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Eigenen Zyklus besser verstehen

Interview mit Expertin Rena Föhr

Regelschmerzen, Hormonchaos, Verhütungsfragen oder unerfüllter Kinderwunsch – viele Frauen nehmen ihre Periode vor allem als Problem wahr. Die Zyklusexpertin Rena Föhr erklärt im Interview, wie die Beschäftigung mit der Menstruation zu mehr Zufriedenheit und sogar besserem Sex führen kann.

Von Anne Klesse, Hamburg

Sie sind Zyklus- und Sexualberaterin. Aus einem Instagram-Account wurde vor einiger Zeit die Plattform „Chica con Ciclo (Öffnet in neuem Fenster)“ – Spanisch für „Junge Frau mit Zyklus“ – den Sie bei einem Auslandsaufenthalt in Südamerika gegründet haben. Nun haben Sie zu dem Themenfeld das erzählende Sachbuch (Öffnet in neuem Fenster) „Know Your Flow“ geschrieben, in das viele private Erfahrungen eingeflossen sind. Ist es Ihnen schwergefallen, bei den immer noch tabubehafteten Themen wie Periode, Verhütung oder Sex so persönlich zu werden?

Da ich schon seit 2015 als Journalistin verstärkt über diese Themen schreibe, fand ich es nicht so schwer. Allerdings hatten Menschen aus meinem Umfeld die Sorge, dass ich mich angreifbar und verletzlich mache, wenn ich so persönliche Dinge aufschreibe. Mir wurde auch gesagt, dass ich womöglich als Autorin bei anderen Themen nicht mehr ernst genommen werden könnte. Das hat mir schon zu denken gegeben. Andererseits sieht man ja genau daran, wie stigmatisiert die Themen sind und wie wichtig es ist, über sie zu sprechen. Außerdem hilft es mir selbst, wenn ich Texte lese, in denen Autor*innen über persönliche Dinge schreiben und nicht nur die reine Sachebene beleuchten. Ich habe zwar auf manche Kolumne oder manchen Text auch schon blöde Reaktionen bekommen, andererseits aber auch immer sehr viel Zuspruch. Ich wäge da immer ab. Es gibt auch vieles, was im Buch nicht vorkommt – eben weil es mir dann doch zu privat war. 

 

Sie befassen sich unter anderem mit der Verbindung von Menstruationszyklus und Sexualität. Die Periode zu bekommen bedeutet Fruchtbarkeit, ihr Beginn steht für die Pubertät, ihr Ende für die Menopause. Tatsächlich ist der Zyklus ein Kreislauf, der unsere Gesundheit und unser ganzes Leben beeinflusst. Gab es einen Anlass, sich mit diesen Zusammenhängen auch als Autorin zu beschäftigen?

Als ich sexuell aktiv geworden bin, war klar: ich möchte mich vor einer ungewollten Schwangerschaft schützen. Ich kannte, wie vermutlich viele andere Jugendliche damals, erst mal nur Pille und Kondom. Also ließ ich mir die Pille verschreiben. So war es auch bei einigen Freundinnen und Klassenkameradinnen. Manche haben sogar die Pille genommen, ohne dass sie überhaupt sexuell aktiv waren, sondern um Pickel oder andere Pubertätsbeschwerden zu lindern. Dieser Automatismus war der erste Punkt, den ich Jahre später in Frage gestellt habe. Ich fühlte mich damals als Jugendliche mit der Pille zunächst cool und erwachsen. Dann aber folgte die Ernüchterung, weil ich ziemlich starke Nebenwirkungen hatte. Ich habe verschiedene Präparate ausprobieren, doch manche haben meine Stimmung gedrückt. Anfang 20 habe ich beschlossen: Für meinen Körper funktioniert das alles anscheinend nicht. Also habe ich Alternativen gesucht und dabei meinen Körper noch mal ganz neu entdeckt.

