Moin, ihr Lieben!! Wir sind aus der Sommerpause zurück ;))
Ganz schön turbulent, diese Starts nach den Sommerferien! Bei euch auch? Zwischen Rückbildung, Eingewöhnung in die Kita, Vorschule, dem wilden Familienalltag, der Fahrradsuche auf Flohmärkten und Herbst- und Sommermode versuchen wir uns neu zu sortieren. Gewaltig, herausfordernd und aufregend zugleich, oder? Pausenlos sind die Gedanken um Kinder, Kleider, Wünsche und Bedürfnisse. „Too many tabs are open“, sagte eine gute Freundin letztens und irgendwie ist alles schwer, bevor es leicht wird. Und eine andere Freundin fragte mich nach einer App, die die Termine und Gefühle, die eigenen und die der drei Kleinkinder koordiniert und verwaltet ;))
Auch wir mit meinem Mann merken gerade, wie angespannt und voll es sein kann: Kinderarztbesuche, Schulanmeldung, Verträge, neue Kurse, neue Zeiten, neue Hobbys, nicht zuletzt die zahlreichen Utensilien, die rechts und links gebraucht werden. Das „Elternhirn“ ist durchgehend gefragt und damit beschäftigt, Dinge und Informationen aufzunehmen, zu koordinieren, zu verarbeiten und umzusetzen. Und dennoch freue ich mich, dass die neue Ausgabe des Online-Magazins nun vorliegt, mit all den spannenden und tollen Themen - let's rock again!! 🚀🙌🏻✨
Und dann war da ja noch die Sache mit dem Herbst: Dieser war bereits Ende August deutlich zu spüren - es ließ sich morgens auf Mal einfach so schööön durchatmen. Und nach dem meteorologischen Herbstanfang, der am 01.09.2023 war, folgt am 23.09. der kalendarische. Von überallher lachen mich bereits die ersten Kürbisse, Sonnenblumen und Kränze an, haaaach!! Zwischen dem meteorologischen Herbstanfang und den letzten Sommertagen ☀️, zwischen roten Fußnägeln und dem Raureif auf dem Rasen, zwischen den letzten Wassermelonen und dem ersten Zwetschgenkuchen lasst uns schauen, was uns die vorliegende Ausgabe bringt 🫶🏻
Eure Julia 🌻🌻🌻
P.S.: Vielen Dank für dein 100%iges mir und meiner Arbeit entgegengebrachtes Vertrauen und deine Unterstützung – ich freue mich immer wieder über Neuzugänge, Lob, Kritik & Feedback!!
Und dies sind die relevanten Inhalte des „Facts & Shots – ohne Gedöns, aber mit gesellschaftsrelevantem, bildungspolitischem und geografischem Gehalt“ im September – Volume 4
1. Zahl des Monats (Weltweite Flucht, Lampedusa/Italien)
2. „Zitatverliebt”– Zitat des Monats
3. Niiice!!: Kiggs, Eskimo und Idefics zeigen, wie Kinder in Deutschland wirklich essen :)
4. Stadt, Land, Fluss – … (Quiz)
5. Altweibersommer und andere Herbst-Terminologien (Jahreszeiten, Sprache)
6. Die Welt im Spotlight
„Bregret“ – Großbritannien bereut den Ausstieg aus der EU (Europa, Europäische Union)
Hamburg – Behörden schlagen Alarm, Hamburgs Flüchtlingsunterkünfte reichen nicht (Europa, Flucht)
7. Juli‘s Corner: „Meine Erfahrung mit Mütterdiskriminierung“ - Lina und ihr Mann durchlebten einen Angsttraum, als es darum ging, Vereinbarkeit von Familie und Job zu schaffen (Arbeitswelt, Gleichberechtigung)
8. Community Corner: Couscous mit Baharat-Ofengemüse, dazu Hirtenkäse und Joghurtdip
9. Inspirationsquelle & „Sister des Monats“: Tijen Onaran
Let's go!!!!!!!!
1. Zahl des Monats: > 5.000
Mehr als 5.000 Menschen kamen am Dienstag, dem 12.09.2023, auf Lampedusa an. So viele wie noch nie zuvor an einem Tag. Der Stadtrat rief den Notstand für die italienische Insel aus.
