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Der beißende Gestank der Untoten

Heute geht es in unserem Kommunikationsbereich darum, was Dinos und Zombies mit Rassismus zu tun haben und wieso virale Videos für die Gezeigten ungeil sind. 

Heute vor 13 Jahren erreichte ein Team aus Wissenschaftler:innen und Spezialeinsatzkräften einen prähistorischen Dschungel (Öffnet in neuem Fenster) im mittleren Westen der USA. Rasch überschlagen sich die Ereignissee, als ein T-Rex das Camp angreift. Zwei der Menschen stürzen einen Abgrund herunter und finden sich zwischen blutrünstigen Raptoren und wuchernden Lianen wieder. So beginnt das Abenteuer von Dino Crisis 2 (Öffnet in neuem Fenster).

Wo sind die Dinos geblieben?

Wenn du schonmal etwas von mir gelesen oder gehört hast, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dabei "Dino Crisis" fiel. Dabei handelt es sich um eine Spiel-Trilogie, die ab 1999 von Capcom veröffentlicht wurde. Der Publisher feierte 1996 seinen Erfolg mit Resident Evil, das ab 2002 eine populäre, wenn auch ungleich angesehene Reihe an Filmadaptionen erhielt. Diese Ehre wurde Dino Crisis nicht zuteil, was ich persönlich nicht verstehen kann.

Der Grund für die Popularität von Zombies anstelle von Dinosauriern liegt auf der Hand: Dinosaurier in der Popkultur kennen nur die Unterteilung in gutmütige, riesige Pflanzenfresser (als Gegner irrelevant), bösartige und schnelle Raptoren (dein 08/15 Standardgegner) und exakt einen T-Rex pro Geschichte – ich beschuldige Jurassic Park (Öffnet in neuem Fenster). Das ist lame, damit kann man auf Dauer nicht viel machen. Einer der neueren Jurassic Park-Filme versuchte eine Dompteur-Nummer daraus zu spinnen, aber das fand ich wenig überzeugend, ebenso wie das nervige Meme (Öffnet in neuem Fenster), das daraus entstand. 

Screenshot aus Dino Crisis 2. Er zeigt das Inventar, in dem gerade die Nagelpistole ausgewählt wird.

(Dino Crisis 2)

Zombies hingegen, das sind nicht nur Allesfresser, sondern auch Alleskönner! Jede Geschichte kann entsprechend der Bedürfnisse umgeschrieben werden. Sollte plötzlich ein schnellerer, gerissener Jäger gesucht werden, findet sich sicher noch eine Ampulle (Öffnet in neuem Fenster)in irgendeinem Labor, die alles bisherige mutieren lässt. Es gab eine Zeit in meiner Wahrnehmung, da waren Zombies überall. Sie haben jede Pore der Popkultur penetriert und sich verbreitet wie der Gestank eines Pupses in einem geschlossenen Raum. 

Der schöne Nebeneffekt von Zombies ist, dass man mit ihnen menschliche Abgründe erkunden kann. Während zum Beispiel Dinosaurier tierähnliche Bestien bleiben, kann jeder 2. Artikel über eine Zombieproduktion mit "Der Mensch ist das Monster" betitelt werden. Leider scheinen die meisten Darstellungen des Zombies auf genau das reduziert zu werden. Losgelöst von jeglichen historischen Kontexten und meist Symbol einer apokalyptischen, westlichen Welt, sind Zombies heute erschreckend eindimensional.

Zombies und die Angst vor Anderem

Weitaus relevanter als küchenpsychologische Ansätze sind die Ursprüge des Zombie-Mythos. Schon im 18. Jahrhundert taucht der Begriff auf und zwar in Haiti (Öffnet in neuem Fenster). Damals unter französischer Herrschaft war Haiti ein Nexus des transatlantischen Sklavenhandels. Die Selbstzuschreibung "Zombie" beschrieb den Zustand der Sklaven dort, die aus Afrika verschleppt wurden, um auf Plantagen auf der anderen Seite des Atlantik zu arbeiten.

Andere setzen den Ursprung des Zombies mit Voodoo (Öffnet in neuem Fenster)in Zusammenhang, speziell mit dessen Wahrnehmung durch weiße Unterdrücker:innen. Gefangen im eigenen Körper, (Öffnet in neuem Fenster) der gefangen gehalten und versklavt wird.

In Darstellungen der Haitianischen Revolution (1791-1804) und auch später während der Besetzung durch die USA (1915-1934) wandelte sich das Narrativ des Zombies zu einem neo-kolonialen Bild (Öffnet in neuem Fenster) eines machtlosen Körpers (Öffnet in neuem Fenster), der Befehle empfängt. Der Zombie als Instrument, Kolonialismus noch einmal zu beleben. 

Gemälde "Dessalines Ripping the White from the Flag" von Madsen Mompremier, Darstellung der Revolution in Haiti

(Madsen Mompremier, Dessalines Ripping the White from the Flag, 1995)

Passenderweise waren die USA schon immer groß in Untergangsvisionen. Spannenderweise immer nur der Untergang dessen, was man selbst ist, darstellt oder als richtig erachtet. Andere zählen nicht (Öffnet in neuem Fenster). Es gibt ein ganzes Genre dazu, American Jeremiad (Öffnet in neuem Fenster). Es geht um den Untergang der glorreichen Zivilisation Amerikas, die doch ein so strahlendes Beispiel (Öffnet in neuem Fenster) für die Welt sein wollte. 

