Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren  Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!

Von unterwegs geschrieben, daher stellenweise weniger detailliert usw.

Die Recherchen

Breitscheidplatz-Anschlag: Verfassungsschutz lieferte Akten nicht

Anders als behauptet hat die Behörde dem Untersuchungsausschuss (UA) im Bundestag zum Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt 2016 zunächst nicht alle relevanten Unterlagen übermittelt. Laut WDR (Öffnet in neuem Fenster) geht es um rund zehn Aktenordner mit Informationen über Islamisten aus dem Umfeld des mutmaßlichen Attentäters Anis Amri, die inzwischen eingetroffen sein sollen. 

Der UA hatte die Beweisaufnahme nach drei Jahren eigentlich bereits beendet, Abgeordnete fordern jetzt aber eine weitere Sitzung. Wie der WDR bereits  2020 berichtete, gibt es zum Verfassungsschutz und zu Amri noch immer offene Fragen (Öffnet in neuem Fenster). Zum Beispiel die, ob dieser wirklich allein handelte und ob er den als "Waffe" benutzten Lastwagen überhaupt selbst steuerte. 

"Operation Abendsonne": Neue Stellen und Beförderungen für Bundesbeamt:innen

Die Bundesregierung hat seit Anfang 2021 71 neue Posten in hohen Besoldungsstufen für Beamt:innen geschaffen. Die meisten Stellen entstanden im Wirtschaftsministerium. 129 Beamt:innen wurden in höhere Positionen befördert. Beobachter:innen zufolge geht es darum, Vertraute vor der Wahl abzusichern – für den Fall, dass der/die Minister:in nicht mehr im Amt ist.

Über die neuen Stellen berichteten die Bild am Sonntag (Öffnet in neuem Fenster) (€) und Merkur.de (Öffnet in neuem Fenster). Nach der Bundestagswahl 2017 wollte das vom heutigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geleitete Kanzleramt entsprechende Maßnahmen unterbinden (Öffnet in neuem Fenster) ­­– nachdem FDP-Chef Christian Lindner vor dem Start der "Jamaika"-Koalitionsgespräche (CDU, FDP,  Grüne) es dazu aufgefordert hatte.

CDU/CSU, der Lobbyismus und die Korruption: Die Neuigkeiten

Die Tochter eines Ex-CSU-Politikers soll im Rahmen eines "Maskengeschäfts" (Öffnet in neuem Fenster) (€, s. Enthüllt #12) mehr als 30 Millionen Euro als Provision bekommen haben (Öffnet in neuem Fenster). Thomas Bareiß (CDU), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, steht weiter wegen seines Verhältnisses zu Aserbaidschan* in der Kritik (Öffnet in neuem Fenster) (€). Er soll in dem Zusammenhang unter anderem bestimmte Kontakte verschwiegen habe (Öffnet in neuem Fenster)n.

CORRECTIV und IRPIMedia (Öffnet in neuem Fenster) (Italien) haben wiederum recherchiert, "wie Wirtschaftslobbyisten die EU beeinflussen, um Wasserstoff als Energie der Zukunft zu verkaufen". In dem Text (Öffnet in neuem Fenster) geht es auch um die CDU, die besonders auf Wasserstoff setzt – und um Namen, die aktuell immer wieder fallen (Öffnet in neuem Fenster): neben dem von Bareiß z.B. auch der von Joachim Pfeiffer (Öffnet in neuem Fenster) (€). *Mehr zum Thema hier (Öffnet in neuem Fenster) (€).

CDU/CSU, der Lobbyismus und die Korruption: Der Überblick

Maskengeschäfte, Aserbaidschan-Affäre, Philipp Amthor und die US-Firma Augustus Intelligence: Mit diesen und anderen Skandalen hat sich die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" (Öffnet in neuem Fenster) in ihrer aktuellen Folge beschäftigt. Die mehr als ein Dutzend Beratertätigkeiten von Günther Oettinger, früher EU-Kommissar und Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spielen auch eine Rolle.

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Friedrich Merz, CDU-Direktkandidat für die Bundestagswahl, kommen ebenfalls vor. Die Sendung bezieht sich auf viele aktuelle journalistische Recherchen, die sie wie bei jeder Folge in einem "Faktencheck" (Öffnet in neuem Fenster) auflistet (Hinweis: Ich habe bei einem solchen mal mitgeholfen).

Österreich: Sebastian Kurz, die ÖVP und der Weg zur Autokratie

Ausnahmsweise ein Hinweis auf Missstände in einem anderen Land: Was dort passiert, hat das ZDF Magazin Royale (Öffnet in neuem Fenster) von Jan Böhmermann zusammengefasst. Regierungschef Sebastian Kurz (Österreichische Volkspartei, ÖVP) gilt für viele Konservative (auch in Medien) in Deutschland schon lange als Vorbild, etwa für eine Koalition aus CDU und Grünen nach der Bundestagswahl im September.

