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Buchkolumne Literaturnewsletter 04/2023

Liebe Leser*innen,

viele von Ihnen begleiten diesen Newsletter nun schon einige Jahre und auf einmal ist etwas anders. Ich bin mit Ihnen vom amerikanischen Anbieter Mailchimp zum deutschen Angebot Steady gewechselt und damit in ein kulturell gut besetztes Viertel gezogen. Hier schreiben in direkter Nachbarschaft zum Beispiel Teresa Bücker (Öffnet in neuem Fenster), Nils Minkmar (Öffnet in neuem Fenster) und Sibylle Berg (Öffnet in neuem Fenster). Das hat den Vorteil, dass mein Köfferchen mit Ihren Daten nun in Deutschland steht, es einen herausragenden Service gibt und Sie zudem, wenn Sie denn möchten, den Newsletter auch mit einer monatlichen oder jährlichen Zahlung (Öffnet in neuem Fenster) abonnieren können. Je mehr das tun, desto mehr Angebote können damit realisiert werden. Vielen Dank an dieser Stelle an die, die das sofort genutzt haben. Wie bei allen Umzügen muss man sich erst ein bisschen einwohnen, es sieht ein wenig anders aus und fühlt sich anders an. Aber keine Sorge, ich bleibe konsequent literarisch - hier die aktuellen Neuigkeiten & Empfehlungen aus dem Literaturbetrieb: 

Save the Date! Am kommenden Samstag, 25.3., ist Indiebookday 2023 (Öffnet in neuem Fenster). Jährlich feiern an diesem Tag Buchhändler*innen, Blogger*innen und Leser*innen Literatur aus unabhängigen Verlagen d.h. die nicht einem Konzern angehören. Diese haben meist ein weit kleineres Marketingbudget und nicht die Vertriebsstärke der großen Unternehmen - bieten aber ebenso kluge, spannende, unterhaltsame Bücher. Initiiert wurde dieser Tag vor zehn Jahren von Hamburger mairisch Verlag, mitmachen kann man offline sowie online über den Hashtag #Indiebookday. Eine Übersicht vieler deutschsprachiger Indie-Verlage gibt es auf der Webseite der Hotlist (Öffnet in neuem Fenster) - dort warten auch ausgezeichnete Bücher aus eben diesen Häusern.
Indie-Buchtipps: "Leonard und Paul" (Woywod & Meurer (Öffnet in neuem Fenster)) + "Es ging immer nur um Liebe" (mairisch (Öffnet in neuem Fenster)) + "Ein strahlendes Licht" (AKI Verlag (Öffnet in neuem Fenster))

Cancel Culture: Weiterhin wird diskutiert, wann Sprache Grenzen überschreitet, weiterhin werden ihr deswegen Mauern gebaut. Dies gilt vor allen Dingen für die USA: Disney nimmt Comics aus dem Programm (Öffnet in neuem Fenster), die nicht mehr ihren Werten entsprechen + Ian Fleming Publications entfernt rassistische Wörter (Öffnet in neuem Fenster) aus James Bond Romanen  + Zeitungen nehmen die berühmten Dilbert-Comics (Öffnet in neuem Fenster) aufgrund diskriminierender Aussagen des Autors Scott Adams aus ihren Publikationen + Bibliotheken & Schulen suchen Alternativen, um die neuerdings in manchen Bundesstaaten (Öffnet in neuem Fenster) nicht mehr per Ausleihe verfügbaren Bücher wie "Fahrenheit 451" (Öffnet in neuem Fenster) anzubieten +

Sollte grundsätzlich alles geschrieben und veröffentlicht werden dürfen? Wann und wie trennen wir Kunst von den Künstler*innen? Im Hanser Verlag ist dazu gerade ein sehr lesenswerter Band erschienen. In "Canceln - ein notwendiger Streit" (Öffnet in neuem Fenster) nähern sich Intellektuelle wie Iljoma Mangold, Asal Dardan, Mithu Sanyal, Jürgen Kaube uvm. dem Thema an.

Bereits 2020 erschienen ist "Sprache und Sein" (Öffnet in neuem Fenster) von Kübra Gümüsay, die darin die sinnvolle Nutzung von diverser, achtsamer und respektvoller Kommunikation erklärt und in diesem Jahr Keynote-Speakerin (Öffnet in neuem Fenster) auf der re:publica 23 ist. Sie dreht, ähnlich wie die Dichterin Amanda Gorman, die Fragestellung um. Was und wen wollen wir mit Literatur erreichen? Welche Stimmen wollen wir hören?  Wie kann unsere Sprache ein Begleit- & Fördermittel für eine starke, soziale Gesellschaft werden und sein? 