2. „Zitatverliebt” – Zitat des Monats (Wolkenbilder, poetry and art)
„Schlag das Buch auf, letzte Seite, ab jetzt gilt: Happy End in Endlosschleife.“
3. Niiice!!: Kiggs, Eskimo und Idefics zeigen, wie Kinder in Deutschland wirklich essen :)
Wie Kinder in Deutschland wirklich essen, was sie wiegen, wie gesund sie sind, wusste bisher keiner genau. Doch seit 2004 gibt es mehrere Untersuchungen. Das Robert Koch Institut befragte 17 641 Kinder und Jugendliche von 0 bis 17 Jahren. Die repräsentative Studie bestätigte viele Vermutungen. Tatsächlich leiden viele Kinder unter Allergien und Übergewicht, essen zu wenig Obst und Gemüse oder Vollkornbrot, trinken zu viel süße Getränke und zu wenig Milch, naschen zu viele Süßigkeiten und Knabberzeug und essen zu viel Wurst – Tendenz steigend. Eine große Rolle spielen dabei die Eltern. Das bestätigte eine große europäische Studie: Je höher Bildung und Haushaltseinkommen der Eltern war, desto gesünder aßen die Kinder. Die Gemeinschaftsverpflegung in KiTa und Schule konnte das kaum ausgleichen. Das zeigt: Die Eltern sind wichtig.
4. Stadt, Land, Fluss – was ist die richtige Antwort? (Quiz)
Welches der genannten Skigebiete liegt in Deutschland?
Hohe Tatra
Riesengebirge
Winterberg
Grindelwald
Auflösung Vol. 3: Die tiefsten Stellen der Erde befinden sich im Pazifik. Der Marianengraben im westlichen Pazifischen Ozean ist mit einer maximalen Tiefe von rund 11.000 Metern die tiefste Stelle der Weltmeere.
5. Altweibersommer und andere Herbst-Terminologien (Herbst, Jahreszeiten)
6. Die Welt im Spotlight
„Bregret“ – Großbritannien bereut den Ausstieg aus der EU (Europa, Europäische Union)
Im verflixten siebten Jahr nach dem EU-Referendum kippt in Großbritannien die Brexit-Stimmung: Die Mehrheit der Bürger:innen, Unternehmer:innen und sogar manche Politiker:in bereuen den Austritt aus der EU. Bei dem Referendum am 23. Juni 2016 hatten die Briten mit 52 zu 48 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Vollzogen wurde dies am 31.01.2020. Wie jedoch aus einer aktuellen Umfrage hervorgeht, bereuen knapp 60 Prozent ihre Entscheidung. Zudem ist das Vertrauen in die Politik nach dem Brexit erheblich gesunken. Ein erneutes Referendum ist allerdings nicht in Sicht.
Von „Bregret“, einer Wortschöpfung aus „Brexit“ und „regret“ (Reue) kann trotz des Stimmungsumschwungs nicht ganz die Rede sein. Denn noch immer würden drei Viertel der damaligen Brexit-Wähler die gleiche Entscheidung wieder treffen, wie Curtice ausführt. Die Ansichten vieler Menschen zum Brexit seien tief verwurzelt. Gut ein Drittel der Befragten, nämlich 36 Prozent, so eine Umfrage im Auftrag des Tony-Blair-Instituts zufolge, die im Juni dieses Jahres veröffentlicht wurde, finden den Austritt nach wie vor richtig. Der vom ehemaligen Premierminister Tony Blair gegründete Thinthank betonte, vor allem junge Menschen, die mittlerweile das Wahlalter erreicht hätten, seien pro-europäischer eingestellt als ältere Wählergruppen.
Das Tony-Blair-Institute forderte die Regierung auf, sich freiwillig zu EU-Regeln für Produktstandards und Lebensmittelsicherheit zu verpflichten. Dies könne eine Grundlage für Verhandlungen mit der Staatengemeinschaft über eine engere Handelsbeziehung sein. Unter dem amtierenden Premierminister Rishi Sunak näherten sich London und Brüssel an. Zur Zeit der Ex-Regierungschefs Boris Johnson und Liz Truss war das Verhältnis stark gestört. Die schottische Regionalregierung betonte, der Brexit habe dem nördlichsten britischen Landesteil schwer geschadet.
