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Moin zusammen!

Nun ist es schon zwei Wochen her, dass ich euch mit der ersten Ausgabe von "Denken als Praxis" versorgt habe, und seitdem seid ihr schon so einige mehr geworden. Das freut mich und herzlich willkommen!

Nachdem ich vor zwei Wochen noch eher philosophisch geblieben bin, wird es diese Woche schon praktischer, aber immer noch etwas abstrakt. Aber da ich hier nicht die eine Lösung präsentieren kann und will, die für alle richtig wäre, muss ein wenig Abstraktion eben doch sein. Und auf die Fragen, die ich in dieser Ausgabe aufwerfe, werde ich in späteren Ausgaben immer wieder zurückkommen.

Diese Woche geht es darum, wie wir sinnvoll mit den Unmengen an interessanten Texten und Co umgehen können, die im Netz so an uns vorbeiströmen. Dabei gibt es mittlerweile unzählige Formate wie Podcasts, Videos oder Newsletter, aber damit der Text lesbar bleibt, schreibe ich einfach von Texten und Artikeln. Andere Formate sind natürlich mitgemeint.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bin gespannt auf eure Rückmeldungen: @Weltenkreuzer (Öffnet in neuem Fenster) bei Twitter oder einfach an mail@nilsmueller.info (Öffnet in neuem Fenster).

Bis dann
 Nils

Mit dem Informationsstrom arbeiten

Aktuell mangelt es uns sicherlich nicht an interessanten Artikeln, spannenden Podcasts und faszinierenden wissenschaftlichen Studien. Es mangelt uns an Zeit und mentalen Kapazitäten all das aufzunehmen und angemessen zu verarbeiten. Umso wichtiger ist es, dass wir diesen gigantischen Strom an Zeug, der auch noch mehr oder weniger in Echtzeit an uns vorbei zieht, zu bändigen, um produktiv mit ihm arbeiten zu können.

Für mich haben sich dabei vier Fragen als hilfreich herausgestellt, die ich mit euch durchgehen möchte:

4 Schritte, den wilden Strom zu bändigen

  • Welche Quellen möchte ich verfolgen?

  • Wie kommen die Artikel aus diesen Quellen zu mir?

  • Wie sichere ich Texte, die an mir vorbei strömen?

  • Wie lese ich die Texte und sichere das, was ich aus ihnen lerne?

Nehmt euch doch nach jedem Abschnitt ein paar Minuten und denkt darüber nach, was für euch an dieser Stelle sinnvoll sein könnte.

1. Woraus soll der Strom bestehen?

In der Arbeit mit Daten gibt es das Motto des GIGO: Garbage in, garbage out. Und bei allgemeiner Wissensarbeit ist das nicht anders: Wenn ich zu einem großen Teil die Ideen und Gedanken anderer nehme und daraus mein eigenes Denken und Schreiben aufbaue, dann hängt die Qualität meiner Arbeit unmittelbar davon ab, wie gut mein Input war.

Damit wird dieser Input auch zu einer Möglichkeit, mich von anderen zu unterscheiden: Wenn ich dieselben Texte lese wie alle anderen, werde ich mehr oder weniger dieselbe Arbeit machen wie alle anderen. Wenn ich eigenständige und "besondere" Arbeit machen möchte, brauche ich eigenständige und besondere Quellen - zusätzlich zu denen, die alle anderen lesen.

Twitter und andere Empfehlungsalgorithmen, die das verbreiten, was gerade alle verbreiten, sind dabei ein wichtiger Baustein. Sie können aber nicht die einzige Grundlage sein: Sie zeigen mir zwar, was aktuell wild diskutiert wird, aber nicht, was inhaltlich wirklich relevant ist. Das können sie auch überhaupt nicht, weil einfach für jede*n andere Dinge relevant sind. Ich kann also die Entscheidung darüber (leider) nicht einfach auslagern.

Nehmt euch daher doch mal bewusst ein wenig Zeit und schaut, was für euch relevante Arten von Quellen sind: wissenschaftliche Zeitschriften? Bücher? Zeitungs- oder Online-Artikel? Podcasts? Pressemitteilungen? Newsletter? Und dann macht euch eine erste Liste dieser Quellen, die systematisch ein Thema bearbeiten, das für euch relevant ist. Die Liste eurer bisherigen Lieblingsartikel ist dabei ein guter Ausgangspunkt. Ein wichtiges Kriterium ist dabei der "Nährwert", den die Quellen für euch haben: komplex vor einfach, differenziert vor schnell und relevant vor nett.

2. Wie kommt der Strom zu mir?

Die nächste Frage ist dann natürlich, wie ich die ausgewählten Quellen sinnvoll verfolgen kann. Dabei sind mir zwei Dinge wichtig: Ich möchte kein Update verpassen, ich möchte aber auch nicht ständig online sein oder viel Zeit in diesen Schritt investieren müssen.

Hier wird deutlich, warum z. B. Twitter so eine schlechte Grundlage für das Fundament meines Informationsstroms ist: Wenn ich nicht kontinuierlich online bin und meinen Feed verfolge, verpasse ich unglaublich viel - in erster Linie ohnehin Irrelevantes, aber eben nicht nur.

Eigentlich finde ich ja das klassische Modell von Zeitschriften sehr praktisch: Einmal im Monat bekomme ich eine Sammlung thematisch relevanter Artikel in einem hübschen Paket vor die Tür geliefert. Dann habe ich - theoretisch - Zeit, diese Artikel zu lesen und zu verarbeiten, bevor im nächsten Monat die nächste Ausgabe erscheint.