 

Jetzt setzen Sie auf die sogenannte NFP, die „Natürliche Familienplanung“. Sie beschreiben im Buch, wie das funktioniert: Sie beobachten Ihren Zyklus und verschiedene Parameter ganz genau und wissen dadurch, wann Ihre fruchtbaren Tage sind. Es braucht also gar keine zugeführten Hormone für eine funktionierende Empfängnisverhütung?

NFP nach Sensiplan, auch „symptothermale Methode“ genannt, ist eine natürliche Verhütungsmethode, bei der man seinen Körper sehr gut beobachten muss. Man misst die Aufwachtemperatur und checkt den Zervixschleim oder Veränderungen des Muttermunds nach einem festgelegten Regelwerk. Die Daten trägt man in eine geeignete App oder auf ein Zyklusblatt ein und ermittelt daraus fruchtbare und unfruchtbare Tage. In der fruchtbaren Phase verzichtet man entweder auf penetrativen Sex oder man sorgt anderweitig für Verhütung – zum Beispiel mit Kondomen. Man muss schon diszipliniert sein und sich erst einmal in Ruhe einlesen, damit es funktioniert. Viele Frauen interessieren sich dafür, das merke ich an der Zahl der Anfragen über „Chica con Ciclo“.

Obwohl es Kondome, Diaphragma und Spirale schon vor der Pille gab, wurde mit der Pille das Narrativ gepusht, dass Frauen ab sofort selbst entscheiden können, ob sie schwanger werden wollen oder nicht – und die Pille das Mittel der Wahl ist. Dabei sind Kondome bei richtiger Anwendung sehr wirksam, dazu praktisch und auch in Bezug auf sexuell übertragbare Infektionen wichtig. Wenn man die individuell richtige Größe und Marke kennt, sind Kondome keine zweite Wahl, sondern – im Gegenteil – ein gutes Verhütungsmittel. Auch das Diaphragma und das Femidom (ein Kondom für Frauen) sind für manche Menschen passende Methoden, die aber wenig bekannt sind. NFP wiederum hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Es ist eine wissenschaftliche Methode, deren Wirksamkeit belegt ist. Die Umstellung war für mein Körpergefühl und für meine Selbstbestimmung ein ganz großer Schritt.

 

Voraussetzung ist aber, sich sehr gut mit den körperlichen Funktionen und dem persönlichen Zyklus auszukennen. Zudem verändert sich der Zyklus im Laufe des Lebens. Ist NFP auch für ältere Frauen ratsam?

Ich selbst bin Jahrgang 1990. Durchschnittlich ab etwa Mitte 40 kommen viele Frauen in die Perimenopause (Anmerkung der Redaktion: das sind die Jahre, die man vor der letzten Regelblutung bezeichnet). Dann kommt es häufiger zu frühen Eisprüngen, doppelten Eisprüngen und unregelmäßigen Zyklen. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen dann unfruchtbar sind. Also macht die NFP auch bei unregelmäßigen Zyklen Sinn, denn man beobachtet jeden Zyklus aufs Neue. Man trifft keine Vorhersagen, sondern bestätigt anhand der Körperzeichen, wann der Eisprung stattgefunden hat und die unfruchtbare Zyklusphase beginnt.

 

Es ist es zum Teil erschreckend zu sehen, wie wenig über den weiblichen Zyklus allgemein bekannt ist. Beispielsweise wird das oft deutlich, wenn Paare einen Kinderwunsch haben – und überhaupt nicht wissen, wann die fruchtbaren Tage sind. Auch wird die Periode noch immer nicht automatisch bei der medizinischen Anamnese mitgedacht. Wie ist Ihr Eindruck: Wie gut sind wir informiert?

