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Moin miteinand' und herzlich willkommen

zur ersten Ausgabe von Denken als Praxis, meinem neuen kleinen Newsletter. Ich bin Nils Müller und ich möchte euch hier mitnehmen auf eine Reise in das Denken. Und zwar nicht auf psychologisch-wissenschaftliche oder esoterisch-spirituelle Weise, sondern auf ganz praktische - eben anzufangen, das Denken als konkrete Praxis zu verstehen, als planbares Handeln. Als etwas, das man Lernen kann und bei dem einen die richtigen Techniken und Werkzeuge helfen können - wie bei einem Sport, einem Musikinstrument oder einem Handwerk.

Dafür plane ich aktuell, euch alle zwei Wochen mit einer kleinen Mail zu versorgen. Mal gibt es einen Artikel, mal ein kleines Essay (zu dem Unterschied wird es auch eine Ausgabe geben), mal stelle ich euch ein Tool vor, eine Technik oder gebe einfach den einen oder anderen hilfreichen Tipp. Und was mir sonst noch so einfällt.

In dieser ersten Ausgabe möchte ich euch erstmal ein wenig ausführlicher erklären, wie ich zu diesem Thema gekommen bin und warum euch das vielleicht auch interessieren könnte.

Ich freue mich natürlich auch auf Rückmeldungen, Diskussionen und Ideen. Ihr erreicht mich per Antwort auf diese Mail, unter mail@nilsmueller.info oder auf Twitter als @Weltenkreuzer (Öffnet in neuem Fenster).

Jetzt aber genug der Vorrede und viel Spaß beim Lesen und Denken!

Denken als Praxis? Hä?

Auch wenn es mittlerweile ein abgenudeltes Klischee ist, bleibt es wahr: Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Ein großer Teil unseres Geldes und auch ein großer Teil unserer persönlichen Erfüllung basiert auf dem Umgang mit Wissen: Wir verfassen Artikel, konzipieren, dokumentieren, evaluieren, programmieren, kommunizieren, transformieren und und und. Dabei gehen wir selbstverständlich davon aus, dass wir das mit dem Denken schon ganz gut hinbekommen. Immerhin gab es für die Abschlussarbeit eine 1,3, der Antrag wurde genehmig und der Artikel wird geklickt und geteilt. Das Ergebnis stimmt.

Können oder Glück?

Doch der Schein kann trügen: Was, wenn wir nicht erfolgreich waren, weil wir besonders gut gedacht oder besonders effizient gearbeitet hätten? Sondern stattdessen dem Prüfer sympathisch waren? Oder das Steckenpferd der Gutachterin getroffen haben? Oder einfach die Überschrift besonders clickbaitig ist und eine Meinungsblase weiter aufbläst? Wir fühlen uns in unserem Tun bestätigt, machen weiter wie bisher und lernen nichts daraus. Dann wiegen wir uns in falscher Sicherheit, auch wenn uns dieses Glück beim nächsten Mal nicht hold ist.

Dabei kommt mir ein Satz aus Dan Charnas' sehr lesenwertem Buch Work Clean in den Sinn:

The only thing worse than failure is passing by accident.
(Das Einzige, was schlimmer ist, als zu scheitern, ist ein Erfolg, der auf Zufall basiert.)

Denn wenn wir in einer konkreten Situation Erfolg haben, heißt das nur, dass wir in diesem konkreten Moment mindestens das geleistet haben, was von uns erwartet wurde. Wie realistisch oder anspruchsvoll diese Erwartungen sind, ist jedoch komplett offen; auch, ob es unser Können oder einfach nur Glück war. Wenn unser Gegenüber keine Ahnung hat, ist es dann in Ordnung, dass wir ihn mit mittelmäßiger Arbeit abspeisen? Oder sollten wir uns nicht an unserem eigenen Maßstab messen und immer gute Arbeit leisten?

Geht da mehr?

Und selbst wenn es wirklich die Qualität unserer Arbeit war, die das Gegenüber überzeugt hat: Woher wissen wir, dass es nicht noch besser gegangen wäre? Einfacher, kreativer, sprachgewandter oder entspannter? Ohne die Deadline-Panik, die Selbstzweifel, die nagende Unsicherheit? Wir können es nicht wissen und eigentlich fehlt uns auch die Zeit, darüber nachzudenken. Denn die nächste Deadline wartet und das nächste Projekt will in Angriff genommen werden. Also machen wir weiter - egal ob selbstbewusst oder voller Selbstzweifel. Hat noch immer jut jejange. Passt schon. Irgendwie.

