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Mittwinter

Wie lässt sich die dunkelste Zeit des Jahres begehen? Und wie lässt sich die mittwinterliche Aufforderung zur Einkehr annehmen? Einige Gedanken vor der Weihnachtspause

Dear all,

seit ein paar Tagen versuche ich, einige Dinge, die in diesem seltsam bewegten und herausfordernden Jahr liegengeblieben sind, in Ordnung zu bringen. Ich lese die Leser*innenpost, die sich auf dem Schreibtisch gestapelt hat, sortiere die Bücher, die sich vor dem Regal häufen, und schaue, welche von ihnen ich behalten möchte. Ich beantworte Emails, die ich schon lange beantworten wollte, stelle ein paar Gegenstände bei den Kleinanzeigen ein, die ich nicht mehr brauche, öffne die Beileidsbriefe, die seit April unberührt in einer Schublade liegen. Das ist nicht immer ein einfacher Prozess, weil ich merke, dass im vergangenen Jahr auch innerlich viel liegen geblieben ist. Wie könnte es auch anders sein.

Doch das ist natürlich nur die eine Seite. Ich hänge auch altmodische englische Papiergirlanden vor die Fenster, fülle eine Vase mit rosa Amaryllis und Eukalyptuszweigen, stelle ein paar Hyazinthentöpfe auf den Schreibtisch, kaufe einen Weihnachtsbaum, schreibe Weihnachtskarten und bringe eine Lichterkette am großen Bambus auf der Terrasse an, deren abendliches Licht mich immer ein wenig beruhigt und glücklich macht.

All das schreibe ich euch, weil ich glaube, dass wir diese Zeit des Jahres, die dunkelste Zeit, bewusst begehen sollten, jenseits aller Advents- und Weihnachtszelebrationen. Die Gefühle von Ende und Neuanfang liegen nie näher beieinander als in diesen Wochen. Es kann eine Zeit des Innehaltens sein, eine Zeit des Erinnerns, des innerlichen und auch des ganz praktischen Aussortierens, eine Zeit der Auseinandersetzung mit den Toten in unserem Leben und der Selbstbefragung, ob wir, die noch leben, unser Leben wirklich so gestalten wollen, wie wir es gestalten.

Wie jedes Jahr bin ich natürlich versucht, all diese Gefühle, Gedanken und Erinnerungen beiseite zu schieben und lieber noch so viel Arbeit wie möglich zu erledigen, einige Projekte zu beenden, einfach weiter- und durchzuarbeiten. Es fühlt sich nie gut oder richtig an, das zu tun. Ich habe es schon oft gemacht und mich dabei immer schlecht gefühlt. Deshalb auch die Entscheidung, mir dieses Jahr ganz bewusst den Raum zu geben, um mich all diesen Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen zu stellen. Mal schauen, was dabei herauskommt.

„Dear Daniel“ wird für die nächsten drei Wochen eine kleine Mittwinter-Pause machen. Am 08.01. geht es an dieser Stelle weiter, und vielleicht kann ich euch dann berichten, was in dieser Zeit des In-mich-Gehens geschehen ist. Ich freue mich drauf und möchte euch auch einen ganz, ganz herzlichen Dank aussprechen – für eure oft sehr berührenden Fragen, für eure Reaktionen, dafür dass ihr dabei seid und diesen Newsletter lest und unterstützt. Das bedeutet mir viel. Wahnsinnig viel.

Ich wünsche euch allen einen guten Mittwinter und dass es euch gelingt, dessen Einladung zur Einkehr anzunehmen, in welchem Rahmen auch immer es euch möglich ist. Habt natürlich auch ganz herrliche Feiertage, feiert ein rauschendes Fest und genießt die Zeit zwischen den Jahren, kommt gut ins neue Jahr … aber vielleicht ist es auch noch zu früh, all das zu wünschen. Erstmal wünsche ich euch, dass ihr gut durch diese dunkle und stellenweise trotzdem irgendwie schöne Zeit kommt.

Alles Liebe, Daniel

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