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Not your social justice warrior (anymore)

Dieser Newsletter ist ein erster Schritt, mich unabhängiger zu machen von Dingen, die mir nicht gut tun. Instas vorgeblich intersektionale Feminist*innen Bubble zum Beispiel. Mit Louisa Dellert hat es eine von den ganz Großen diese Woche sehr deutlich gesagt: Für feministische Anliegen steht sie auf Social Media nicht mehr zur Verfügung.

Ich fühle das. Sehr. Das, was in dieser App als vermeintliches Raumeinnehmen marginalisierter Personen auf Instagram verhandelt wird, entpuppt sich immer mehr als tatsächliches Silencing von Frauen, die vor nicht einmal zwei Jahren noch überall die Türen geöffnet haben für Personen, die eben nicht weiß oder cis sind. Die Bewegung frisst ihre Kinder. Und damit bin ich da raus. 

Versteht mich nicht falsch - ich bin nicht weniger Feministin. Auch werde ich hier, im analogen Leben, nicht aufhören, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen, mich gegen Rassismus und Antisemitismus zu engagieren. Doch bündel ich meine Kräfte da, wo sie Platz finden - als Vorsitzende der AWO beispielsweise oder als beratendes Mitglied in der SPD-Stadtratsfraktion. Auf Social Media hingegen wird es zukünftig nur noch um Dinge gehen, die mich begeistern. Natürlich werd ich weiterhin Misssstände anprangern - ihr kennt mich. :D Aber ich werde halt nur noch Dinge thematisieren, von denen ich selbst sprechen kann. Ich gebe mich nicht mehr her, um für ALLE zu lobbyieren - denn dabei kann ich nur daneben treten.

Auch in Bezug auf meine Selbstständigkeit sind mir diese Woche durch ein berufliches Coaching ein paar Dinge klar geworden - unter anderem auch, was ich NICHT will. Aber dazu mehr nach den Linktipps des Monats. Have fun!

Die "verrückte Ex", performative Solidarität und eine Umarmung

Linktipp Nummer 1 kommt von Zeit Online. In dem Format "10 nach 8" schreibt Meike Stoverock darüber, warum Frauen reißaus nehmen sollten, wenn Männer von der "verrückten Ex" und ihrem "unnötigen Drama" sprechen. Sie bringt damit genau auf den Punkt, warum ich z.B. mit diesem "Sweet but psycho", das sich in Popsongs und Papeterie oft findet, nicht gut kann: Solche Aussagen sind schlicht frauenfeindlich und bringen Männer in die bequeme Situation, für sich und ihre Taten keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Im Gegenteil - sie stellen sich als den Supertypen da, der bei Freunden und Zukünftigen gut wegkommt. Wer zukünftig genauer wissen will, wie reif der eigene Freundeskreis ist, ist nach der Lektüre von "Das unnötige Drama um die verrückte Ex" (Öffnet in neuem Fenster) ein bisschen schlauer. 

Linktipp Nummer 2 schließt inhaltlich an, denn es geht um Antifeminismus in der Pandemie. Soziologin Rebekka Blum spricht mit der taz darüber, wie Querdenker*innen antifeministische Rhetorik nutzen - und damit in der breiten Bevölkerung Anschluss finden. Perfide: Mit der Aussage, Naturwissenschaften seien wichtiger als Gender Studies, versuchen rechte Akteure unter dem Vorwand des Pandemiemanagements ihre antifeministische Agenda durchzusetzen. In Zeiten, in denen Hochschulen um ihre Finanzierung kämpfen, brandgefährlich. Blum macht in dem Interview deutlich, was unter anderem in meinem Projekt "Sag es wie es ist! (Öffnet in neuem Fenster)", das ich mit der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Hannover (damals noch Stadt Nienburg) durchgeführt habe, zur Sprache kam: Antifeminismus fungiert oft als Türöffner für Antisemitismus und Rassismus. Dabei machen sich Rechte die sexistischen und heteronormativen Klischees, mit denen wir überall konfrontiert sind. Ein lesenswertes Interview! "Antimodernes Denken (Öffnet in neuem Fenster)" bei der taz.

Bei der taz geht es weiter mit dem Linktipp Nummer 3: Der Artikel "Solidarität, die entpolitisiert (Öffnet in neuem Fenster)" spricht von der Wirkung performativer Solidarität auf unsere Demokratie. Was damit gemeint ist? Indem wir uns nach der Flutkatastrophe im Juli so darauf fokussiert haben, hilfsbereit zu spenden und mit anzupacken und indem wir uns über genau jene Zivilcourage so gefreut haben, haben wir es versäumt, über nötige Änderungen in Klima- und Katastrophenschutz zu sprechen. Gerade die medienwirksame Unterstützung für Opfer, die wir ja auch auf Social Media immer wieder erleben, kann wie ein Wellenbrecher wirken: Statt unsere Empörung in politische Veränderung zu steuern, kanalisieren wir sie in Hilfsbereitschaft, fühlen uns sofort besser - und verlieren dann den Atem für die langfristigen Veränderungen. Im Interview wird das an den Beispielen der Flut, der Flüchtlingskrise und auch des Pflegenotstands sehr deutlich. Must read!

