Improvisierte Trialoge
Mit dezenten Klanglandschaften, energischem Schlagabtausch, verdichteten improvisierten Trialogen und gelegentlichen expressiven Ausbrüchen gestalteten europäische Künstlerinnen und Künstler am 3. Mai den zweiten Konzertabend des Music & More Impro Festivals in München.
Text: Christina M. Bauer, Fotos: Stefan Hämmerle
Unkonventionelle Mittel und rare Besetzungen, damit startet am 3. Mai der zweite Konzertabend des Music & More Impro Festivals im Münchner Kulturzentrum Einstein. Beides ist gerade in der Szene improvisierender Musikerinnen und Musiker wesentlich verbreiteter als anderswo und wird bei diesem insgesamt dreitägigen Festival in verschiedenen Trios (und einem Duo) zelebriert. Die meisten der eingeladenen europäischen Künstlerinnen und Künstler haben vorher noch nicht zusammen musiziert. Den Anfang des Konzertabends macht denn auch gleich eine Begegnung der Münchner Vibrafonistin und Multiinstrumentalistin Marja Burchard, der spanischen Schlagzeugerin Lucìa Martínez und des slowenischen Schlagzeugers Zlatko Kaučič. Dass im Lauf des Auftritts von allen dreien variierende Schlegel und Stöcke, davon abgesehen Klangröhren (Martínez), Kronkorkenketten, Perlen und Alufolie (Burchard), Cymbals in der Funktion von Trommelschlegeln (Kaučič) und vieles mehr Verwendung finden, untermalt die beständige Suche nach erweiterten musikalischen Mitteln. Festlegungen gibt es nicht, alle drei spielen sich unmittelbar ihre spontanen Ideen zu und es gilt für jede und jeden von ihnen zu hören, wohin es als nächstes gehen soll. Die drei finden sofort in einen angeregten Ideenfluss, der sich im Lauf ihres Auftritts vielgestaltig verändert. Dem raschen Ineinandergreifen von Geräuschen, Tönen und Klangfarben in einem launigen Trialog stehen zurückhaltende, fast meditative Passagen gegenüber. Findet Burchard vereinzelt zu melodischen Linien am Vibrafon, liefern sich Martínez und Kaučič wiederum einen Dialog zwischen energischem Schlagabtausch an den Drumsets und dezenter Unterhaltung, bei der die Percussion mit Fingern und Händen geklopft wird. Ab und an ergänzen die drei flötenähnliche Instrumente und sangliche Vokalisierungen, die den Auftritt um eine Passage mit der Anmutung einer rituellen schamanischen Zeremonie erweitern.
Eine sich fortwährend manchmal nur um winzige Nuancen verändernde Landschaft aus Klangschichten und Soundflächen formen im zweiten Set des Abends die polnische Künstlerin Marta Warelis am Konzertflügel, die slowenische Violinistin Ana Kravanja und der spanische Saxofonist Don Malfon. Warelis agiert meist im Innenleben des Flügels mit wechselnden Mitteln unmittelbar an den Klaviersaiten, um dem schließlich einige rasant an den Tasten improvisierte, wild durcheinander wirbelnde Linien entgegenzusetzen. Im kreativen Austausch mit ihr spielt Kravanja mit Bogen und zwischen die Saiten geklemmten Stäben oft ganz dezent variierte Sounds und Töne an der Violine, deutet demgegenüber aber gelegentlich nahezu folkloristische, melodische Motive an. Malfon lässt klangverändernde Objekte in den Trichter des Saxofons wandern, setzt Dosen als variierende, erweiternde Resonanzräume ein, verwendet oft wenige Einzeltöne und Überblastechniken und spielt mal den Saxofonkorpus ähnlich einer Flöte, mal das Mundstück als schnarrendes Musikinstrument. Über weite Strecken konzentrieren sich die drei auf das Formen, Schichten und Integrieren sich minimal ändernder Sounds und Töne und kontrastieren das gelegentlich mit eruptiven Ausbrüchen.
Im letzten Set des Abends treffen schließlich die dänische Posaunistin Maria Bertel sowie Kontrabassist Àlex Reviriego und Schlagzeuger Joni Sigil aus Spanien aufeinander. Bertel nutzt Effektpedale, um den Klang der Posaune zu verändern. Gleich zu Anfang setzt sie einen voluminösen, markant verzerrten Sound ein, der das Set für einen Moment in die Nähe eines Metalkonzertes rückt, um alsbald wieder andere Wege einzuschlagen. Dem setzt Reviriego sofort umso höhere, violinartige Töne am Kontrabass entgegen. Im Lauf des Sets kommen bei ihm zwischen die Saiten geklemmte Stäbe genauso zum Einsatz wie das Spielen einer sehr locker gespannten tiefen, stark schwingenden Saite mit dem Bogen und verschiedene Percussiontechniken am Bass. Schlagzeuger Sigil ergänzt komplexe rhythmische Akzente, entlockt anderswo wiederum umgedrehten Schlagzeugbecken klangschalenartige Sounds und nutzt selbst eine Jacke mit quietschendem Synthetikstoff als Geräuschquelle. Die drei variieren zwischen wabernden Drone Sounds, lose interagierendem Wechselspiel, musikalischer Verdichtung und vereinzelten expressiven Ausbrüchen. Alle Musikerinnen und Musiker sowie etwa einhundert Zuhörerinnen und Zuhörer zelebrieren an diesem Abend die Möglichkeiten frei improvisierter Musik in einmaligen künstlerischen Begegnungen. Die letzten Konzerte des diesjährigen Festivals finden am 4. Mai nachmittags statt.

Foto 1: Das erste Set spielten Zlatko Kaučič, Marja Burchard und Lucìa Martínez (v.l.)

Foto 2: Lucìa Martínez ergänzt Unkonventionelles

Foto 3: Im zweiten Set waren zu hören: Marta Warelis, Ana Kravanja und Don Malfon (v.l.)

Foto 4: Ana Kravanja an der Violine

Foto 5: Im dritten Set begegneten sich Maria Bertel, Àlex Reviriego und Joni Sigil (v.l.)