in dem Hammons Schneebälle unterschiedlicher Größe auf einem Bürgersteig in New York City verkaufte, bis hin zu seinen jüngsten Gemälden, deren Oberflächen von Planen oder alten Möbeln verdeckt werden, hat sein Werk zu einer anhaltenden Diskussion über die Kunst beigetragen, die über die Welt der Museen und Galerien hinausgeht. Hammons zögerte, an Ausstellungen seiner eigenen Arbeit teilzunehmen, verteidigte seinen Status als kultureller Außenseiter erbittert, während er gleichzeitig weiterhin Arbeiten produziert, die seinen Ruf als einer der relevantesten und einflussreichsten lebenden amerikanischen Künstler unterstreichen. (Du findest dieses und weitere Werke von David Hammons hier: https://www.moma.org/artists/2486)

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Podcast

openSPACE Podcast: Denn Du bist gut & schenkst das Leben - Ist Gott wirklich gut? (mit Talk)

Der openSPACE Podcast ist eine Initiative der Evangelischen Gemeinschaft Fulda in Kooperation mit mir. Diese Veranstaltung ist eine Mischung aus einer alternativen Form, Gottesdienst zu feiern, und eine Live-Podcast-Aufnahme, bei der jede/r eingeladen ist, daran teilzunehmen.

Die Aufnahmen werden veröffentlicht als Folgen des openSPACE-Podcasts, der sich an alle richtet, die an spirituellen Fragen interessiert sind und sich mehr oder weniger für den christlichen Glauben interessieren. Sie enthalten Gebete, Meditationen, einen Vortrag zum Thema und ein anschließendes offenes Gespräch darüber. Jede Folge dauert etwa eine Stunde.

Du kannst den openSPACE-Podcast überall abonnieren, wo es Podcasts gibt.

Das Cocer dieser Podcastfolge.

In dieser Folge spreche ich über über den nächsten Abschnitt des Gebetes, das wir immer zum Abschluss beten. Es ist eine Neuformulierung des berühmten Gebets ‚Unser Vater‘ aus dem Neuen Testament.

Du kannst die Folge entweder hier anhören (Öffnet in neuem Fenster)oder auf Spotify.

https://open.spotify.com/episode/1zOLmvEwc1308eNnsdqBEx?si=bb2Iro0aRGmq47N4CN6IhA (Öffnet in neuem Fenster)