Der Deutsche Hörbuchpreis 2023 wurde (für Erscheinungen im Jahr 2022) vergeben. Auf der Webseite zum Preis (Öffnet in neuem Fenster) kann man (leider nur für die Preisträger*innen und nicht für alle nominierten Titel) in die jeweiligen Hörbücher, Hörspiele und Podcasts hineinhören.

Die Nominierungsliste (Öffnet in neuem Fenster) für den The International Booker Prize 2023 wurde veröffentlicht und mit dabei sind zwei Deutsche. Jetzt gilt es die Daumen zu drücken für Clemens Meyer und seine Übersetzerin Katy Derbyshire sowie den dazugehörigen Roman "Als wir träumten" (Öffnet in neuem Fenster) (in Deutschland bereits 2007 veröffentlicht) bzw. "While we were dreaming" (VÖ September 2023).

Ausgezeichnet wurde auch die 9-jährige Anastasia. Sie floh mit ihrer Familie aus dem russischen Krieg in der Ukraine und nahm in Oldenburg an einem Lesewettbewerb teil. Die Besonderheit: sie hat hier nicht nur gut Hoch-, sondern vor allen Dingen herausragendes Plattdeutsch gelernt, so dass sie dafür den ersten Preis bekam (Öffnet in neuem Fenster). Hartlich allens Gode, Anastasia!

Ebenfalls herzlichen Glückwunsch auch an die Kulturjournalistin Jutta Person, die für ihre Arbeit den diesjährigen Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik (Öffnet in neuem Fenster) erhält. Die Begründung: "Mit Leichtigkeit kann sie Romane, die sich einer Beschreibung fast entziehen, vor dem Auge der Lesenden skizzieren, die Erzählstruktur offenlegen und den Blick auf Details richten, die bei flüchtiger Lektüre entgehen."

Buchverlosung: Letzte Woche sprach ich für LitLounge.de (Öffnet in neuem Fenster) mit der Neurowissenschaftlerin Dr. Karolien Notebaert, die in ihrem Bestseller "Drei Tage, zwei Frauen, ein Affe und der Sinn des Lebens" (Öffnet in neuem Fenster) (nicht nur optisch ähnlich den Bücher von John Strelecky) über eine Reise mit ihrer Tochter und gemeinsame Gespräche über Selbstverwirklichung schreibt: Videointerview (Öffnet in neuem Fenster)
In Kooperation mit dem Heyne Verlag verlose ich drei Exemplare des Buches unter allen Newsletterabonnent*innen. Antworten Sie mir einfach bis So, 26.03.23 um 12 Uhr auf diese E-Mail!

Twitteratur! Thomas Mann (1875-1955) ist den meisten Lesenden aufgrund seiner "Buddenbrooks" ein Begriff - fast 800 Seiten, puh. Dass es auch kürzer geht, bewies der Literaturwissenschaftler Felix Lindner. Er rief vor einem Jahr den Account @DailyMann (Öffnet in neuem Fenster) ins Leben und zwitscherte täglich Auszüge aus dem Tagebuch des Schriftstellers. Zur großen Freude der Internetgemeinde - ihm folgen inzwischen über 33.000 Interessierte. Anfang April wird das Projekt leider beendet. Das Tweetwerk bleibt aber gespeichert, so Lindner im Interview bei Dirk von Gehlen (Öffnet in neuem Fenster): "eine Art Kompendium der schlechten Laune und der Arbeitsverhinderungen, die so redundant und unwahrscheinlich ist, dass sie sonst niemand so veröffentlichen würde."

