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Empowerment war einmal

Wir müssen uns etwas eingestehen: Die Zeiten des Empowerment auf Social Media sind vorbei. Da, wo Wut, Empörung und Ohnmacht am besten klickt, weil sich das Teilen von Postings geradezu als DIE Lösung gegen die eigene Ohnmacht am besten präsentiert, ist Instagram keine Plattform mehr, die uns wirklich noch erbauen kann. Wie schade ist das bitte?

Kritik schlägt Selbstwirksamkeit

Denn ursprünglich war Instagram für mich einmal genau das - der Ort, der mich ermutigte. An dem ich mich gesehen und verstanden fühlte, mich mit Gleichgesinnten zusammentun konnte und an dem ich lernte, mir nicht immer gleich die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Es waren gute Zeiten, als #youcandoit noch völlig unreflektiert neben Hashtags wie #girlboss oder #ersteMale stehen konnte.

Doch dann hielt die kritische Gesellschaftsanalyse Einzug in Insta-City. Zum Glück. Leider?

Der feministische Diskurs auf Instagram warf Schlaglichter auf den neoliberalen Quatsch, den wir uns gegenseitig erzählten und das ist gut so, immerhin ist "You can have it all" eine Lüge straight from capitalist hell. Natürlich können wir nicht alle alles schaffen und verdammt nochmal, dieses System ist wirklich ungerecht. Es ist gut, dass die Zeiten des Girlboss-Feminismus weitestgehend vorbei sind, zumindest in meiner Blase. Ich selbst weiß doch nur zu gut, wie schal der Nachgeschmack all des Hustles ist, wenn die eigene Armut dich von all den fancy Stränden und Konferenzen immer auf eine Armlänge Abstand entfernt hält.

Dass ich gerade auf Instagram so unverhohlen offen über meine Armuts- und Gewalterfahrungen sprechen kann und damit so viele von euch zu Reflexion und Nachsicht in eurem Leben inspirieren darf, ist eine so großartige Sache. Hyperprivilegierte Mittelstandsdudes und -dudettes können keine Finanztipps mehr geben, ohne stets an Alleinerziehende, Menschen of Colour oder behinderte Personen und deren Nachteile erinnert zu werden and I think it's beautiful. Wie viel Kraft und Veränderung daraus erwachsen könnte, dass wir diese gesellschaftlichen Voraussetzungen und Dynamiken endlich in der breiten Masse thematisieren könn(t)en!

Wir haben einander im Stich gelassen

Aber ey, Insta - wir haben einander im Stich gelassen. Denn du bist schon längst kein Ort, aus dem Kraft und Veränderung erwachsen. Du bist kein Ort des Empowerments. Aber auch wir haben uns, bei dem Versuch, die Welt gerechter zu machen, gegenseitig im Stich gelassen.

Denn wir sind so verdammt fokussiert aufs Problem, dass es am Ende doch wieder immer dieselben sind, die am Ende ihre Bücher schreiben. Weil alle anderen, die von Haus aus weniger Chancen haben, denen weniger zugetraut wird, immer noch nicht wissen, wie's geht.

Ohnmacht, Wut und Empörung klicken so gut, dass es nur noch darum geht. Kennst du schon dieses Problem? Aber ja, hast du denn schon DAVON gehört? Und was ist HIERMIT?

Wir überbieten einander darin, Finger tief in Wunden zu drücken, die bei denen, die das am lautesten tun, nicht einmal ihre eigenen sind.

Und was ist mit der Lösung?

Für mich ist Insta kein Ort des Empowerments mehr, weil es nicht vorwärts geht. Weil wir immer und immer wieder dieselben Kreise drehen, findet niemand von uns den Weg hinaus. Wir zeigen uns unsere Wunden, empören uns über das, was weh tut - aber niemand spricht darüber, wie es denn trotzdem gehen kann.

Stattdessen werden die, die Lösungsideen präsentieren, von der wütenden Meute niedergeschrieben. Check doch mal deine Privilegien und hast du eigentlich DARAN mal gedacht? Es ist, als ob wir uns lieber empören wollen als über Lösungen zu reden.

Fangen wir an, einander zu empowern

I mean, I get it. An etwas arbeiten ist immer anstrengend. An uns, an diesem System, an unserem Leben arbeiten ist manchmal so unfassbar schwer, dass es unüberwindbar scheint.

Aber ich bin müde. Müde von all dieser Empörung und der Wut, die mir immer nur vor Augen hält, was alles NICHT geht und wo es überall schiefläuft. Mich erschöpft der stete Ohnmachtszustand so sehr. Mir fehlt die Selbstwirksamkeit. Deshalb macht mich Instagram gerade so müde - und mir wenig Lust, dort weiter Content zu produzieren.

Wer immer nur aufs Problem zeigt, kommt über selbiges nicht hinaus. Probleme klicken allerdings einfach am besten. Aber gerade denen, die dem Problem nicht entkommen können, helfen wir nicht, wenn wir uns am Problem festbeißen.

Wir brauchen Lösungen, die für alle niedrigschwellig zugänglich sind. Denn das System stürzen werden wir nicht über Nacht - erst recht nicht, wenn wir uns auf Insta immer nur empören. Wir brauchen also in der Zwischenzeit Wege, die Menschen, die betroffen sind, aus ihrer Ohnmacht herauszuholen. Wir brauchen Wege, uns aus unserer Ohnmacht und Empörung zu holen.

Nicht immer nur das Haar in der Suppe zu suchen, nicht immer nur der Empörung Gehör und Reichweite zu verschaffen, sondern gerade auf Insta Lösungen und Ideen zu supporten, bekannt zu machen, könnte ein Anfang sein. Das würde die Welt und das Internet zu einem besseren Ort machen. Für uns alle.

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