Kurzgeschichte der Woche

Ricardos Flucht

Lenny lag im Geäst einer Fichte und sah Herrn und Frau Badstuber beim Sex zu. Sie gaben keinen Laut von sich. Während sie auf einem weichen Lager kniete, von der Art, wie Menschen sie gerne zum Schlafen nutzen, stand ihr Männchen hinter ihr und rammte sein Geschlechtsteil immer wieder in sie hinein.
Lenny wunderte sich über die Lautlosigkeit dieses Vorgangs. Neulich hatte er Pennys Menschenweibchen dabei beobachtet, wie sie sich mit dem Männchen eines anderen Weibchens der Siedlung paarte. Da war es geräuschvoller zugegangen.
Bisher hatte er reglos dagelegen. Nicht etwa, weil er nicht entdeckt werden wollte. Er glaubte kaum, dass sich Menschen durch den Anblick eines Katers beim Paaren stören lassen würden. Nein, er war einfach müde. Die ganze Nacht hindurch war er auf der Jagd gewesen. Seine Suche war derartig erfolglos gewesen, dass er sich fast dazu überwunden hätte, sie im Wald fortzusetzen, der an die Siedlung grenzte, und das, obwohl er sich geschworen hatte, niemals den Wald aufzusuchen. Das wilde Pack da draußen war ihm zuwider. Glücklicherweise hatte er schließlich doch noch eine verirrte junge Amsel gefunden.
Er ließ seinen Schwanz träge hin und her baumeln, denn das Nachdenken über das Paaren hatte ihn erregt. Er würde nachher noch bei Penny vorbeischauen, bevor er seinen Schlafplatz aufsuchte. „Hey“, rief da eine Stimme, und als er nach links sah, erblickte er Jenny, die etwas weiter unten auf dem Querbalken der Schaukel saß. Sie war eine recht langweilig grau getigerte Katze mit seiner Meinung nach viel zu buschigem Fell. Aber sie war eine gute Kämpferin, bei Mafdet, das war sie wirklich!
„Was gibt’s?“ fragte Lenny und gab sich Mühe, rechtschaffen müde zu klingen.
„Ein Problem“, erwiderte Jenny. „Ricardo ist abgehauen.“
„Schon wieder? Na und? Warum sollte das ein Problem sein?“
„Für dich vielleicht nicht, aber für Penny. Und dadurch also doch auch irgendwie für dich.“ Jenny grinste gehässig.
Lenny stöhnte. Wenn Penny ein Problem hatte, wollte sie von Sex nichts wissen. Und das war ihm überhaupt nicht recht, nicht, nachdem er die leidenschaftslose Paarung der Badstubers mitverfolgt hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass er diesen traurigen Anblick nur durch einen eigenen Paarungsakt aus dem Gedächtnis löschen konnte.
„Was hat sie denn? Wieso macht sie sich Sorgen um ein dämliches Meerschweinchen?“ wollte Lenny wissen.
„Sie macht sich keine Sorgen“, korrigierte ihn Jenny, „ihr Menschenweibchen tut es. Ricardo ist ihr Liebling.“
„Menschen!“ spie Lenny. Er zeigte seine nadelspitzen Zähne und sprang dann mit einem wütenden, aber eleganten Satz hinunter auf den Balken, auf dem auch Jenny saß. Das Holz knirschte, als sich seine Krallen hineinbohrten. „Ich kapier nicht, warum Penny Mitleid mit dieser Unkrautfresserin hat! Ein Meerschweinchen mehr oder weniger, was geht das eine Katze an?“
„Penny hat kein Mitleid. Sie erträgt es nur nicht, wenn sich niemand um sie kümmert. Im Moment heißt es nur noch ‚Ricardo hier‘ und ‚Ricardo da‘.“
„Sich um sie kümmert!“ ätzte Lenny. „Sie ist eine erwachsene Katze. Es muss sich doch niemand um sie kümmern!“
„Du bist doch voller Köterscheiße, Lenny …“
„Vorsicht! Vorsicht!“
„Katzen sind der Mittelpunkt! Immer! Das weißt du ganz genau!“
„Sie hat ihre Menschen einfach schlecht erzogen“, maunzte Lenny wehleidig, weil er erkannte, dass Jenny Recht hatte, „ich hab ihr das schon hundert Mal erzählt.“
„Also, was ist, kommst du jetzt?“
„Wohin?“
„Zu Penny, natürlich. Und dann weiter, Ricardo suchen.“
„Ich hasse diesen Fellfetzen!“ fauchte Lenny, folgte Jenny dann aber hinab auf den Rasen. „Wenn wir ihn finden, fresse ich ihn. Wollte schon immer wissen, wie Meerschweinchen schmeckt.“
„Das glaubst du doch selbst nicht“, erwiderte Jenny.