Bisher gelang es London nicht, Abkommen zu schließen, die die Verluste im Handel mit der EU wettmachen. Auch das Versprechen, nach dem Brexit würden weniger Menschen nach Großbritannien einwandern und dadurch automatisch besser bezahlte Jobs für Briten entstehen, ging nicht auf. Die Migration nahm zu; allerdings dürfte eine öffentliche Debatte ausbleiben. Wie UK in a Changing Europe ermittelte, will eine Mehrheit – nämlich 54 Prozent – von dem Thema Brexit einfach nichts mehr hören.
Hamburg – Behörden schlagen Alarm, Hamburgs Flüchtlingsunterkünfte reichen nicht
Nachdem sich zuletzt in immer mehr Stadteilen Unmut von Anwohnern über geplante oder bereits vorhandene Flüchtlingsunterkünfte breitgemacht hat, schlägt nun die Sozialbehörde Alarm: Die Lage sei sehr angespannt; die öffentlich-rechtliche Unterbringung des Regelsystems und der zusätzlich geschaffenen Standorte ist nahezu zu 100 Prozent ausgelastet.
Tatsächlich sind 96,1 Prozent der Betten in allen bereits erschlossenen Unterkünften belegt, sodass die Behörde nun unter Hochdruck auf der Suche nach neuen Flächen ist. 2022 waren bereits die Unterbringungen fast vollständig ausgelastet, man schuf 2023 neue. Aber auch diese reichen mittlerweile nicht aus, um die aktuellen und auch für 2024 absehbaren Unterbringungsbedarfe decken zu können.
Einer der Hauptgründe für die angespannte Lage ist der andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Seit Beginn des Krieges am 24.02.2022 sind mit Stand 31.03.2023 45.592 Schutzsuchende aus der Ukraine in Hamburg registriert worden. Davon konnten 5.423 Menschen auf andere Länder verteilt werden, sodass immer noch 40.158 Personen in Hamburg verblieben sind. Und ein Ende des Krieges zeichnet sich nicht ab.
Das Problem: Nachdem die Solidarität mit den Geflüchteten lange Zeit in Hamburg groß war, scheint nun die Kritik über die Planung weiterer Unterkünfte zuzunehmen. Beispielsweise in Duvenstedt, wo eine Unterkunft für 320 Personen auf der sogenannten Festwiese entstehen soll. Nun hat sich ein Verein gegründet, der genau das verhindern will. Derzeit werden an rund 240 Standorten rund 45.600 Personen öffentlich-rechtlich untergebracht – Tendenz: stark steigend. Bis Ende 2023 werden nach derzeitigem Planungsstand zehn weitere Standorte mit insgesamt rund 2250 Plätzen realisiert.
Vonseiten der Sozialbehörde wird deswegen nun an Berlin appelliert: Der Bund solle steuern, um für Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland zu sorgen. Und insgesamt solle der Bund mehr Gelder für die Unterbringung und Integration bereitstellen, um die Länder finanziell zu entlasten.
Wer die große Flüchtlingsdebatte in Deutschland und Hamburg verstehen will, der sollte in diesen Tagen ins kleine Duvenstedt fahren. Hier gibt es den beliebten Kinderladen Simsalabim, Caros Konditorei und Café und jeden Sonnabend Markt. Und auf diesem wird seit Wochen nichts anderes diskutiert als die geplante Flüchtlingsunterkunft mit 320 Bewohnern. Der Unmut von Anwohnern wächst über die neu geplanten Flüchtlingsunterkünfte. Die Atmosphäre sei bei diesen Veranstaltungen zwar naturgemäß kritisch, insbesondere wenn es um Themen wie die Auswahl der konkreten Flächen, die Belastung des Sozialraums, die Anbindung an den ÖPNV oder auch die Geschossigkeit von Einrichtungen geht, aber bisher immer konstruktiv.
Das Hauptziel der Duvenstedter sei es, die Festwiese zu erhalten und damit das dörfliche Ortsbild zu sichern. Vonseiten der Behörden heißt es hierzu: „Die Vorschläge der Nachbarschaft werden von der Behördenleitung geprüft und deren Ergebnisse verfolgt“. Ob es tatsächlich ein Einlenken der Behörden gibt, ist jedoch fraglich.