Die großen, international erfolgreichen Namen der Fantasy haben selbst die schon mal gehört, die dem Genre nichts abgewinnen können. George R. R. Martin ("Game of Thrones"), Neil Gaiman ("American Gods"), Terry Pratchett (Scheibenwelt-Romane) und Stephen King ("ES") begeistern nicht nur mit ihren Büchern Millionen Lesende, sondern auch mit entsprechenden Verfilmungen bzw. Streams. Autorinnen haben es in diesem Genre oft schwerer und besetzen wie J.K. Rowling oder Cornelia Funke eher den Kinderbuchbereich. Ein Name ist bisher ebenfalls meist jugendlichen Lesenden ein Begriff: Leigh Bardugo. Die in Israel geborene Amerikanerin veröffentlichte vor zehn Jahren den ersten Band ihrer "Legenden der Grisha"-Reihe (Öffnet in neuem Fenster) und zehn weitere Bücher folgten. Aufgrund des großen Erfolgs adaptierte Netflix die Grisha-Welt als Reihe, zwei Staffeln (Öffnet in neuem Fenster) sind bisher erschienen und wie die Bücher auch für Erwachsene spannend & unterhaltsam. Was in Deutschland eher unüblich ist - der Verlag MacMillan Publishers gab bekannt (Öffnet in neuem Fenster), dass er Bardugo für weitere zwölf Romane verpflichtet und dafür einen achtstelligen Betrag bezahlt.  Die Fans freut es, die Autorin sicherlich auch!

Verstorben.

Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe (Öffnet in neuem Fenster) + Verleger Vito von Eichborn (Öffnet in neuem Fenster) 

Bereits ihr erster Roman "Das flüssige Land" (Öffnet in neuem Fenster) wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert, für "Dave" (Öffnet in neuem Fenster) erhielt sie den Österreichischen Buchpreis und nun ist "Die Inkommensurablen" (Öffnet in neuem Fenster) erschienen, wieder dicht und auf mehreren Ebenen spannend & fachlich geschickt erzählt. Raphaela Edelbauer versteht Schreiben als Handwerk, sie hat es gelernt und lehrt es heute, sie ist professionelle Autorin. Der ORF hat sie portraitiert (Öffnet in neuem Fenster) und stellt sie in der grundsätzlich sehenswerten Reihe "Archive des Schreibens" (Öffnet in neuem Fenster) vor. 

Am 21. März ist der jährliche Welttag der Poesie. Knapp daneben ist auch vorbei - aber nein, mehr Lyrik für alle und das täglich! An dieser Stelle sei Ihnen mal wieder das Magazin "dreizehn Gedichte" (Öffnet in neuem Fenster) empfohlen, bisher mit zwei Ausgaben. Seit kurzem bereitet mir & meiner Familie auch die Neuausgabe von "Der ewige Brunnen" (Öffnet in neuem Fenster) unter der Herausgeberschaft von Dirk von Petersdorff große Freude. Über 1.200 Gedichte aus zwölf Jahrhunderten und den verschiedensten Bereichen laden zum Blättern, Vorlesen und Auswendiglernen ein. Hochwertig in Leinen gebunden ein Nachttischschatz und ein schönes Frühlingsgeschenk für sich und Andere. 

Auf Twitter postete Ben Myers, Dozent für Literatur und Theologie, spontan die Lektüreliste seiner verstorbenen Großmutter (Öffnet in neuem Fenster), die erst von Jugoslawien nach Deutschland und später weiter nach Australien floh. Seit ihrem 14. Lebensjahr notierte sie sich die gelesenen Bücher, 1658 insgesamt. Das Posting wird tausendfach geteilt, er erhält viele interessierte Fragen zu ihr und ihrem Leben. Ein wunderschönes Beispiel, wie Literatur ein ganzes Leben prägt und begleitet und nun das Gespräch darüber spätere Generationen zu weltweitem Austausch bringt. Vielleicht ja sogar ein neuer Romanstoff?

Was lese ich gerade außer Lyrik und Tweets? Einmal "Lichte Tage" (Öffnet in neuem Fenster) von Sarah Winman (Übersetzung Elina Baumbach), der aktuelle Liebling der #Bookstagram Szene sowie "Maud Martha" (Öffnet in neuem Fenster) von Gwendolyn Brooks (Übersetzung Andrea Ott). Dazu vielleicht demnächst mehr z.B. auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) oder in "Long Story Short" (Öffnet in neuem Fenster).

Noch ein kleiner "Wortschatz" zum Ende: im englischsprachigen Raum nennt man besonders schöne, kitschige Angelegenheiten "Schmaltzfest". Klingt das nicht zauberhaft? Ich habe es nach Entdeckung sofort in meinen Sprachgebrauch übernommen und werde nun nach möglichst vielen Vorkommnissen suchen, die diesen netten Titel verdienen.

Auf baldiges Wiederlesen,

Ihre Karla Paul 

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