The Düsseldorf Düsterboys
Keine Angst vor Kitsch
Peter Rubel und Pedro Crescenti alias The Düsseldorf Düsterboys kennen sich seit der Schulzeit. „Wir haben uns beim Musikmachen kennengelernt – es ist ziemlich romantisch“, sagt Rubel. Zwischen den beiden entsteht seitdem so etwas wie kreative Magie. Sie schreiben ihre Texte „meistens zu zweit“ und befassen sich auch in ihrer Kunst immer wieder mit dem gemeinsamen Spiel. Ihr erstes Album 2019 hieß Nenn mich Musik, ihr zweites drei Jahre später Duo Duo.
Text: Laura Helene May
(Öffnet in neuem Fenster)„Ohne den anderen würde das Gegengewicht fehlen“, bestätigt Rubel. Denn die Düsterboys sind „zwei Köpfe und vier Hände“. Es ist, als würde er sich auch nach all den Jahren konstant über die Begegnung und die gemeinsamen Melodien freuen. „Und was es gibt? Na ja, ich mach so gern Musik“, fasst die Textzeile von „Ab und zu“ die Begeisterung zusammen. „Wenn wir Musik machen, machen wir das, was uns gefällt“, sagt Rubel. „Vielleicht sind wir einfach romantische Typen.“
Die Texte des Duos, dessen ungewöhnlicher Name Peter Rubel im Traum erschien, sind poetisch, erzeugen Bilder, sind sentimental. Und sie sind auf Deutsch. Sie balancieren auf dem feinen Seil zwischen schönem Schnulz und rotzigem Existenzialismus. „Nimm meine Liebe“, singt Crescenti etwa im Song „Füße“, nur um gleich im Anschluss zu fordern: „Und gib sie mir wieder.“ Sein Germanistikstudium scheint in solider Reimtradition durch – die Kreativität beim Schreiben kommt aber von beiden Bandmitgliedern.
Was entsteht, sind Ideen im Kopf der Zuhörenden, die selbst entscheiden können, ob sie witzig oder existenzialistisch sind. Beispiel aus dem Song „Korn auf Korn“: „Guten Tag, Loreley, bist du auch wie ich aus Blei? / Ist der Horizont gerade? / Ja, das ist er, ach wie schade. / Ich wollt’ er wär’ gewellt / Oder vertikal.“ Es ist, als hätte das Essener Duo in seinen Texten ein Rezept gefunden, die deutsche Angst vor Kitsch zu besiegen, ohne dabei unpolitisch in Schlager abzurutschen. Um das zu verhindern, würden sie bei aller Romantik auch immer andere Würze in ihre Musik mischen, sagt Rubel. Es sei ein schmaler Grat zwischen Romantik und Kitsch. „Auf Deutsch rutscht man schnell ab. Da muss man auf die Dosis achten.“
Die Düsseldorf Düsterboys bauen sich auch musikalisch ihre eigene Welt. Welcher Stil? Welche Einflüsse? Abgrenzungen? Es ist, was es ist. Peter Rubel will nicht zu viel theoretisieren und sich das „Mysterium bewahren“. Studiert hat er Instrumental- und elektronische Komposition, viele Gedanken darüber, dass er auch über seine Musik sprechen müsse, habe er sich nicht gemacht. Jetzt erhielten sie 2023 – bereits zum zweiten Mal – den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik, spielen internationale Tourneen, mehr als 30.000 Menschen hören sie monatlich auf Spotify – und die Öffentlichkeit will die Mysterien um das Duo enthüllen. Wikipedia sagt, sie seien eine „Folk-Band“ – ein breiter Begriff. Wenn es bei Folkmusik darum gehe, etwas zu konservieren, sei das etwas Schönes, sagt Rubel. Und die Düsterboys konservieren diverse Einflüsse in ihrer Musik. „Vor allem auf dem letzten Album gibt es folkige Momente.“ Als Inspiration nennt er die Beatles oder Velvet Underground – und die hört man in den Liedern genauso wie Einflüsse aus Lateinamerika und dem Barockzeitalter an Schlagzeug, Klavier und Orgel als Begleitinstrumente.
Und das konservative Image von Folkmusik? Folk werde laut Rubel immer wieder instrumentalisiert, um Identität zu konstruieren und abzugrenzen, doch das Erhalten musikalischer Traditionen sei etwas Gutes. Wenn man allgemein von Folklore spreche, auf der komplexen Ebene von regionaler kultureller Identität, sei es „spannend, wie das gelebt und gelesen wird“. Er kenne die deutsche Folkszene kaum. Umso mehr Lust hat er, sich auf dem Rudolstadt-Festival vor und nach ihrem Auftritt am Sonntag im Rahmen des diesjährigen Deutschland-Schwerpunktes genau umzusehen. „Ich freue mich, dass wir auf einem Folkfestival spielen.“ Es sei das erste Mal, er habe schon viel über Rudolstadt gehört.
Nicht nur zwischen Genres sprengen die Düsterboys gerne Grenzen, sondern auch zwischen Text und Melodie. „Der Gesang ist ein Instrument, die Wörter sind Klang“, sagt Rubel. Die Lieder werden zu einer Skulptur aus Wörtern, Melodien, Rhythmen, Geräuschen und Lautsprache. Text und Musik sind auf Augenhöhe und beflügeln sich. Im Song „Stars/Sternchen“ ist das besonders direkt zu beobachten, dort schlängeln sich die gesungenen Worte „Take me higher, take me higher“ mit einer lieblichen Melodie die Tonleiter nach oben. Die Düsterboys sind mehr Beatles als Bob Dylan. „Es macht uns ein bisschen aus, dass Text und Musik eng miteinander verwoben sind.“
(Öffnet in neuem Fenster)Doch die Düsterboys sind nicht genug. Gemeinsam mit Künstler Joel Roters am Schlagzeug haben Peter Rubel und Pedro Crescenti mit International Music ein zweites Musikprojekt. Die Düsseldorf Düsterboys zeigen eine introvertierte, ruhige, folkige Version der beiden Musiker, während bei International Music die extrovertierte, rockige und basslastige Seite zum Ausdruck kommt – zwei Seiten einer Medaille. Es sei schön, zwischen den beiden Projekten zu switchen, sagt Rubel. „Für uns ist es meistens einfach, Ideen zuzuordnen.“ Und weil fixe Grenzen nicht zu ihren Lieblingskonzepten gehören, sind auch die Grenzen zwischen den Projekten fluide. Es gibt Wechselwirkungen und Selbstreferenzen, den Song „Kneipe“ sogar in Versionen beider Bands.
„Irgendwie drehen wir uns gern selbst im Kreis.“
Aktuell sind sie gerade dabei, ihr neues International-Music-Album fertig zu machen, das am 6. September erscheinen soll. Die Düsterboys läuten dafür diesen Sommer mit Auftritten wie in Rudolstadt eine ruhigere Phase ein und machen Platz für ihren lauten und rockigen Konterpart. „Eine intensive Düsseldorf-Düsterboys-Phase läuft aus, eine International-Music-Phase startet.“
duesseldorfduesterboys.de (Öffnet in neuem Fenster)
Aktuelles Album:
The Düsseldorf Düsterboys
Duo Duo (Staatsakt, 2022)