7. Juli’s Corner: „Meine Erfahrung mit Mütterdiskriminierung“ - Lina und ihr Mann durchlebten einen Angsttraum, als es darum ging, Vereinbarkeit von Familie und Job zu schaffen
„Jetzt haben Sie es den weißen Männern da oben gezeigt!“, sagte Linas Psychotherapeutin. Ihr selbst war in diesem Moment nicht wohl, es durchfuhr sie innerlich. Schließlich lag ein monatelanger „Machtkampf“ hinter ihr. Dabei wollte sie es menschlich geregelt sehen. Als zweifache Mutter sollte sie entlassen werden, weil sie und ihr Mann aus privaten Gründen von Braunschweig nach Frankfurt a.M. zogen.
Lina ist Mitte dreißig, hat zwei Kinder, als sich jenes prägende Ereignis ereignete, mit dem dritten schwanger. Lina ist Redakteurin für Schulbücher, im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften. Angestellt, seit nun fast einer Dekade im zweitgrößten Schulbuchverlag, habe sich entsprechend über die Jahre in der Nische fortgebildet und spezialisiert. Sie liebt ihren Job, wäre er in den letzten Jahren nicht einfach nur super heavy geworden. Arbeitsplatzverdichtung, Neuerungen, all der Verwaltungsaufwand und dann noch Corona. Der Beruf hat sich ziemlich gewandelt, seit ihrem Volontariat. Vieles soll ad hoc passieren , es muss was geleistet werden, in die neuen Prozesse wird man kaum eingeführt. Dabei ließe sich vieles so viel einfacher gestalten: Erst neulich staunte ich über die Möglichkeit eines Bekannten, zu 100% aus dem Homeoffice zu arbeiten. Für Linas Firma undenkbar, wie ihr ganz persönlicher Fall im Folgenden zeigt.
Heute vor einem Jahr muss es gewesen sein. Linas Mann und sie haben während der Corona-Pandemie gesehen, wie Arbeiten aus dem Homeoffice funktioniert, mit allen Privilegien um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch der Kehrseite . Da jedoch der Punkt um die Vereinbarkeit überwiegt und weil sie sich entschieden, ein weiteres Mal Eltern zu werden, zog es sie von Braunschweig nach Frankfurt a.M., zurück in ihre alte Heimat, dorthin wo die Eltern beider herkamen. Linas Mann fand unterdessen einen neuen Job, seine Anstellung in Hannover wollte er kündigen, da seine alte Firma vor gut zwei Jahren den Standort in Hannover kippte, sodass 500 Angestellte von einem Tag auf den anderen auf der Straße standen und eine Handvoll an Angestellten das Tagesgeschäft abwickelten.
Mit der Hoffnung auf einen „Neuanfang“ vertraute sie sich ihrem Chef an und bereute, was danach folgte: In einem Vieraugengespräch eröffnete sie die familiären Pläne. Prompt bekam sie als Antwort, dass Anwesenheitspflicht im Unternehmen herrsche und die Regelungen um Corona aufgehoben seien. Für Lina hieß dies automatisch, dass sie den Spagat, an drei Tagen in Braunschweig sein zu müssen, managen musste. Mit zwei kleinen Kindern und der furchtbaren Ausgangslage und die Kinderbetreuung nicht machbar , dachte sie. Hart genug war es in den letzten Jahren. Vor der Vereinbarkeit von Familie und Job in Deutschland muss nach wie vor der Hut gezogen werden. Trotz Gleichberechtigung übernahm Lina den größeren Part an der Hausarbeit, schon immer. Während sie die Arbeitsflächen nach dem Mahlzeiten wischte, haute ihr Mann in die Tastatur. So ganz glücklich machte sie dieser Umstand nicht. Und deshalb entschied sie, die Großeltern ins Boot zu holen.
Nun aber die Ankündigung ihres Chefs, an drei von fünf Tagen in der Firma sein zu müssen, schreckte sie ab, wohlgemerkt, dass so viel Geld und Zeit auf die Fahrerei draufgehen würde. Auch das habe sie ihm menschlich nahebringen wollen, um zu bleiben. Denn eigentlich mochte sie ihren Job sehr gerne. Und so hegte sie die leise Hoffnung, es finde sich eine bessere Lösung. Aber dies bleibt eben nur eine leise Hoffnung, denn das, was sich danach abspielte, raubte ihr nachts den Schlaf und den Glauben an das Menschliche im Job und unter Kolleg:innen.
