Respekt
Der Comedian Luke Mockridge steht in der Kritik, weil er sich in Zusammenhang mit den Paralympischen Spielen in Paris behindertenfeindlich äußerte. Dieser Vorfall blieb zunächst unbemerkt, bis Kristina Vogel, zweifache Olympiasiegerin und seit einem Unfall im Rollstuhl, einen Ausschnitt des Podcasts auf Instagram teilte.
Das ließ mich an ein Gespräch (Öffnet in neuem Fenster) denken, das ich 2022 mit Raúl Krauthausen (Öffnet in neuem Fenster)führte. Ich unterhielt mich mit dem bekannten Aktivisten für Inklusion und Barrierefreiheit für ein Porträt, und eine Sache überraschte mich: Er sagte, medizinische Diagnosen sollten im Text keine Erwähnung finden. Gehört das nicht zu einem Porträt dazu? Und ist es mir nicht frei gestellt, davon zu berichten? Nein, sagte Raúl, und seine Antwort machte mich nachdenklich.
Respekt und Rücksichtnahme
Dabei ist der Wunsch nach Respekt und Rücksichtnahme eigentlich nicht kompliziert. Vor allem dann nicht, wenn ihn Menschen äußern, deren Stimmen oft übergangen werden.
Für viele Menschen in der weißen Mehrheitsgesellschaft, mich eingeschlossen, scheint diese Rücksichtnahme aber schwierig zu sein: „Man wird doch wohl noch sagen dürfen!“, hört man öfter. Dieses Phänomen nennt sich 'White Fragility' (Weiße Zerbrechlichkeit), ein Begriff, den die Soziologin Robin DiAngelo (Öffnet in neuem Fenster) prägte.
Ein Elefant, zahlreiche Wahrnehmungen
DiAngelo erklärt, dass unser Blick auf die Welt stark von unserer gesellschaftlichen Position geprägt ist und veranschaulicht das mit dem bekannten Gleichnis der drei Blinden und dem Elefanten: Jeder Blinde tastet einen anderen Teil des Elefanten – Stoßzahn, Bein oder Bauch – und erhält so ein ganz unterschiedliches Bild. Genauso erleben Menschen die Gesellschaft unterschiedlich, je nachdem, welche Lebensrealität sie haben.
Eine wohlhabende Person hat wahrscheinlich oft eine andere Sicht auf soziale Strukturen als jemand, der in Armut lebt. Ebenso unterscheiden sich die Erfahrungen von Menschen ohne körperliche Einschränkungen von denen, die mit einer Behinderung leben.
White Fragility
Mit dem Begriff White Fragility beschreibt DiAngelo, wie weiße Menschen häufig emotional und defensiv reagieren, wenn sie mit Themen wie Rassismus und Diskriminierung konfrontiert werden, insbesondere dann, wenn es um ihre eigenen Privilegien geht. Zu den Abwehrreaktionen gehören Wut, Vermeidung der Diskussion oder das Umdeuten der Situation, sodass sie selbst als Opfer erscheinen.
Dann geht es plötzlich nicht mehr um die Diskriminierungs- oder Rassismuserfahrungen der Betroffenen, sondern um die Gefühle der Unbeteiligten aus der weißen Mehrheitsgesellschaft. Die eigentliche Thematik gerät in den Hintergrund.
Und jene, die Ausgrenzung und Rassismus erfahren, werden zum Schweigen gebracht.
In einem weiteren Interview sprach ich mit der Berliner Psychotherapeutin Stephanie Cuff-Schöttle (Öffnet in neuem Fenster) über die Auswirkungen von Diskriminierung und Rassismus auf die Gesundheit. Sie berichtete, dass viele davon Betroffene unter chronischer innerer Anspannung, Angstzuständen sowie körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen oder Schmerzen leiden.
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Der Psychologe Robert T. Carter von der Columbia University (Öffnet in neuem Fenster)fasst zusammen, dass Rassismus ähnliche Effekte auf die psychische Gesundheit haben kann wie sexuelle Gewalt oder andere traumatische Erlebnisse. Amma Yeboah, (Öffnet in neuem Fenster) Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hebt hervor, dass wiederholte Konfrontationen mit Rassismus das Risiko für Depressionen, Angststörungen und Psychosen erhöhen.
Differenzierung kann helfen
Ein weiteres Thema, das in Zusammenhang mit der Mehrheitsgesellschaft häufig auf Widerstand stößt, ist gendergerechte Sprache. Viele Menschen empfinden sie als überflüssig oder störend und berufen sich auf ihre vermeintlich eingeschränkte Freiheit. Doch Studien zeigen, dass inklusive Sprache wie „Ärztinnen und Ärzte“ und „Pilotinnen und Piloten“ - vielleicht auch „Präsidentin und Präsident“ - Mädchen hilft, sich besser mit Berufen zu identifizieren.
So zeigt eine Studie des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften (Öffnet in neuem Fenster), dass diverse Sprache das Berufswahlverhalten von Mädchen positiv beeinflussen und langfristig dazu beitragen kann, Geschlechterstereotype zu durchbrechen.
Wie schön, mit so einfachen Mitteln etwas Gutes erreichen zu können.
Das ist es, was ich meiner Tochter, ihren Freundinnen und Freunden wünsche.
Was kann ich tun, wenn ich selbst oder jemand aus meinem Umfeld von Diskriminierung oder Rassismus betroffen bin?
Dokumentiere den Vorfall: Notiere dir alle wichtigen Details wie Datum, Ort und beteiligte Personen. Falls möglich, sichere Beweise wie Nachrichten, Fotos oder Zeugenberichte. Dies kann später hilfreich sein, wenn du den Vorfall meldest oder rechtliche Schritte erwägst.
Melde den Vorfall: In Schulen, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Institutionen gibt es Ansprechpersonen (wie Vorgesetzte, Personalabteilungen oder Vertrauenspersonen), an die du dich wenden kannst. Die Institutionen haben in aller Regel Richtlinien gegen Diskriminierung und sind verpflichtet, entsprechende Vorfälle zu bearbeiten. Es kann auch eine Anzeige bei der Polizei in Betracht gezogen werden.
Suche rechtlichen Beistand: Ein Anwalt oder eine Anwältin für Antidiskriminierungsrecht kann dir bei der Bewertung deiner Situation helfen und dir rechtliche Optionen aufzeigen. In Deutschland kannst du dich auch an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, die dir mit Beratung und weiteren Schritten zur Seite steht. Mehr Informationen findest du auf der Webseite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Öffnet in neuem Fenster).
Nutze Unterstützung und Selbsthilfe: Rassistische Diskriminierung hat oft negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Wende dich an Vertrauenspersonen, Freundinnen und Freunde, alternativ an Beratungsstellen, die sich mit den psychischen Folgen von Diskriminierung auskennen. In Deutschland gibt es Organisationen wie Pro Asyl (Öffnet in neuem Fenster)oder das Netzwerk Schule ohne Rassismus (Öffnet in neuem Fenster), die gezielte Hilfen und Netzwerke bieten.
Selbstfürsorge betreiben: Diskriminierung kann emotional und psychisch belastend sein. Es ist wichtig, dass du für dich sorgst und eventuell professionelle psychologische Unterstützung in Anspruch nimmst. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, das Erlebte zu verarbeiten.