Warum Literatur von Menschen übersetzt werden muss {#6 Newsletter}
Herzlich Willkommen zum Die Bücherstaplerinnen Newsletter! Wir, also Antje Tomfohrde und Valerie Wagner, schreiben einen Newsletter zu unseren Podcast-Folgen. Lass uns lesefreudig ins Wochenende starten!
Heute mit diesen Themen:
Im Fokus: Warum Literatur von Menschen übersetzt werden muss
Bücher- und Leseempfehlungen von Antje, Valerie & Lisa Mensing
Das dritte Thema: TraLaLit - Magazin für übersetzte Literatur
Warum Literatur von Menschen übersetzt werden muss
In unserer neuesten Folge im Die Bücherstaplerinnen Podcast (Öffnet in neuem Fenster) sprechen wir mit der Literaturübersetzerin Lisa Mensing über die Kunst des Übersetzens und warum Literatur von Menschen übertragen werden muss. Lisa hat unter anderem Trophäe von Gaia Schoeters und Birkenschwester von Caro van Thuyne aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt und gibt spannende Einblicke in ihren kreativen Prozess.
Wir diskutieren, wie Bücher für Übersetzungen entdeckt werden, welchen Herausforderungen sich Übersetzer:innen stellen müssen und warum ihre Arbeit oft unsichtbar bleibt. Lisa erzählt, wie viel Recherche hinter einer gelungenen Übersetzung steckt – sei es Fachsprache für Trophäe oder die poetische Sprache in Birkenschwester. Zudem sprechen wir über die Rolle von KI in der Literaturübersetzung, warum sie menschliche Kreativität nicht ersetzen kann und wie wichtig faire Bezahlung ist.

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Lisa Mensing
… lebt in Münster und arbeitet dort als Literaturübersetzerin und Literaturwissenschaftlerin. In Utrecht und Münster hat sie Interdisziplinäre Niederlandistik und Literarisches Übersetzen studiert und ihr Studium mit einem Master of Arts abgeschlossen. Sie übersetzt Prosa, Theaterstücke, Kinder- und Jugendliteratur und Poesie aus dem Niederländischen, schreibt Gutachten für verschiedene Verlage und wurde 2018 von der Dutch Foundation for Literature und Flanders Literature als Übersetzerin akkreditiert. Seit 2021 ist sie Mitglied im Verband deutscher Übersetzer:innen (VdÜ).
Bild: © Bella Demant
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Bücher, die Lisa Mensing übersetzt hat
Trophäe von Gaia Schoeters, erschienen bei Zsolnay (Öffnet in neuem Fenster)
Birkenschwester von Caro van Thuyne, erschienen im Maro Verlag (Öffnet in neuem Fenster)
Zwischen uns und Morgen von Peter Zantingh, erschienen bei Diogenes (Öffnet in neuem Fenster)
Was du nie sehen wirst von Sacha Bronwasser, erscheint am 12.03.2025 im Arche Verlag
Weitere Bücher findest du auf ihrer Website: www.lisamensing.de (Öffnet in neuem Fenster)
Eine literarische Jagd auf die menschliche Moral: „Trophäe“ von Gaea Schoeters
erschienen bei Zsolnay.
In meiner Rezension zu Gaea Schoeters' Roman "Trophäe" übersetzt von Lisa Mensing, (Öffnet in neuem Fenster) beleuchte ich die Geschichte des amerikanischen Jägers John Hunter White, der in Afrika auf der Suche nach den "Big Five" ist. White, der aus einer Jägerfamilie stammt, betrachtet Afrika als seinen persönlichen Vergnügungspark und zeigt wenig Interesse an den dort lebenden Menschen oder Kulturen. Als ihm die Jagd auf ein Nashorn verwehrt bleibt, wird ihm eine alternative Beute angeboten, die ihn vor moralische Abgründe stellt. Gaea Schoeters schafft es, den Leser tief in die Psyche eines unsympathischen Protagonisten eintauchen zu lassen, und das mit sprachlicher Präzision. Ich empfiehle "Trophäe" als ein Werk, das die dunklen Facetten der menschlichen Natur und die ethischen Fragen der Großwildjagd eindrucksvoll thematisiert.