Der Druck Linas Vorgesetzten äußerte sich dann per E-Mail in offener Gestalt. Immer mal wieder. Offensichtlich hatte man sich vorgenommen, die Leute wieder zurück ins Unternehmen zu bekommen, mit aller Kraft. Es hagelte Begründungen, die sich nicht nachvollziehen ließen, eben weil die Pandemie „neue Wege“ beschritt. Kollaborstives Arbeiten sei nicht möglich. Austausch und Kommunikation litten. Prozesse mussten aus dem Büro heraus und auf kurzem Wege beschritten werden. Alles Gründe, die keine waren. Die Mittagszeiten verbrachte Lina schon lange zumeist am Platz, da ihr das Kantinenessen nicht schmeckte und die Runde mit den Kolleg:innen durch den Park schon lange vor Corona nicht stattfand.
Lina war nur noch enttäuscht und wütend. An irgendeinem Vormittag platzte ihr dann der Kragen und sie bot ihre Kündigung per E-Mail an, zum 31.03.2023, sachlich, nüchtern und formell. Sie betonte, wie viele Urlaubstage sie habe und die Anzahl ihrer Überstunden, die sie dann ab Anfang Februar nehmen müsste. Prompt kam die Rückmeldung ihres Vorgesetzten, es gebe da ja vielleicht einen anderen Weg. Sie wurde zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, bei dem ihr vieles versprochen wurde, und eben auch ein Aufhebungsvertrag.
Nach dem Gespräch ist sie nur noch enttäuschter. Ihre Zuversicht, dass es gut für sie endet, sinkt, dass man ihr nach fast 10 Jahren im Unternehmen etwas Gescheites anbietet, auch. „Ich war bis ins Rückenmark beschämt, dass da nicht mehr drin und ich nur eine Nummer war!“, sagt sie heute. „Man sicherte mir zu, mich ‚aufzufangen’.“ Die Sperrfristen beim Arbeitsamt sollten entfallen, eine Freistellung nach Projektende sollte sie bekommen und ein gutes Abschlusszeugnis. Alles Dinge mit Aussicht. Doch was ihr dann als Entwurf vorgelegt wird, erscheint ihr unwürdig.
„Ich habe den Entwurf per E-Mail erhalten, gleich nach zwei Tagen. Es überraschte mich, wie schnell alles ging. Da ich zu jener Zeit eine Tagungsnachbereitung und eine Projektabgabe auf dem Tisch liegen hatte, reagierte ich nicht sofort. Nach zwei Tagen fragte mein Chef, ob ich den Entwurf denn bekommen und bereits unterschrieben hätte. Ich bejahte den Erhalt, verwies jedoch darauf , dass ich mir die Zeit am Wochenende einräumen würde, um die Vereinbarkeiten in Ruhe am Wochenende zu prüfen. Daraufhin kam dann prompt die Anweisung, den Vertrag an die Personalabteilung direkt zurückzuschicken, da er sich ab Montag für vier Wochen im Urlaub befinden würde. Auch das zeigte mir, an einer konstruktiven Lösung sei man nicht interessiert“, erzählt sie. Also gibt sie ihr Ok und beginnt zu recherchieren.
Es lässt ihr einfach keine Ruhe. Die Punkte sind anders als besprochen im Vertrag aufgeführt: statt der drei Monate Freistellung wird ihr nur ein Monat gewährt. Die Urlaubstage sowie die Überstunden seien mit dem Monat der Freistellung abgegolten, was an Unverschämtheit grenzt, sagt sie rückblickend betrachtet. Und die Note für das Abschlusszeugnis sei auch nicht transparent genug. Darüber hinaus fragt sich Lina, ob ihr eine Art Abfindung zustünde. „Menschlich klären sieht anders aus“, sagt sie heute. „Ich merkte , dass hier was faul war, trotzdessen es sich nett anhörte.“ Jetzt fing sie doch an, im Internet zu recherchieren. Die gab gewisse Passagen in die Suchmaschine ein, fing an ihre Bedeutung zu googeln, zu decodieren. „Was ich da zu lesen bekam, bereitete mir noch mehr Kopfzerbrechen: Der Betriebsrat werde durch einen Aufhebungsvertrag ausgehebelt.“ Lina ist unruhig, sucht Rat bei ihrem Ehemann. Dieser rät ihr, sich an die Rechtsschutzversicherung zu wenden.
