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Der Stammtisch der digitalen Dorfschlauen

Wo Eigenrecherche auf Telegram, TikTok und YouTube plötzlich zum Doktortitel reicht. Oder wie man in 30 Sekunden seine Hoffnung auf Menschlichkeit verliert.

Willkommen im digitalen Irrenhaus

Es gibt Orte im Internet, die sollte man meiden. Nicht wegen expliziter Inhalte, sondern weil dort der gesunde Menschenverstand kollektiv in Flammen aufgeht. Und ja, ich rede von den Kommentarspalten in den sozialen Medien. Diese herrlich verkommenen Gruben der Ignoranz, in denen selbst die einfachsten Fragen zu philosophischen Schlachten der Idiotie eskalieren. Aber was erwartet man, wenn plötzlich jeder Internetanschluss mit einem kostenlosen Doktortitel in "Ich weiß alles besser" ausgeliefert wird?

Kommentarspalten: Die neue Universität für „Eigenrecherche“

Es ist eine schöne Vorstellung: Menschen diskutieren zivilisiert, tauschen Fakten aus und lernen voneinander. Diese Utopie existiert vielleicht noch in deinen Träumen, aber in der Realität der Kommentarspalten passiert Folgendes: Irgendwer stellt eine fundierte Aussage auf – und dann kommt er. Der Hobby-Wissenschaftler, der seine Expertise aus einem 30-minütigen YouTube-Video bezogen hat, das er nach der dritten Bierflasche angesehen hat. Er braucht keine Studien, keine Experten. Nein, seine „Eigenrecherche“ – also das Überfliegen eines Wikipedia-Artikels – reicht völlig aus, um Jahrzehnte wissenschaftlicher Arbeit als „Bullshit“ zu entlarven.

Man fragt sich manchmal, wie all die Nobelpreisträger es je so weit gebracht haben, ohne die segensreiche Hilfe derer, die fünf Minuten bei Google waren.

Diskutieren? Bitte, wir sind hier doch nicht im Kindergarten!

Es wäre ja fast noch charmant, wenn sich diese selbsternannten Experten einfach nur auf ihre Pseudo-Fakten beschränken würden. Aber warum friedlich diskutieren, wenn man direkt in den Beleidigungsmodus schalten kann? Willkommen in der Arena, in der Argumente wie „Du hast den Artikel wohl nicht richtig gelesen“ sofort als „Nazi“ oder „linkes Schlafschaf“ betitelt werden. Es spielt keine Rolle, was du sagst – wenn du nicht exakt das wiedergibst, was der andere hören will, wirst du mit verbalen Tritten zum Schweigen gebracht.

Fakten zählen nicht. Was zählt, ist, wer die härtere Beleidigung raushaut. Am besten in CAPS LOCK, denn das bringt die virtuelle Faust direkt ins Gesicht. Wäre doch gelacht, wenn wir nicht auch die letzte Spur von zivilisiertem Diskurs ausradieren könnten!

Meinungen sind die neuen Fakten – Willkommen im Club!

Hast du einen Abschluss in Politikwissenschaft? Egal! Ist deine Meinung zu komplexen globalen Themen wissenschaftlich fundiert? Pah! Wenn du heutzutage nicht überzeugt bist, dass deine Meinung – ohne jegliche Grundlage – die einzige Wahrheit ist, dann hast du Social Media nicht verstanden. Es reicht, dass du denkst, die Erde sei eine Scheibe, weil du es fühlst.

Und dann gibt es noch die ganz besonders Versierten, die den ultimativen Joker spielen: „Glaub mir, ich habe das selbst recherchiert.“ Oh, dann entschuldige bitte, da muss ja alles stimmen! Das Mem, das du letzte Woche geteilt hast, hat mich wirklich überzeugt. Schließlich kommt es von einer anonymen Facebook-Seite, die vermutlich aus einem feuchten Keller irgendwo in der Pampa betrieben wird. Seriös.

Die Trolle – Könige der digitalen Unterwelt

Wenn du denkst, es kann nicht schlimmer werden, dann hast du die Trolle vergessen. Diese digitalen Kakerlaken, die Diskussionen wie eine Ratte am Müll durchwühlen, nur um am Ende irgendeinen Müll abzuladen, der alles noch schlimmer macht. Sie lesen nichts, sie verstehen nichts – aber sie posten viel. Ihr Lebensinhalt besteht darin, dir das Gefühl zu geben, dass du fünf IQ-Punkte verlierst, sobald du auf ihre Existenz aufmerksam wirst.

Trolle, liebe Leser, sind das Salz in der Wunde der Kommentarspalten. Sie treten immer dann auf, wenn du denkst, du könntest eine Diskussion mit Logik gewinnen. Aber sie kennen keine Logik, nur Zerstörung.

Fazit: Hoffnungslose Fälle im Dauerloop

Am Ende bleibt uns nur eins: die bittere Erkenntnis, dass Kommentarspalten kein Ort für rationale Diskussionen sind. Sie sind der digitale Sumpf, in dem Meinungen zu Fakten werden und Logik stirbt. Und dennoch, so masochistisch wir sind, kehren wir immer wieder zurück, in der naiven Hoffnung, irgendwo in diesem Wahnsinn eine Spur von Vernunft zu finden.

Aber seien wir ehrlich: Wir alle wissen, dass die Kommentarspalten das digitale Äquivalent zum Schreien ins Leere sind. Sie sind der Ort, an dem Argumente sterben und Beleidigungen zur Kunstform erhoben werden.

Aber keine Sorge, das nächste YouTube-Video eines selbsternannten „Experten“ ist bestimmt schon auf dem Weg.

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