Birkenschwester von Caro van Thuyne, erschienen im Maro Verlag
Antje und Lisa sprechen in unserer neuesten Folge auch über das Buch Birkenschwester von Caro van Thuyne, das Lisa ins Deutsche übersetzt hat. Antje beschreibt es als sprachlich wunderschön und sehr poetisch, doch thematisch herausfordernd. Die Geschichte handelt von einem Paar, das den Verlust eines Kindes verarbeitet – die Frau begibt sich auf eine Wanderung zum Meer, während der Mann zu Hause ein neues Zuhause aufbaut.
Lisa hebt die besondere Sprache des Romans hervor und betont, dass er noch mehr Leser:innen verdient hätte. Sie hat das Buch selbst niederländischen Verlagen vorgeschlagen und erst nach langer Suche einen Verlag gefunden, der es veröffentlichte. Besonders betont wird, wie essenziell eine menschliche Übersetzung für solch tief emotionale Bücher ist – gerade weil KI solche poetischen und feinfühligen Texte nicht mit der notwendigen Tiefe übertragen kann.
Abonniere am Besten Antjes Blog (Öffnet in neuem Fenster), denn sie wird noch ihren Leseeindruck zum Roman verfassen.

(Öffnet in neuem Fenster)Zwischen uns und Morgen von Peter Zantingh, erschienen bei Diogenes
Antje beschreibt das Buch als ein kleines, aber inhaltlich starkes Werk, das beim Lesen gedanklich springt und vermutlich eine große Herausforderung für Lisa als Übersetzerin war. Eine zentrale Rolle spielt die sprachliche Gestaltung. Wir besprechen, wie komplex es ist, die feinen Nuancen und emotionalen Tiefen eines Buches durch eine Übersetzung zu transportieren.

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Weitere Bücherempfehlungen von Antje, Valerie & Lisa
Wir haben an dem Aufbau unserer Folgen gearbeitet und empfehlen in Interviewfolgen maximal zwei Bücher, damit wir nicht in epischer Länge unsere Bücherstapel hoch- und runtererzählen. 📚😅 Deshalb gibt es heute ein Buch von unserer Gästin Lisa, eins von Antje und eins von mir.
Die Gewitterschwimmerin
Antje empfiehlt Die Gewitterschwimmerin von Franziska Hauser das 2018 für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Es erzählt die Lebensgeschichte der jüdischen Familie Hirsch, insbesondere von Tamara Hirsch, und spannt den Bogen vom Ersten Weltkrieg bis nach dem Mauerfall.
Antje beschreibt in unserer Folge, wie der Großvater der Familie als Soldat im Ersten Weltkrieg diente, später aufgrund der Judenverfolgung nach England emigrieren musste und nach dem Krieg das Schulsystem in der DDR mitgestaltete. Ein Sohn war in der französischen Resistance aktiv, während Tamara Hirsch als rebellische Figur dargestellt wird, die sich gegen die Enge ihres Umfelds auflehnt.
Antje findet das Buch gut geschrieben und besonders spannend, weil sie es im Buddy-Read mit jemandem liest, der in der DDR aufgewachsen ist. Dieser Austausch bereichert ihre Leseerfahrung enorm, da sie so einen persönlichen Einblick in die historischen und gesellschaftlichen Hintergründe erhält.

James von Percival Everett, erschienen bei Hanser, übersetzt von Nikolaus Stingl
Lisa empfiehlt das Buch James von Percival Everett, das von Nikolaus Stingl übersetzt wurde. Sie beschreibt den Roman als sprachlich spannend und hebt hervor, dass der Übersetzer eine besondere Herausforderung hatte: Die Figuren im Buch sprechen je nach sozialem Kontext unterschiedlich – insbesondere die versklavten Charaktere, die eine eigene Sprache verwenden, wenn sie mit Weißen sprechen.
Lisa lobt die gelungene Umsetzung dieser sprachlichen Nuancen und betont, dass am Ende des Buches eine Nachbemerkung des Übersetzers zu finden ist, in der er seine Entscheidungen erläutert. Sie findet, dass die Übersetzung hervorragend funktioniert und empfiehlt das Buch ausdrücklich.