Sie huschten den steinernen Weg entlang, auf dem die Menschen ihre brüllenden Tiere ritten, die nur dann zum Leben erwachten, wenn sie sie bestiegen. Die Katzen fürchteten sich vor diesen Ungetümen nicht. Im Gegenteil, wenn sie ruhten, hockten sie sich sogar unter deren stinkende Bäuche, weil sie eine unglaubliche Wärme abgaben.
Als die beiden die Behausung von Pennys Menschensippe erreichten, wartete die schon ungeduldig im Garten. „Diese stinkende, kleine Ratte!“ schrie sie ihnen entgegen. „Das macht der mit Absicht! Er weiß ganz genau, dass hier alles kopfsteht, wenn er mal wieder verschwunden ist!“
„Reg dich ab“, versuchte Jenny sie zu beruhigen, „wir finden ihn, keine Bange.“
„Wenn nicht“, klagte Penny, „bin ich am Arsch. Ich verlier hier meinen Status. So einen Märtyrertod kannst du einfach nicht toppen!“
„Glaub ich nicht“, meinte Lenny, „Menschen mögen lebende Tiere. Tote sind ihnen egal.“
„Du hast doch überhaupt keine Ahnung von Menschen“, sagte Jenny. „Los, gehen wir!“
„Und wenn ich nicht mitmache?“ Lenny lauerte die beiden Katzen an. „Das ist doch sinnlos! So viel Aufwand für einen Nager, von dem wir gar nicht wissen, wo er steckt. Die soll man fressen, nicht retten!“
„Wenn du nicht mitmachst“, brüllte Penny, „kannst du dir eine andere zum Besteigen suchen!“
„Wenn du nicht mitmachst“, ergänzte Jenny, „kannst du deine Gebiete vergessen. Die übernehmen dann wir.“
Das wagt ihr nicht!“ Lenny wurde so wütend, dass er zitterte. „Das verstößt gegen das Abkommen! Jede Katze der Siedlung hat sich daran zu halten. Ihr auch!“
Jenny leckte ungerührt eine Pfote. „Es gibt Ausnahmen. Oder, Penny?“
„Auf jeden Fall!“ Penny wirkte plötzlich eiskalt und sah Lenny unverwandt an.
Der gab sich geschlagen. „Also los. Je eher wir ihn finden, desto besser.“
Penny schlug vor, Ricardo auf der Pferdekoppel am Waldrand zu suchen. Dorthin war er auch die letzten beiden Male verschwunden. Ihr Weg führte sie an einem Grundstück vorbei, das mit einem niedrigen schwarzen Metallzaun abgegrenzt war. Ein weißer Terrier namens Filou tauchte wie aus dem Nichts auf und sprang wild kläffend an den Zaunstäben entlang.
„UAS UOLLT IHR HIA?“ bellte er in ohrenbetäubender Lautstärke. „UAS UOLLT IHR HIA? UAS UOLLT IHR HIA?““
Die drei Katzen fuhren zusammen, stellten die Haare auf und peitschten mit den Schwänzen durch die Luft. „Lern erstmal richtig sprechen, du Wichser!“ giftete Jenny ihn an.
„Wenn mein Herrrr euch sieht“, knurrte Filou, bemühte sich jetzt aber trotz seiner Erregung um eine deutlichere Aussprache, „schlägt er euch TOT!“
„Dein Herrrr kann uns mal“, Lenny klang mutiger, als er sich fühlte. „Hör doch mal mit dem Gebrülle auf, wir haben eine Frage an dich.“
„HAUT AB! HAUT AB! STINKENDE SCHLEICHER!“
„Wie heißt du eigentlich richtig?“ fragte Penny unvermittelt und brachte den Hund damit aus dem Konzept.
Das Gekläff verstummte, und der Terrier legte verdutzt den Kopf schief. „Wieso? Das weißt du doch ganz genau. Ich heiße Filou.“
„Quatsch!“ sagte Penny. „Das ist der Name, den dir dein Mensch gegeben hat. Was dein richtiger Name ist, will ich wissen.“
„Das IST mein Name“, erboste sich der Hund. „Mein Herrrrr hat ihn mir gegeben! Ich bin STOLZ auf meinen Namen!“
„Ist ja gut!“ Jenny hatte von dem entwürdigenden Schauspiel die Nase voll und wollte weiter. Hunde deprimierten sie. „Hör mal, kurze Frage: Ist hier ein Meerschweinchen vorbeigekommen?“
„HAUT AB! HAUT AB! HIER WOHNT MEIN MENSCH! STINKENDE SCHLEICHER!“ war alles, was sie als Antwort erhielt.
Es war Zeitverschwendung. Penny markierte noch schnell einen Zaunpfosten, dann zogen sie, vom besinnungslosen Kläffen des Terriers begleitet, weiter die Straße hinunter.
„Wie wirst du eigentlich von deinen Menschen genannt?“ wollte Lenny von Penny wissen.
„Chica.“ Es war ihr sichtlich peinlich.
„Bei Mafdet“, stöhnte Lenny, „tut mir echt leid!“
„Ich finde deinen religiösen Tick irgendwie komisch“, sagte Jenny. „Du warst doch früher nicht so.“
„Nicht darüber reden!“ schaltete sich Penny schnell ein, bevor der Kater etwas erwidern konnte. „Wenn ihr jetzt mit Religion anfangt, hört er nicht mehr auf zu reden. Jetzt geht’s nur noch um Ricardo, dieses dumme Stück Scheiße.“