„Ich hadere“, sagt Lina, „schließlich war ich im Umzugsstress und wollte eine konfliktfreie und konstruktive Lösung!“ Doch dann folgt sie dem Rat ihres Mannes und schaltet über die Rechtsschutzversicherung einen Anwalt ein. „Der Fall habe kaum Aussicht, werde mir am Telefon erklärt.“ Sie bekommt trotzdem einen Termin für ein Gespräch, die Kosten für die Beratung muss sie offensichtlich selbst tragen. Auch das bespricht sie mit ihrem Mann. Er willigt ein und bestärkt sie, das Geld zu „investieren“. Es folgt ein Gespräch mit einer Anwaltskanzlei aus Berlin. „Ich werde an eine Anwältin aus Baden-Württemberg vermittelt, die mich dann über Wochen berät und die Kommunikation mit der Personalabteilung aufnimmt.“ Die Kanzlei fordert die Rechte für Lina ein: Freistellung für drei Monate, Wahrung der Urlaubstage und ein Abschlusszeugnis mit einer guten Note. Die Rückmeldung lässt auch sich warten.
„Meine Schwangerschaft mit meinem dritten Kind verschweige ich, weil ich davon ausgegangen bin, dass sich alles menschlich klären lässt. Mein Vorgesetzter war weiterhin im Urlaub. Er verlängerte sogar, auf vier Wochen. Im Nachhinein betrachtet ist das wirklich alles reine Schikane gewesen.“
Lina arbeitet weiterhin am Projekt, während sie die Antwort der Gegenseite erwartet. „Diese fällt nicht zu meinen Gunsten aus“, erklärt sie. „Die Gegenseite hat die Daumenschrauben noch weiter angelegt und die Frist für die Projektabgabe verlängert, was an Dämlichkeit schlechthin grenzte“, sagt Lina. Schließlich gehe es in ihrem Beruf als Redakteurin um Deadlines, mit denen der Markt gesichert bzw. im besten Fall neu dazugekommen wird.
„Als ich mit der Anwältin Anfang Februar spreche und sie mir erklärt, ich hätte keine Chance, den Fall zu gewinnen - es sei denn, ich lege alle Karten offen, sprich, spiele die Karte mit der Schwangerschaft aus, tue ich genau das und löse bei dem Leiter der Personalabteilung einen Sturm der Entrüstung aus - alles sei ein durchtriebenes Spiel, werde mir vorgehalten. Die Anwältin und die Psychotherapeutin, die Lina zur Seite stehen, decken ihr den Rücken. „Das Vorgehen der Gegenseite sei Schikane und grenze an Mobbing“, erklärte sie mir. „Meine Kinder wurden krank, ich fiel einige Tage aus. Als ich dann wieder da war, folgte ein Telefonat mit meinem direkten Vorgesetzten. Warum ich denn eine Anwältin einschaltete, fragte er mich. Ich erklärte, dass ich mich arbeitsrechtlich absichern wollte. Daraufhin erklärte er mir, dass das viel Unruhe reingebracht hätte.“ Aber ist das nicht mein gutes Recht, fragt sich Lina heute, auch als Frau und Mutter mich ökonomisch abzusichern, auch ohne mich von meinem Mann abhängig zu machen ? Schließlich kosten auch Kinder Geld und alle Versicherungen, Wünsche und Annehmlichkeiten der Familie möchten eben auch bezahlt werden. „Selbst wenn ich etwas zu der Miete beisteuern kann“, sagt Lina, „ist es doch optimal!“
Menschliches (oder besser gesagt männliches) Versagen, unter Führungskräften, auf aller Ebene. „In dem Telefonat wurden mir Dinge vorgehalten, die ich für selbstverständlich halte, auch als Frau.“ Lina reagiert entspannt, schließlich hatte man vor, sie ohne jegliches Wenn und Aber vor die Tür zu setzen. „Wir einigen uns darauf, dass ich weiterhin von zu Hause aus arbeiten kann, mich aber wöchentlich und telefonisch melde“, erzählt sie.