Der Zombie ist eine Metapher für all die Ängste dieser schönen neuen Welt: rassistische und koloniale Ängste, die Angst vor dem Verlust des freien Willens, die Angst vor Anderem (Öffnet in neuem Fenster) und dass dieses Andere sich verbreitet. Von hier ist es nicht weit zu Verschwörungsmythen der rechten Szene (Öffnet in neuem Fenster).  

Kurzer Werbeblock

Ich war angeln! Aber nur virtuell. Bei OK Cool sprach ich mit Dom Schott über Angel-Minispiele (Öffnet in neuem Fenster) und wagte dafür einen Deep Dive in die Welt der Fischerei mit Rute und Schnur. Ich interviewte eine Anglerin (meine Mama <3) und einen Angler, spielte Final Fantasy 15 und Dredge und recherchierte, was man z.B. für einen Anglerschein braucht und ob Fische Schmerz empfinden.

Screenshot von Dredge: Ein Boot auf dem Meer

Wer sich irl Schönes ansehen möchte, kann METROpolis - Fotobilder von Götz Diergarten (Öffnet in neuem Fenster) besuchen. Im Rahmen des Hamburger Architektur Sommers zeigt die Ausstellung unterirdische Stationen aus der ganzen Welt. Eröffnung ist am 11. Mai um 18:30 Uhr in der Handelskammer Hamburg. Dort hängen die Bilder bis Ende Juni. Eintritt frei.

Kann man auch ideal mit dem 13. Hamburger Mediensymposium (Öffnet in neuem Fenster) verbinden, bei dem es am 30. Mai ab 13:30 Uhr ebenfalls in der Kammer um Einfluss und Verantwortung von Social Media Content Creators geht. Auch hier ist der Eintritt frei.

Foto von Götz Diergarten. Zeigt eine orangene Wand mit weißer Plakatfläche in einer Brüsseler Ubahn Station.

(o.T.2 (Brüssel-Delta) © Götz Diergarten)

Dass Dinos mit diesem Konvolut an Interpretationsmöglichkeiten nicht mithalten können, versteht sich von selbst. Im Grunde sind Dinosaurier nach einem kurzen Revival in der Popkultur direkt nochmal ausgestorben. 

Der Begriff des Zombies sickert derweil beharrlich durch Schichten unserer Gesellschaft. Zombie Formalism (Öffnet in neuem Fenster) zum Beispiel ist eine Kunstbewegung, die Kunst für die Massen und den Markt macht. Stilistisch nah an Minimalismus und Expressionismus, ist es eine Reaktion auf den durchkapitalisierten Kunstmarkt (Öffnet in neuem Fenster).

Angebot und Nachfrage regieren eben auch die schönen Künste. Dabei haben Geld und Kunst nicht erst seit gestern eine enge Beziehung. Wer schreiben oder malen wollte, brauchte schon vor 500 Jahren jemanden, der das Ganze bezahlte und mit seinem Namen dafür stand (Öffnet in neuem Fenster)

Das führt zu so spannenden Fragen wie: Was ist Kunst? Kann Kunst frei sein? Wer bestimmt, was Kunst ist und was entsprechend wertvoll ist? Wer sich weiter damit beschäftigen mag, dem seien Art Bust (Öffnet in neuem Fenster) und Mona Lisas Lächeln (Öffnet in neuem Fenster) empfohlen. In der brandaktuellen Folge von Lost Levels (Öffnet in neuem Fenster) geht es unter anderem um Passpartout 2 und wie politisch die Message eines Spiels sein muss, wie man obdachlose Künstler:innen darstellen möchte und den Unterschied zwischen Kunst und Werbung. Wir widmen uns derweil Internetkunst: Memes. 

Was ist, wenn du im Internet Erfolg hast?

Und Erfolg ist natürlich relativ. Denn dass deinen Content Tausende sehen, bedeutet nicht zwangsläufig Glück und Reichtum. Das heutige Meme der Woche ist das Angry German Kid und dieser spannende Beitrag zu seiner Geschichte:

https://www.youtube.com/watch?v=h4_n67-2bm4&ab_channel=ZAPP-DasMedienmagazin (Öffnet in neuem Fenster)

Und es werden hier einige wichtige Fragen angerissen. 

1) Wie erkennen wir, was echt ist und was nicht? Wie gehen wir damit um? 

Johannes Franzen schrieb in seinem empfehlenswerten Newsletter Kultur und Kontroverse (Öffnet in neuem Fenster) über Fake News und die Angst vor KI-Bildern: 

Fälschungen, Fake News, Manipulationen, politische Lügen - all das hat es schon immer gegeben. Ihr Erfolg ist dabei selten von der Brillanz medialer Gestaltung abhängig, sondern davon, wie hoch die Nachfrage nach einem bestimmten Faktum ist.

Hashtag Fact GIF - Fact Facts Khloe Kardashian GIFs

2) Was passiert mit den Bildern und Videos, die wir ins Internet hochladen? Was passiert, wenn andere etwas von uns hochladen?

Hier ist die fünfteilige Reihe Cui Bono: Wer hat Angst vorm Drachenlord (Öffnet in neuem Fenster) spannend. Der Podcast hat etwas unangenehm voyeuristisches, kriegt meistens dennoch die Kurve.

Euch sei gedankt! 

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Wir sehen uns beim nächsten Mal, haltet die Ohren steif.

Eure Christina

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