Der große Facebook-Blackout kürzlich steckt einigen immer noch in den Knochen. Da fiel mir direkt der Artikel von Neue Narrative und damit Linktipp Nr. 4 ein, in dem es darum geht, "Wie soziale Medien Menschen zu Assets machen (Öffnet in neuem Fenster)". Im Grunde geht es um nichts anderes als das, was wir eh schon alle wissen: Wenn dich das Produkt nichts kostet, bist DU das Produkt. Im Artikel wird erläutert, dass eigentlich ursprünglich das Gemeinwohl der Kern allen Wirtschaftens war. Doch im Finanzmarkt-Kapitalismus gehts vor allem um möglichst große Renditen. Damit Facebook genau diese Renditen klarmachen kann, lässt die Firma uns für sich arbeiten. Indem wir tagtäglich Apps nutzen, die uns permanent mit Werbung beschallen. Spannend fand ich den Vergleich zwischen Social Media und Tabakkonzernen: Beide verleiten uns dazu, wesentlich mehr von ihrem Produkt zu konsumieren als es gut für uns wäre. Weil sie Geld damit verdienen. Eine Lösung für das Problem habe ich nicht - aber den Artikel lege ich euch dennoch ans Herz.

Zum Abschluss kommt eine Umarmung. Oder im besten Falle 12 davon. In ihrem Instagram-Posting zeigt Kenzie Brenna (Öffnet in neuem Fenster) das Suchergebnis bei Google zu der Frage, wie viele Umarmungen wir täglich brauchen. Mit vier Umarmungen überleben wir, mit 8 halten wir unseren Status Quo und mit 12 Umarmungen täglich wachsen wir. Ich würde sagen: Geht einander mal ordentlich drücken!

Weniger KPIs, mehr tatsächliche Verbindung

Zwei Begebenheiten haben mir in der letzten Woche bezüglich meiner Selbstständigkeit ein bisschen mehr Klarheit gebracht: Ein Telefonat mit einem Kunden sowie ein Jobcoaching.

In dem Telefonat mit dem Kunden ging es darum, dass er mich motivieren wollte, indem er mir mehr Einblick gibt, wie meine Texte das Suchmaschinenranking, die Abverkäufe und die Zugriffszahlen auf der Seite beeinflussen. Er war total on fire - und ich spürte: Nichts. Bzw nicht nichts, sondern ich merkte, dass mich das überhaupt nicht kickt. Abverkäufe, Suchmaschinen-Rankings - das sind nicht die Gründe, aus denen ich meinen Job mache.

Wenn mir aber bei Insta jemand schreibt, dass sie sich durch meine Inhalte für ein Ehrenamt entschieden hat, wenn mir jemand schreibt, dass sie durch meine Stories wieder Freude an Sport hat, wenn ich mit Menschen in Workshops arbeite und merke, wie es "Klick" macht, wenn Menschen mir nach Magazinartikeln schreiben, wie sehr sie das bewegt hat - dann hüpft mein Herz. Das bringt mich zum Glitzern. Das sind die Gründe, aus denen ich meinen Job mache.

Im Jobcoaching schließlich ging es um die Zusammenarbeit mit Firmen hier vor Ort, um Dienstleistungen - und darum, dass ich mir klar sein müsste, dass manche Firmen mit mir nicht professionell arbeiten wollen könnten, weil ich auf Instagram so viel preisgebe und keinen cleanen Businessaccount habe. Das war für mich genau der gegenteilige Aha-Effekt von dem, woran die Coachin vermutlich dachte - statt mich für einen zweiten Insta-Account zu entscheiden, hab ich mich dafür entschieden, meine Selbstständigkeit in Richtung "Mensch" auszubauen. Natürlich arbeite ich auch weiter mit Agenturen und mache auch weiter Workshops mit Firmen und Institutionen - aber ich möchte lieber Dinge tun, die bei den einzelnen Menschen wirklich etwas bewirken, statt Unternehmensseiten mit unpersönlichen Inhalten zu füllen. Ich möchte mit Menschen arbeiten, die Verletzlichkeit nicht für unprofessionell halten. Auch wenn das bedeutet, dass ich wohl eher Webworkerin bleibe statt mich vor Ort breiter aufzustellen.

Apropos Verletzlichkeit: Auf einefixeidee.de hab ich neulich darüber geschrieben, warum Body Neutrality für mich nicht funktioniert (Öffnet in neuem Fenster). Lest doch mal rein! 

Bis in den November!

Das war er, der erste, offene Community-Newsletter. Lasst mir gern Feedback da, ob er euch gefallen hat, teilt eure Gedanken zu einzelnen Punkten mit mir und empfehlt mich und den Newsletter auch gern auf Insta weiter. <3 Und falls ihr noch kein Steady-Paket habt: Schon ab 3 Euro bekommt ihr Zugang zu exklusiven Inhalten!

Ich freu mich auf euch!

xoxo, 

eure Celsy

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