Dann ist sie zum dritten Mal Mutter geworden. Ihr Mann, ihre Kinder und auch sie selbst haben mittlerweile in Frankfurt a.M. Fuß gefasst. Dank der Großeltern kann Lina den derzeitigen Personalnotstand in der Kinderbetreuung gelassener entgegen blicken. Sie versucht, ihre Elternzeit zu genießen, nicht daran zu denken, was passiert ist und wie leicht ersetzbar man ist. „Meine Psychotherapeutin schloss die letzte Sitzung mit den Worten: ‚Jetzt haben Sie es den weißen Männern da oben gezeigt!‘ Lina selbst kann nur schwer stolz auf das sein, was da gelaufen ist. Zu schwer ist die Enttäuschung darüber, dass man sie schnell loswerden wollte. „Das Menschliche bleibt offensichtlich immer auf der Strecke!“ Es erreichen sie auch weiterhin Nachrichten ihres Chefs, in denen es darum geht, dass sie Anwesenheitspflicht habe. Aber darum kümmert sie sich nicht. In ihrem Journal notierte sie kurz und stichwortartig die Ergebnisse des Telefonats mit Datum und Uhrzeit und legte es zu ihren Unterlagen. „Das hat Zeit bis nach meiner Elternzeit, jetzt sind andere Dinge wichtiger“.
So wie Lina geht es vielen Frauen in Deutschland. Familiengründung fällt auch immer mit der Entscheidung zusammen, wer zu Hause bleibt und auf die eigene Erwerbsarbeit verzichtet, um die Erziehung zu übernehmen. Zu wenige Männer trauen sich, auch mal über die Regelzeit von zwei Monaten Elternzeit zu nehmen. Zu hoch ist nach wie vor die gesellschaftliche Erwartung, die Männer hätten das Familienleben ökonomisch abzusichern. Mehr Mut und Offenheit, auch seitens der Arbeitgeber, täte Deutschland gut.
8. Community Corner: Couscous mit Baharat-Ofengemüse, dazu Hirtenkäse und Joghurtdip
für 2 Personen, Vorbereitungszeit: 30-40 Minuten
Zutaten:
80g Couscous
1 Zucchini 1 rote Paprika, 2 reife kleine Rispentomaten, 1 Bio-Möhre, 1 rote Zwiebel, 1 Bio-Zitrone
Hirtenkäse (150g)
Sahnejoghurt (70g)
1 Knoblauchzehe, Petersilie, Minze
außerdem: Gemüsebrühe, Gewürzmischung „Hello Baharat“, Meersalz
1. Heize den Backofen auf 220°C vor. Halbiere die Paprika und entkerne sie; schneide sie in 1cm dicke Streifen. Halbiere die Zucchini der Länge nach und schneide sie in Halbmonde. Schäle die Karotten und schneide sie schräg in dünne Scheiben.
2. Verteile das Gemüse auf einem mit Backpapier belegtem Backblech, beträufle dieses mit Öl, würze mit Meersalz und schwarzem Pfeffer und gare es 20-25 Minuten, bis es weich ist.
3. Zwiebel und Knoblauch fein hacken. In einem großen Topf 1 EL Öl bei mittlerer Hitze erwärmen; Zwiebel und Knoblauch darin anbraten. Mit 375ml Wasser und Gemüsebrühe ablöschen und salzen. Alles einmal aufkochen lassen. Couscous dazugeben, kurz aufkochen und vom Herd nehmen. 5-8 Minuten abgedeckt quellen lassen, bis der Couscous weich ist.
4. Währenddessen Tomaten in 1cm-Würfel schneiden und den Strunk dabei entfernen. Die Zitrone in 8 Spalten schneiden. Petersilien- und Minzblätter zusammen fein hacken.
5. Sahnejoghurt in einer kleinen Schüssel mit Salz und Pfeffer abschmecken. 1-2 Zitronenspalten in eine große Schüssel pressen und mit 1 EL Öl, Salu und Pfeffer verrühren. Tomaten zum Dressing geben.
6. Couscous mit einer Gabel ein wenig auflockern und zwei Drittel der gehackten Kräuter untermischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Couscous auf dem Teller verteilen und Ofengemüse darauf anrichten. Hirtenkäse darüber bröseln, mit Tomatenwürfeln und restlichen Kräutern toppen. Mit Joghurtdip und restlichen Zitronenspalten genießen.
9. Inspirationsquelle & „Sister des Monats“: Tijen Onaran
Tijen Onaran. Für mich eine “Inspiration Sister”. Sie ist Speakerin, Podcast-Host und Gründerin des Unternehmens: Global Digital Women. Dort vernetzt sie Frauen und unterstützt Unternehmen bei Diversitäts- und Inklusionsfragen.