Dass der kontinuierliche Strom dieses Modell abgelöst hat, liegt nicht daran, dass an dem rhythmischen Erscheinen etwas falsch wäre, sondern daran, dass die Sammlungen nicht individualisiert genug sind. Mein persönlicher Favorit wäre also jede Woche oder jeden Monat eine Sammlung von Artikeln aus allen meinen Quellen plus ein paar algorithmisch ausgewählter oder von Dritten kuratierter Inhalte aus anderen Quellen. Also gilt es, ein Tool oder eine Kombination von Tools zu suchen, die so etwas abbilden kann.

Nehmt euch an dieser Stelle doch mal ein wenig Zeit und überlegt, wie ihr diesen Strom gestalten wollen würdet. Was sind für euch die wichtigsten Aspekte?

3. Wie trete ich neben den Strom?

Diese Sammlung von Artikeln ist aber immer noch ein Strom, der erstens zu einem bestimmten Zeitpunkt bei mir landet und zweitens immer noch viel zu viel beinhaltet, als dass ich es alles lesen könnte. Erst recht nicht in dem Moment, in dem es an mir vorbei fließt.

Also braucht es einen bewussten Moment, in dem ich in den Strom eintrete und mit dir Artikel herausnehme, mit denen ich mich ausführlicher beschäftigen möchte. Eben genau dann, wenn ich die Zeit, die Muße und die Energie dazu habe. Dann muss ich den Strom aber auch wieder verlassen und mir genau diesen Raum schaffen, in dem ich mich konzentriert mit diesem Material beschäftigen kann.

Dabei geht es also nicht nur darum, das richtige Tool zu finden, sondern vielmehr darum, eigene Routinen und Arbeitsweisen zu entwickeln, die beides ermöglichen: das regelmäßige Sichten des Stroms und das konzentrierte Lesen und Verarbeiten der herausgefischten Texte. In meinen Augen bietet es sich an, diese beiden Schritte möglichst klar voneinander zu trennen.

Auch hier wieder: Nehmt euch ein wenig Zeit und überlegt mal, wie solche Routinen bei euch aussehen könnten und welche Tools und Werkzeuge euch dabei helfen könnten.

4. Wie lese ich Texte und sichere Gedanken?

Im Idealfall habt ihr jetzt eine Sammlung von selbst ausgewählten Texten, bei denen ihr euch entschieden habt, dass ihr sie wirklich lesen wollt. Dann kommt aber schon die nächste Frage: Wie lese ich das Ganze so, dass ich nicht schon nach einer Stunde vergessen habe, worum es eigentlich ging, sondern auch in Monaten oder gar Jahren noch auf die interessanten Gedanken und Ideen zurückgreifen kann? Denn wenn ich das nicht tue, dann ist das Lesen in letzter Instanz nur eine andere Form der Unterhaltung - nett, aber nicht wirklich nachhaltig.

Und auch hier wirken wieder Werkzeuge und Verhalten zusammen: Das beste Werkzeug nutzt mir nix, wenn es nicht zu meinem Denken und Arbeiten passt und auch nicht, wenn ich es nicht nutze - zum Beispiel weil es zu viel Aufwand macht. Das ist an dieser Stelle besonders wichtig, denn alles, was ich vorher gemacht habe, ist egal, wenn ich hier nicht die zentralen Punkte sichere. Also gilt es, Anstreichungen zu machen und - noch wichtiger - eigene Notizen. Aber das ist ein riesiges Thema für eine andere Ausgabe.

Aber trotzdem: Macht euch doch mal ein paar Gedanken, wie und wo ihr diese Artikel gerne lesen würdet. Wie ihr euch vorstellen könntet, zuverlässig Notizen zu machen und wie sich diese vielleicht auch ablegen ließen...

Mit diesen vier Fragen soll es dann für heute genug sein. In zwei Wochen werde ich ein wenig konkreter und stelle euch drei Tools vor, mit denen ich meinen eigenen Informationsstrom bändige.

Praxis-Tipp: Mehr Bildschirm-Platz unter Windows 10

Vor einiger Zeit habe ich mir einen 32-Zoll-Bilschirm gegönnt und mich dann gewundert, warum ich damit nicht so viel Bildschirm-Platz gewonnen habe, wie ich erwartet hätte. Das Problem: Windows passt die Skalierung der Anzeige automatisch an die Bildschirmgröße bzw. Auflösung an. In den Anzeigeeinstellungen lässt sich das aber auch manuell anpassen. Wenn eure Augen gut genug sind, könnte es sich lohnen, hier die Skalierung eine Stufe nach unten zu schalten. Und prompt gibt es noch mehr Platz.

Über mich

Mein Name ist Nils Müller. Ich bin promovierter Soziologe und Betriebswirt und beschäftige mich seit Jahren mit all den Dingen, die wir für “selbstverständlich” und “normal” halten; und mit Wissen. Ich habe zur alltäglichen europäischen Integration geforscht, wissenschaftliches Denken und Schreiben an Hochschulen unterrichtet und arbeite jetzt als Wissensmanager für eine Unternehmensberatung. Ich lese, schreibe, podcaste und denke. Wer mehr wissen will: nilsmueller.info (Öffnet in neuem Fenster) oder auf Twitter @Weltenkreuzer (Öffnet in neuem Fenster).