Und jetzt stellen wir uns eine ambitionierte Köchin vor, eine Leistungssportlerin, einen Orchestermusiker: Ist die Suppe versalzen, freut sich die Köchin vielleicht darüber, dass die Gäste es nicht bemerkt haben. Sie wird aber trotzdem alles daran setzen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Dasselbe mit der Sportlerin, die den entscheidenden Punkt vergibt und dem Musiker, der einen falschen Ton spielt. Sie wissen, wo sie sich verbessern können und arbeiten aktiv daran. Deswegen sind sie so gut und deswegen akzeptieren wir sie als Profis. Während wir uns weiter irgendwie durchwurschteln.

Wissensarbeit ist zu selten wirklich professionell

Und das bringt mich zu meinem zentralen Punkt: Im Gegensatz zu vielen handwerklichen, künstlerischen und sportlichen Aktivitäten ist Wissensarbeit nicht wirklich professionalisiert. Also nicht das mit dem Geld oder der fachliche Inhalt, sondern das ganze Drumherum: Die Formatierung ist irgendwie mit Word zusammengebastelt, die Notizen verteilen sich auf drei Notizbücher, zwei Word-Dateien und unzählige Klebezettel und ich weiß vielleicht garnicht, dass mein zentrales Argument in wissenschaftlichen Kreisen schon längst als widerlegt gilt. Aber im Grunde ist das auch egal. Hauptsache es merkt niemand.

Natürlich braucht es im Alltag einen gewissen Pragmatismus und ich will hier auch nicht einem ungesunden Perfektionismus das Wort reden. Aber einen höheren Anspruch einfordern: an uns selbst und an andere.

Es fehlen die Strukturen

Als Soziologe möchte ich die Verantwortung für dieses Phänomen aber nicht auf den Einzelnen schieben. Vielmehr fehlen in Ausbildung wie Berufsleben einfach die Strukturen, uns diese Professionalität anzueignen. In der Grundschule lernen wir immerhin noch halbwegs systematisch lesen und schreiben, dann hört es aber auch schon auf. Vielleicht mal hier noch ein kurzer Einführungskurs in Word, ein isolierter Workshop zum verständlichen Schreiben oder ein Hinweis auf eine Notiz-Methode im Nebensatz. Alles andere bleibt uns dann alleine überlassen.

Wie denn? Wo denn? Was denn?

Und genau das ist das Problem: Woher sollen wir denn wissen, dass es hunderte hilfreiche Tools gibt, Ideen zu visualisieren oder Notizen zu organisieren? Wie man eine Präsentation strukturiert oder dass Schreiben beim Denken helfen kann? Gerade wenn es uns niemand zeigt und uns vielleicht sogar dabei begleitet, wie wir unseren eigenen Weg finden?

Hier möchte ich mit diesem Newsletter ansetzen und euch auf meine Reise mitnehmen. Wie andere Schreibwaren oder Taschen sammeln, sammle ich Ideen, Gedanken und Methoden. An dieser Stelle möchte ich die mit euch teilen. Ich möchte euch einladen, mich auf der Suche nach der guten und professionellen Wissensarbeit zu begleiten. Lasst uns Möglichkeiten erkunden und Ideen diskutieren; gemeinsam nachdenken und herausfinden, wie wir das besser machen können mit der Wissensarbeit.

Es geht dabei nicht um effizienteres Arbeiten, sondern um besseres. Auf allen Ebenen.

Mehr dazu

Vor ein paar Jahren habe ich schonmal über die Parallelen zwischen wissenschaftlichem Schreiben und dem klassischen Handwerk (Öffnet in neuem Fenster) gebloggt und bin dabei auch auf die fehlende Professionalität zu sprechen gekommen. Auch wenn ich es damals noch nicht so genannt habe.

In seinem Buch Work Clean (Öffnet in neuem Fenster) überträgt Dan Charnas die Arbeitspraxis in Sterneküchen auf den Büroalltag. Fluffig geschrieben und sehr interessant zu lesen.

Praxis-Tipp

Da uns Präsentationen per Videokonferenz wohl noch ein wenig erhalten bleiben, möchte ich euch auf eine versteckte Funktion von Power Point hinweisen: Ihr könnt eine Präsentation nämlich nicht nur im Vollbild präsentieren, sondern auch in einem Fenster (Öffnet in neuem Fenster). Wenn ihr einen großen Bildschirm habt, könnt ihr dann einfach nur dieses Fenster teilen und habt des Rest des Bildschirms für Notizen zur Verfügung.

Über mich

Mein Name ist Nils Müller. Ich bin promovierter Soziologe und Betriebswirt und beschäftige mich seit Jahren mit all den Dingen, die wir für “selbstverständlich” und “normal” halten; und mit Wissen. Ich habe zur alltäglichen europäischen Integration geforscht, wissenschaftliches Denken und Schreiben an Hochschulen unterrichtet und arbeite jetzt als Wissensmanager für eine Unternehmensberatung. Ich lese, schreibe, podcaste und denke. Wer mehr wissen will: nilsmueller.info (Öffnet in neuem Fenster) oder auf Twitter @Weltenkreuzer (Öffnet in neuem Fenster).