Ich glaube, gesamtgesellschaftlich sind wir immer noch ziemlich uninformiert. Immerhin gibt es inzwischen ein generelles Bewusstsein darüber, dass es da etwas gibt, das uns beeinflusst: psychisch, emotional, in Bezug auf Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit usw. In vielen Ländern wachsen aktuell das Verständnis und der Diskurs über zyklische Veränderungen und Hormone. Mein Eindruck ist, dass das Thema Periode allerdings immer noch eher beschwerdefokussiert angegangen wird. Es ist sehr wichtig, dass zum Beispiel über Erkrankungen, die mit dem Zyklus zusammenhängen, wie Endometriose (Öffnet in neuem Fenster) oder andere, gesprochen wird. Aber auch über die Chancen und Vorteile des Zyklus, zum Beispiel die energiereiche Eisprungphase, sollten wir sprechen. In Gesprächen merke ich immer wieder: Es ist wenig konkretes Verständnis da. 

 

Dabei bedeutet, den Zyklus genau zu kennen nicht nur, den eigenen Körper mit all seinen Funktionen und auch emotionalen und psychischen Herausforderungen beispielsweise während der prämenstruellen Phase richtig deuten zu können, sondern sogar – wie Sie sagen –, besseren Sex haben zu können. Wie hängt das zusammen?

Beim Thema Fruchtbarkeit ist der Zusammenhang zwischen Menstruationszyklus und Sex allen klar. Doch das ist nur eine Facette. Es ist ganz normal, sich innerhalb des Eisprungs tendenziell aktiver und eben auch sinnlicher, begehrenswerter und sexuell interessierter zu fühlen. In der Phase danach, wenn es wieder Richtung Menstruation geht, brauchen viele Frauen ein bisschen mehr Rückzug. Außerdem gibt es ganz klare körperliche Veränderungen: Der Muttermund steht je nach Zyklusphase mal höher und mal tiefer in der Vagina, was sich bei manchen Stellungen auswirken kann. Die Empfindlichkeit der Brüste und die vaginale Feuchtigkeit verändern sich ebenso. Wer das alles weiß, kann besser auf sich selbst eingehen, liebevoll und achtsam mit sich sein und hat vielleicht nicht immer so hohe Leistungsansprüche an sich selbst. Das kann eine wirkliche Bereicherung sein.

Mit einem guten Körpergefühl und wenn ich meinen Zyklus bewusst wahrnehme, habe ich besseren Sex. Wer seinen Zyklus kennt, schämt sich nicht für ganz normale körperlichen Funktionen. Viele Frauen haben Ekel oder Unsicherheiten, das höre ich immer wieder in meinen Beratungen. Dabei sind beispielsweise der sich stets verändernde Zervixschleim und die Feuchtigkeit der Vagina etwas sehr Gutes, auch für die Sexualität. Wer weiß, wozu etwas gut ist, erkennt den Sinn und Wert darin, warum sich der Körper so verhält, empfindet es nicht als eklig oder nervig. Offen mit Partner oder Partnerin darüber zu kommunizieren ist wichtig, auch um selbst mehr genießen zu können. 

 

Das heißt also, der*die Partner*in sollte beim „Zyklus-Studium“ unbedingt mit einbezogen werden? 

Unter der Voraussetzung, dass sich beide bereit dazu fühlen: absolut. Zum Beispiel auch, wenn mir in bestimmten Zyklusphasen einfach nicht nach Sex ist. Je sicherer und wohler wir uns fühlen und das auch ausdrücken, desto besser wird der Sex. Beispielsweise auch beim Thema Sex während der Periode. Wer sich auskennt, weiß, dass das nicht gesundheitsgefährdend ist, und kann entscheiden, welche Periodenprodukte und Praktiken am besten für einen funktionieren. Wer Bescheid weiß, kann auch mit einer Verhütungspanne besser umgehen. Wenn beispielsweise das Kondom platzt, kann ich dank NFP sehen, ob ich die Pille oder Spirale danach benötige oder ob ich gerade in einer unfruchtbaren Phase bin. Solche praktischen Freiheiten und das Körpergefühl führen zu besserem Sex. Ich weiß von etlichen Partnern, die mittlerweile so feine Antennen haben, die genau wissen, in welcher Zyklusphase sich die Partnerin gerade befindet. Das verbindet in einer Beziehung. 

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