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Warum du unter Druck unkreativ bist

Du liest Das Leben des Brain und damit alles, was du übers Gehirn wissen solltest. Heute: Was ein Säbelzahntiger damit zu tun hatte, wenn du im Matheunterricht einen Blackout hattest.

Ich habe es letzte Woche schon gesagt: Das Gehirn funktioniert eigentlich wie ein Weihnachtsmarkt im Winter: Je öfter Menschen durch den Schnee stapfen, desto eher entsteht ein Trampelpfad, den auch die anderen Besucher:innen benutzen. Fürs Gehirn heißt das: Je öfter ein Signal von einer Nervenzelle zur anderen wandert, desto besser wird ihre Verbindung und desto eher nutzen neue Signale diese Verbindung auch. Kurz: Wir lernen.

Aber nochmal konkret: Wie schaffen es ein paar Neuronen mit chemischen und elektrischen Signalen, dass du lernst, was „Lieblingswein“ auf Italienisch heißt?

Wissenschaftler:innen hatten mal die Theorie, dass jedes Neuron für etwas ganz Bestimmtes steht. Zum Beispiel für deine Großmutter. (Deshalb nannte man diese Idee auch Großmutterneuron.) Immer, wenn du sie siehst, so die Idee, wird dieses eine Neuron aktiviert. Mittlerweile weiß man: Das stimmt so nicht ganz. Ein einziges Neuron kann diese Arbeit nicht leisten. Wenn du das Wort Großmutter hörst, wird vielmehr ein ganzes Netzwerk an Neuronen aktiviert, und zwar in einem ganz bestimmten räumlichen und sogar zeitlichen Muster.

Das kannst du dir vorstellen wie eine Laoloa-Welle im Fußballstation. Ein einzelner Fan ist noch keine Welle. Und wenn alle gleichzeitig ihre Hände hochreißen, ist es eher eine Wand als eine Welle. Zu einer Laola wird es erst, wenn ausreichend Fans genau zur richtigen Zeit ihre Hände in die Luft werfen.

Solche neuronalen Netze können alles Mögliche repräsentieren, zum Beispiel  deine Hand oder dein Bein. Deshalb könnte man bei einer Operation einen ganz bestimmten Teil deines Gehirns elektrisch stimulieren, und du würdest ein Kribbeln im Arm spüren. Stimuliert man ein paar Millimeter weiter links, kribbelt deine Hand. So haben Forscher:innen herausgefunden, dass es in deinem Gehirn eine Art Karte deines Körpers gibt. Nennt man „Kortikalen Homunkulus“ und sieht so aus:

Quelle: Wikimedia (Öffnet in neuem Fenster). Die Hand, der Mund und die Zunge sind deshalb so groß, weil für diese Körperregionen besonders viele Nervenzellen zuständig sind. Logisch: Diese Regionen müssen besonders sensibel sein, besonders feinfühlig. 

Wenn du also das italienische Wort für „Lieblingswein“ lernen willst, musst du dem neuronalen Netz, das bisher aktiviert wird, wenn du das deutsche Wort hörst, noch die italienische Übersetzung hinzufügen. Je öfter du das machst, desto stärker wird die Verbindung zwischen den Neuronen, und desto besser kannst du dir die Vokabel merken. (Lieblingswein heißt auf Italienisch übrigens „vino preferito“ und meiner ist derzeit der solide Primitivo, schmeckt irgendwie immer.)

Wenn du etwas lernen willst: Hab keine Angst!

Das neuronale Netz wird übrigens nicht nur aktiviert, wenn du das Wort hörst, sondern auch, wenn du daran denkst oder dich an eine bestimmte Situation erinnerst. Und wenn du bei einem guten Glas Primitivo deine große Liebe kennengelernt hast, werden die positiven Emotionen gleich mit abgerufen, wenn du das nächste Mal ein Glas trinkst. Denn auch diese Emotionen gehören mit zum neuronalen Netz des Wortes „Lieblingswein“. 

Dein Gehirn merkt sich allerdings auch, wenn du negative Emotionen mit etwas verbindest, das du lernen möchtest: Angst, Ärger, Trauer. Hattest du schon mal einen richtigen Blackout? Vielleicht hast du eine gefühlte Ewigkeit für einen Test gelernt, doch während des Tests: alles weg. Du konntest die Aufgaben nicht mehr lösen, keine spannenden Geschichten mehr schreiben – du warst nicht du selbst. Oder standest du als Schüler:in mal an der Tafel und konntest eine Aufgabe nicht mehr lösen, die zu Hause kein Problem war?

Nun, ich kann nicht in dich hineinschauen, aber vielleicht hatte das plötzliche Blackout etwas mit einer besonders negativen Emotion zu tun, mit Angst (dich zu blamieren oder eine schlechte Note zu bekommen). Angst ist wahrscheinlich das Schlimmste, was einem lernenden Gehirn passieren kann – zumindest, wenn du später mit dem Gelernten mal kreativ umgehen willst. 

Denn Angst blockiert das Arbeitsgedächtnis. Den Grund dafür finden wir bei unseren Vorfahren. Wenn einer deiner Vorfahren einen Säbelzahntiger sah, reagierte sein Gehirn heftig: Angst! Flucht! Oje! Die Muskeln zogen sich zusammen, der Blutdruck stieg an, dafür braucht das Gehirn viel Energie. Angst killt Kreativität, damit der Tiger dich nicht killt. Denn derjenige, der beim Anblick eines Säbelzahntigers erstmal kreative Lösungsmöglichkeiten gesucht hat, gehört nicht zu deinen Vorfahren.

Wow! Mittlerweile sind schon 29 echte (bzw. zahlende) Brains unter euch! Danke an Kristina, Robert, Andrea, Cornelia, Susanne, Katja, Gerald, Marika, Kay, Bollo, Marie, Rainer, Thomas, Jochen, Oliver, Miriam, Birte, Lucky und Luise, die in dieser Woche dazugekommen sind! 

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Kategorie Wie das Gehirn lernt

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