Sie ist Networking und Personal Branding-Expertin. Zum Thema “Sichtbarkeit” hat sie 2020 den SPIEGEL-Bestseller geschrieben: “Nur wer sichtbar ist, findet auch statt”. Und ist aktuell als Jury-Mitglied in der Höhle der Löwen, um Start-Ups und vor allem Frauen zu stärken.
Das Manager Magazin wählte sie im Jahr 2020 zu den 100 einflussreichsten Frauen in der deutschen Wirtschaft. Auf LinkedIn gehört sie zu den Top-Influencer:innen.
1. Netzwerken. Networking. Ist langsam und immer mehr in aller Munde. Warum tun wir Deutschen und vor allem wir Frauen uns damit so schwer? Warum ist Netzwerken so wichtig?
In Deutschland hat Netzwerken häufig das Image von Vetternwirtschaft. Dabei ist Netzwerken das beste Investment, das es gibt! Es ist ein Investment, das mir die Möglichkeit gibt, zu lernen und zu wachsen. Viele investieren Zeit und Pflege in ihr Netzwerk erst dann, wenn sie es brauchen. Dabei lebt ein Netzwerk von Langfristigkeit, davon, dass ich mir Schritt für Schritt ein Netzwerk an unterschiedlichen Köpfen und Expertisen aufbaue. Ein Netzwerk hilft in so vielen Situationen: ob es darum geht den Job zu wechseln, einen Job zu bekommen oder von anderen zu lernen. Mein Credo: Der Job kann morgen weg sein, ein gutes Netzwerk bleibt!
2. Was ist ein gutes Netzwerk?
Ein gutes Netzwerk ist Ratgeber, Mentoring und Inspiration zugleich. Je diverser das Netzwerk, desto besser! Ich habe in meinem Netzwerk beispielsweise Menschen, die alle Talente haben, die ich nicht habe. Ob es darum geht, dass ich einen fachlichen Ratschlag brauche oder auch darum, wenn ich bei Entscheidungen nochmal einen Blick von außen brauche – ein gutes Netzwerk hilft genau da. Übrigens hilft ein Netzwerk auch gerade den Menschen, die von Haus aus keines haben. Ich weiß selbst wie hart es ist, sich alles selbst aufzubauen und spreche auch mit anderen Menschen in meinem Podcast „Aufsteiger*innen – der Podcast über den Mut, Erste*r zu sein“ (https://deezer.page.link/TTGJXBnz4MFxf76M8 (Öffnet in neuem Fenster) (Öffnet in neuem Fenster)) genau darüber!
3. Jede von uns trägt vielleicht ein eigenes Herzensthema mit sich rum. Leider sind wir Frauen oft noch so sozialisiert, dass wir nicht den Mund aufmachen - und uns zu selten das Recht herausnehmen, uns einzumischen. Wie schaffe ich es - gerade als Frau - endlich den ersten Schritt zu machen, eine aktive Rolle einzunehmen und sichtbar zu werden?
Egal, ob ich es will oder nicht: Die Fremdwahrnehmung – sprich was Menschen von mir und über mich denken – ist da. Es geht also nicht unbedingt darum: Werde ich sichtbar oder nicht, sondern erzähle ich meine Geschichte oder lasse ich sie erzählen? Sichtbarkeit bringt Unabhängigkeit! Ich kann die Fremdwahrnehmung also selbst gestalten – ist das nicht gut zu wissen? Was mir gerade zu Beginn geholfen hat, ist, dass ich Menschen in meinem Umfeld gebeten habe, mir zu spiegeln wie sie mich wahrnehmen und vor allem mit welchen Themen. Deshalb: Frag andere Menschen: Welche Charaktereigenschaften verbindest du mit mir, wofür stehe ich? Daraus lässt sich schnell ableiten, ob die Fremdwahrnehmung weit weg von der Eigenwahrnehmung ist oder nicht. Dann step by step beginnen die Sichtbarkeit in die Hand zu nehmen, überleg dir: Wer soll dich kennen, wer von dir wissen und was?
4. Ein Ratschlag, den jede Frau hören sollte:
If they don’t give you a seat at the table, build your own one!