Sie erreichten die Pferdekoppel. „Ihr sucht bestimmt diesen pelzigen kleinen Kerl“, begrüßte sie Hippolytos, ein betagter Haflinger, ohne dabei das Malen seiner Kiefer zu unterbrechen. „Ich hab ihn fast zertreten, den Dummkopf. Was macht der denn schon wieder hier draußen?“
„Er macht sich wichtig“, sagte Penny. „Hast du gesehen, wo er hin ist? Wir suchen ihn tatsächlich.“
„Filippos!“ rief Hippolytos dem anderen Haflinger zu. „Hast du gesehen, wo das Vieh diesmal hin ist? Ist er noch im Stall?“
„Nee, er ist weiter Richtung Wald.“
„Da habt ihrs.“ Hippolytos‘ langes Gesicht nahm einen vorwurfsvollen Ausdruck an.
„Guck nicht so blöd!“ schnauzte Lenny. „Wir haben ihn jedenfalls nicht rausgelassen!“ Der Gedanke, Ricardo im Wald suchen zu müssen, gefiel ihm gar nicht.
„Ich würde mich beeilen, wenn ich ihr wäre“, schnaubte Filippos, als sie auf dem Weg zum Waldrand an ihm vorbeikamen. „Irgendjemand freut sich da drinnen immer über einen kleinen Happen.“
In diesem Augenblick hörten sie den Ruf des Bussards und hielten mitten in der Bewegung inne. Über ihnen drehten Thorwald und Freya ihre Runden und brachten ihrem jüngsten Sprössling das Jagen bei. „Die da zum Beispiel“ sagte Filippos noch und widmete sich dann wieder dem Grasen.
„Scheiße!“ fauchte Jenny. „Wenn er noch irgendwo hier auf der Weide ist, haben die ihn gleich.“
Die Katzen blieben still stehen und lauschten in alle Richtungen, während sie gleichzeitig mit den Augen das Areal absuchten. „Kannst du vielleicht mal mit dieser Kauerei aufhören?“ fuhr Penny Filippos an, „das ist ja ohrenbetäubend!“
„Mein Gott“, gab Filippos zurück und entfernte sich, um in einigen Metern Entfernung weiterzugrasen.
Sie konnten die Geräusche um sich herum jetzt besser wahrnehmen. „Da!“ sagte Jenny plötzlich, und im selben Moment hörten die anderen sie auch, die schnellen Tritte eines kleinen Tieres. Nur Augenblicke später sahen sie ihn: Ricardo rannte wie besessen auf die Straße zu. Offensichtlich hatte auch er die Bussarde bemerkt und lief um sein Leben. „Nein!“ stöhnte Jenny, dann jagten sie hinter ihm her.
Freya schrie erneut. Sie hatte schon herabstoßen wollen, hatte dann aber die Katzen bemerkt und blieb in sicherer Entfernung. Ein Nagetier zu schlagen war das eine. Sich mit drei ausgewachsenen Katzen ein Gefecht zu liefern, war etwas völlig anderes. Außerdem erkannte sie, dass sie möglicherweise viel müheloser an ihre Mahlzeit kommen würde, als sie eben noch geahnt hatte, denn auf der Straße näherte sich ein Auto. Und es fuhr genau auf die Stelle zu, zu der auch der kopflose Ricardo rannte.
Als die Katzen eintrafen, war schon alles zu spät. Von dem Meerschweinchen war nicht mehr übriggeblieben als ein braunroter haariger Fladen. Penny schrie auf. „Was mach ich denn jetzt? Was mach ich denn jetzt, verdammte Scheiße? Du dämliches kleines Drecksstück!  Wenn ich könnte, würde ich dich nochmal töten!“
„Weißt du“, unterbrach sie Jenny und betrachtete dabei nachdenklich Ricardos Überreste, „vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Du solltest dafür sorgen, dass dein Weibchen Ricardo sieht. Kann sein, dass sie ihn hinterher gar nicht mehr so doll vermisst.“
„Meinst du?“ Penny beruhigte sich ein wenig und blickte Jenny zweifelnd an.
„Kann schon sein“, stimmte Lenny zu. „Aber du solltest dich beeilen. Die da oben“, und er sah hoch zu den Bussarden, „finden Ricardo immer noch ganz appetitlich.“
„Lauf“, sagte Jenny, „wir beiden passen auf, dass die hier nichts, äh, kaputtmachen.“
„Okay!“ sagte Penny und sah die beiden anderen dankbar an. Dann rannte sie davon.
„Hoffentlich beeilt sie sich“, stöhnte Lenny. „Ich bin todmüde!“
„Halt durch“, meinte Jenny ermutigend, „kann sein, dass du heute noch auf deine Kosten kommst. Aber wo wir gerade ein bisschen Zeit für uns haben: Seit wann bist du eigentlich so religiös?“

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