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Meine freundliche Geste

Triggerwarnung: In diesem Text schreibe ich über Suizidalität

Was zeichnet eine freundliche Geste aus? Ist sie lediglich ein flüchtiger Moment oder kann sie sich über eine längere Zeit – vielleicht sogar ein ganzes Leben – erstrecken? Eines ist sicher: Sie sollte überraschend sein.

Lass mich dir eine Geschichte erzählen, meine eigene. Sie beginnt, als ich 12 Jahre alt war, gefangen in tiefer Verzweiflung, am Rande des Entschlusses, mein Leben zu beenden. Über Jahre wurde ich in der Schule gedemütigt – bespuckt, ausgelacht, geschlagen. Hinzu kam die tägliche körperliche Misshandlung durch eine erwachsene Person.

Ich war am Ende meiner Kräfte, wollte nicht mehr. Doch tief in mir regte sich Widerstand. „Tu es nicht“, sagte eine innere Stimme. Trotzdem blieb mein Leben ein Kampf, ein ständiges Gefühl des Verlorenseins.

Ein Aquarellbild zeigt einen kräftigen Baum mit tiefen Wurzeln, der Stärke und Durchhaltevermögen symbolisiert. Der Baum steht in einer stürmischen Szenerie, umgeben von kräftigen Winden, die die Äste bewegen, ohne sie zu brechen. Dramatische, dunkle Wolken bedecken den Himmel, aber ein Strahl des Sonnenlichts durchbricht die Dunkelheit und beleuchtet den Baum. Dies verleiht dem Bild trotz der drohenden Unwetter eine hoffnungsvolle Stimmung.

Es schien, als würde diese Bodenlosigkeit niemals enden. Glück? Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, was das bedeutet. Hätte mir jemand prophezeit, dass ich eines Tages Zufriedenheit finden würde, hätte ich es für unmöglich gehalten.

Der Drang, mein Leben zu beenden, kehrte in den folgenden Jahren immer wieder zurück, besonders in depressiven Episoden, wenn alle Hoffnung verloren schien. Aber jedes Mal widerstand ich ihm.

Vergangene Woche feierte ich meinen 43. Geburtstag, und es geht mir gut. Seit drei Jahren bin ich frei von Depressionen – und fühle mich meistens zufrieden mit meinem Leben und mir.

Heute bin ich unendlich dankbar dafür, dass ich mich immer wieder gegen den Suizid entschieden habe. Denn, auch wenn es mir in diesen Momenten nicht bewusst war:

Jedes Festhalten am Leben war eine freundliche Geste, die ich mir selbst schenkte – ein Geschenk des Durchhaltens und der Hoffnung.

– Martin

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