Im Land der Wölfe von Elsa Köster, erschienen bei Frankfurter Verlagsanstalt
Ich lese (immer noch) Im Land der Wölfe von Elsa Köster. Es ist ein sehr aktuelles Buch. Im Land der Wölfe spielt in einem fiktiven ostdeutschen Ort namens "Grenlitz" und handelt von einer Wahlkampfhelferin, die versucht, die "Zukunftsgrünen" zum Sieg zu verhelfen. Dabei gerät sie mitten in eine AfD-Demonstration und wird mit gesellschaftlichen Spannungen konfrontiert.
Ich finde das Buch sehr spannend und es fängt den aktuellen Zeitgeist sehr gut ein. Ich hoffe, dass sich die Geschichte – sowohl im Buch als auch in der Realität – zum Guten wendet.

Der Gang zur Wahlurne ist wichtig. Es ist das höchste Gut in einer Demokratie und wir müssen, ich würde sagen, wir sind verpflichtet, wählen zu gehen. Wenn du dir - wie ich - noch nicht 100 Prozent sicher bist, wen du wählen willst, dann können dich vielleicht folgende Tools unterstützen.
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Auf Antjes Blogroll (Öffnet in neuem Fenster)hab ich den Podcast “Auf Buchfühlung” entdeckt und direkt ein paar Folgen abgespeichert. Unter anderen die Folge, die wunderbar zu unserem heutigen Thema passt: Balkan übersetzen. Ein Gespräch mit den Literaturübersetzerinnen Mascha Dabić und Rebekka Zeinzinger (Öffnet in neuem Fenster).
TraLaLit - Magazin für übersetzte Literatur
Übersetzerinnen und Übersetzer sind die Hidden Champions der Literaturwelt. Ihre Werke füllen in aller Heimlichkeit ganze Bücherregale, ihr Wirken erschließt uns die Welt, ihre Worte leben mit uns. Und doch nimmt kaum jemand von ihnen Notiz, kennt kaum jemand auch nur ihre Namen.
So steht es im Manifest (Öffnet in neuem Fenster) der TraLaLit-Redakteur:innen. Denn das Schattenleben der Übersetzer:innen wollen sie beenden. Und das passt doch hervorragend zu unserer neuesten Folge und diesem Newsletter.
Ich habe mich auf dem Online-Magazin umgesehen und ein paar spannende Texte entdeckt. Unter anderem ein von unserer Gästin Lisa Mensing geführtes Interview über das Phänomen “ONYX STORM” (Öffnet in neuem Fenster). Ein Phänomen auch deshalb, weil Onyx Storm sämtliche Verkaufsrekorde in den USA (Öffnet in neuem Fenster)gebrochen hat. Im Interview erzählt Michelle Gyo über ihre Arbeit am 3. Band und wie sie den Übersetzungsprozess empfand für den sie und Julia Schwenk nur 5,5 Wochen Zeit hatten.
Einige neue Bücher kann man auch im Text “Unsere Lieblingsübersetzungen 2024” (Öffnet in neuem Fenster) entdecken. Viel Spaß beim Störbern!
Wir sprechen es auch in unserer neuesten Folge (Öffnet in neuem Fenster) an: KI kann, darf und sollte nicht die Aufgabe von Übersetzer:innen übernehmen! 2024 hat Janine Malz ihren Fall öffentlich gemacht. Auf Netzpolitik.org veröffentlichte sie dazu einen Artikel: “Der Wert menschlicher Übersetzung” (Öffnet in neuem Fenster). Am Ende wird klar: Den kreativen Prozess des Übersetzens an eine künstliche Intelligenz zu übergeben ist grundlegend falsch.
Julia Rosche interviewte für TraLaLit Claudia Hamm. Sie ist Übersetzerin und Herausgeberin des Sammelbands “Automatensprache” und hat sich intensiv mit KI und den Einfluss auf Sprache beschäftigt. Hier gehts zum Interview “„Die Systeme weisen den Menschen bestimmte Rollen zu, nicht umgekehrt““ (Öffnet in neuem Fenster).
Bis bald,
Valerie
Ps: Liebe Grüße von Antje!
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