Was in deinem Gehirn passiert, wenn du betrunken bist
Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute: wie Alkohol dein Gehirn verändert, bereits mit dem ersten Schluck.
Vor einem Jahr habe ich es zum ersten Mal gemacht: einen ganzen Monat lang auf Alkohol verzichtet. Mir fiel das nicht besonders schwer. Aber es gab nervige Momente. Zum Beispiel, als meine Mitbewohnerin in einer Kneipe ihren Geburtstag gefeiert hat und ich nach dem dritten zuckerhaltigen Getränk irgendwie nicht in Stimmung kam und übersüßt nach Hause ging.
Vor ein paar Wochen habe ich überlegt, ob ich den Dry January dieses Jahr wieder durchziehe. Ich wollte sowieso für Das Leben des Brain recherchieren, was im Gehirn passiert, wenn wir Alkohol trinken.
Und was soll ich sagen: Die Recherche wirkt. Ihr empfangt diese erste Ausgbabe meiner kleinen Alkohol-Serie am sechsten Tag meines Dry Januarys. Wir folgen heute dem Alkohol vom Bierglas ins Gehirn und gucken, wie genau er es schafft, uns betrunken zu machen.
Klar ist: Alkohol stört unsere Wahrnehmung, unser Gedächtnis, unsere Fähigkeit, uns zu bewegen (zum Beispiel zu gehen, ohne irgendwo gegen zu laufen 😵💫). Was genau passiert dabei im Gehirn?
Wie der Alkohol ins Gehirn kommt
Nehmen wir an, du sitzt neben einem Kumpel in einer Kneipe. Es gibt helles Gezapftes (Hausmarke, lecker) für dich, und deine Begleitung bestellt sich einen Apérol Spritz. Ihr stoßt an, auf irgendetwas Belangloses. Und los geht die Reise.
Alkohol landet erstmal im Magen. Von dort aus gelangt es ins Blut, aber nicht immer gleich gut. Wenn du vorher ordentlich gegessen hast, gelangt weniger Alkohol ins Blut, weshalb wir tatsächlich auch weniger bzw. langsamer betrunken werden. Vom Blut aus gelangt der Alkohol in die Organe, vor allem in die beiden Organe, die am stärksten durchblutet werden: die Leber und das Gehirn, in dieser Reihenfolge. Die Leber ist ziemlich damit beschäftigt, ihre Enzyme auf die Alkoholmoleküle zu werfen, um das Gift loszuwerden. Sie kommt aber meistens nicht hinterher, deshalb gelangt auch etwas ins Gehirn.
Was der Alkohol im Gehirn so treibt
Erstmal passiert etwas Schönes, wenn wir trinken: Der Dopaminspiegel im sogenannten Nucleus accumbens steigt (Öffnet in neuem Fenster). Dieser ist Teil des Belohnungssystems im Gehirn und der Neurotransmitter Dopamin sorgt dafür, dass wir uns nach dem ersten Bier super fühlen; glücklicher, motivierter, mit einem gesteigerten Selbstwertgefühl. Tiptop.
Es passiert aber noch viel mehr. Wie schon öfter erwähnt (Öffnet in neuem Fenster), besteht unser Gehirn aus wahnsinnig vielen Nervenzellen (oder: Neuronen, 86 Milliarden an der Zahl) und noch deutlich mehr Verbindungen zwischen diesen (oder: Synapsen, jeweils ca. 10.000). Wie diese Nervenzellen miteinander kommunizieren, bestimmt so ziemlich über alles, was wir als Menschen können.
Unsere Neuronen können entweder erregt werden – oder gehemmt. Erregte Neuronen sorgen dafür, dass ein elektrisches Signal wahrscheinlich auch im nächsten Neuron auftritt. Vereinfacht gesagt: dass es der nächsten Nervenzelle Bescheid sagt.
Gehemmte Neuronen machen genau das Gegenteil: kommt ein Signal, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die nächste Nervenzelle aktiviert wird. Die Balance zwischen dieser Erregung und Hemmung ist wichtig, auch da: für so ziemlich alles, was uns ausmacht.
Alkohol sorgt dafür, dass diese Balance ins Straucheln gerät. Wie Betrunkene (sorry).
Denn Alkohol macht sich an etwas zu schaffen, dass darüber entscheidet, ob Neuronen erregt oder gehemmt werden: an den sogenannten Neurotransmittern. Das sind chemische Botenstoffe, die Signale zwischen den Gehirnzellen übertragen und so Informationen durch den Körper schicken. Davon gibt es so einige (wie oben schon erwähnt, auch Dopamin), die beiden wichtigsten für uns heute sind GABA und Glutamat.
Was im Gehirn passiert, wenn wir betrunken sind
Also: Wie genau schafft es der Alkohol mithilfe von Neurotransmittern, dass wir plötzlich lallen, Schlangenlinien laufen oder dem Gespräch nicht mehr folgen können? Ich erklär es so, dass du es beim nächsten Bier deinem Kumpel erklären könntest.
Alkohol erhöht die Aktivität von sogenannten GABA-Rezeptoren. Diese Rezeptoren haben eine hemmende Wirkung auf Nervenzellen. Sie lassen nämlich negativ geladene Ionen von außen in die Zelle. Durch Alkohol deutlich mehr, als sie es sonst tun würden. Dadurch werden Neuronen innen negativer und reagieren somit weniger auf Stimuli, als sie es eigentlich würden.
Das reicht dem Alkohol aber noch nicht. Gleichzeitig behindert er Glutamat-Rezeptoren, die normalerweise positiv geladene Ionen in die Zellen lassen und sie so eigentlich erregen. Auch dadurch werden Zellen innen negativer als sie es eigentlich wären.
Durch beides sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein ankommendes Signal an die nächste Nervenzelle weitergeleitet wird. Wie gesagt: Neurotransmitter schicken Informationen durch deinen Kopf. Und das nicht nur in einer bestimmten Region, sondern praktisch überall. Für ein Gehirn, dessen Grundlage das Weiterleiten von Signalen ist, ist es ein Problem, wenn dieses Weiterleiten plötzlich ausgebremst wird. Das ist dann so, als würde dein Auto im Feierabendverkehr von jetzt auf gleich nur noch 20 km/h fahren. Du kommst zwar vorwärts. Aber alle (Nüchternen) um dich herum sind viel schneller.
Die konkreten Folgen: Du fühlst weniger, du nimmst deine Umwelt schlechter bzw. langsamer wahr (versuch mal nach ein paar Bier Tischtennis zu spielen), du kannst dich schlechter konzentrieren (was hat der Typ da gesagt?) und du erinnerst dich schlechter. Kurz: du bist betrunken. Und das manchmal so sehr, dass du am nächsten Morgen nicht mehr weißt, wie du eigentlich nach Hause gekommen bist. Du hast einen Blackout. Wie genau es dazu kommt – darum geht es in der nächsten Ausgabe (Öffnet in neuem Fenster).
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