Der Mann, der mit 27 Außenminister und mit 31 Bundeskanzler wurde, hat aber viele problematische Seiten. Journalist:innen vor Ort sprechen mit Blick auf Ungarn von "Orbánisierung" sowie von einem Verhalten im "Trump-Modus". Kurz und sein Umfeld nutzen Lügen/Propaganda, stehen unter Korruptionsverdacht und greifen die Unabhängigkeit von Medien/der Justiz an.

Weitere Recherchen

WDR/Süddeutsche Zeitung: Unter falschen Kollegen (Öffnet in neuem Fenster)
-> Es ist unklar, ob der festgenommene im Fall der "NSU 2.0"-Drohschreiben festgenommene Verdächtige Unterstützung hatte: "Niemand weiß, ob ihm nicht doch Polizisten bewusst halfen."

WELT: Zeigten Ermittler zu viel Sympathie für Wirecard? (€) (Öffnet in neuem Fenster)
-> Als er noch Manager war, wurde Jan Marsalek von der Staatsanwaltschaft München über eine den Konzern betreffende Presseanfrage informiert.

Frontal 21 (ZDF): Streit ums Grundwasser - Lüneburger gegen Coca Cola (Öffnet in neuem Fenster)
-> Der Getränkekonzern zapft seit Jahren ein Wasservorkommen für die Marke "ViO" ab (und will die Menge erhöhen), was Klimaforscher:innen kritisieren.

WDR: Was die CO2-Steuer wirklich kostet (Öffnet in neuem Fenster)
-> FDP-Chef Christian Lindner hatte in einem Interview die angeblichen Mehrkosten für die Bevölkerung berechnet – mit falschen Grundannahmen.

Süddeutsche Zeitung: Scheuers Autobahnfirma kostet den Bund extra (€) (Öffnet in neuem Fenster)
-> Das Unternehmen, das sich um die Autobahnen kümmern soll, kostet noch mehr als zuletzt schon bekannt: Es geht um mehrere Hundert Millionen Euro.

Die Medientipps

In der vergangenen Woche gab es wieder eine Sitzung des Wirecard-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Das Buch "Geniale Betrüger. Wie Wirecard Politik und Finanzsystem bloßstellt" (Öffnet in neuem Fenster) des Handelsblatt-Journalisten Felix Holtermann beschäftigt sich mit den politischen Hintergründen des Betrugs. Eine Hypothese aus dem bei Enthüllt bereits vorgestellten Wirecard-Podcast von Süddeutscher Zeitung und Spotify erwähnte der Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi (Linke) (Öffnet in neuem Fenster): Die CIA habe Wirecard zur Abschöpfung von Finanzströmen genutzt und der BND decke dies womöglich.

Das Buch hat 320 Seiten und kostet 22 Euro.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe ihrer Publikationsreihe "Aus Politik und Zeitgeschichte" (APUZ) mit dem Thema Korruption (Öffnet in neuem Fenster). "Neben strafrechtlichen oder ökonomischen Folgen hat Korruption auch ernste Auswirkungen auf die wahrgenommene Legitimität eines politischen Systems und seiner Handelnden", heißt es dort. Es geht unter anderem um die Geschichte hinter dem Problem, seine Bekämpfung sowie um Grauzonen in dem Bereich. Das Heft kann man in gedruckter Version bestellen oder als PDF herunterladen (beides kostenlos). 

Die Auskunft

Einer der vielen Korruptions- und Lobbyismus-Skandale der Union (CDU/CSU) dreht sich wie oben schon erwähnt um den Politiker Philipp Amthor aus und das Unternehmen Augustus Intelligence. Er setzte sich beim Bundeswirtschaftsministerium für die inzwischen zahlungsunfähige Firma aus den USA ein. Wie Amthor dem Start-up dort einen Termin verschaffte, zeigen von der Transparenzplattform FragDenStaat veröffentlichte Unterlagen (Öffnet in neuem Fenster). 

Das noch

Das Bundeskanzleramt steht bereits seit längerer Zeit wegen eines geplanten teuren Ausbaus (rund 600 Millionen Euro) in der Kritik. Ein Berliner Schüler stellte dem Bundespresseamt Fragen dazu, der Tagesspiegel zitierte nun aus der Antwort. Diese sei "formvollendet und hervorragend für den Leistungskurs Politik geeignet (Kapitel 'Bürgernähe')", wie die Zeitung ironisch anmerkte (Öffnet in neuem Fenster).

Die Unterstützung

Ich investiere jede Woche viele Stunden, um die wichtigsten Infos für dich zusammenzustellen. Wenn du magst, kannst du mich finanziell bei Steady (Öffnet in neuem Fenster) (monatlich) oder Paypal (Öffnet in neuem Fenster) (einmalig) unterstützen. Das würde mir helfen. Danke!

Das war’s für heute. Wenn dir der Newsletter gefällt, erzähle gerne deinen Freund:innen davon. Alte Ausgaben kannst du hier nachlesen (Öffnet in neuem Fenster). Wenn du täglich interessante Links bekommen möchtest, folge mir auf Twitter (Öffnet in neuem Fenster). Wenn du Tipps oder Verbesserungsvorschläge hast, melde dich. Bis nächste Woche!

Ich freue mich über Rückmeldungen!