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                                                            "framing" 2019 mixed media/wood 96 x 136 cm

Newsletter 26.7.2022

Ein dicker, schwerer Holzrahmen, Figuren, die miteinander in Beziehung stehen, die Abstände sind ausgefüllt von zarten, offensichtlich handgearbeiteten Strukturen.

Spitzendeckchen

Ein aus der Zeit gefallenes Ding 

Verbunden mit unserer Lebensrealität

nur durch die Hinterlassenschaften unserer verstorbenen Großmütter/Tanten aus längst vergangener Zeit

Einer Vergangenheit, in der es noch - zu füllende Zeit - gab.

In der Frau, wenn "man" es sich leisten könnte, Nachmittags oder Abends zusammen saß und geduldig eine überlieferte Handwerkskunst aus - übte.

Feinstes Garn und Masche um Masche um dann eines Tages ein zartes Deckchen auf ein Tischchen legen zu können. Zeugnis von Tugend, Sittsamkeit, Häuslichkeit, Geduld und handwerklichem Geschick.

Eine - zu füllende Zeit - gibt es heute nicht mehr.

Zeit ist Geld.

Wenige glauben noch an das Leben nach dem Tod.

Es gilt seine Lebenszeit zu nutzen.

Mit möglichst vielen aufregenden Erlebnissen, die dokumentiert und so breit wie möglich kommuniziert werden müssen.

Nicht nur Erwachsene sonder auch Kinder und Rentner sind verplant und ausgebucht.

Es gibt keine kleinen Tischchen mit kleinen Deckchen mehr.

Und doch sind sie noch ein Zeichen, welches lesbar ist, sich verknüpft mit überlieferter Tradition

und einem Frauenbild einer uns inzwischen fremd gewordener Lebenskultur, unserer Geschichte.

Die geerbten Deckchen wurden zum Material einer neuen Bildserie.

Warum interessiert mich so ein altes Deckchen?

Wir leben im Zeitalter der Globalisierung.

Unsere Rollen, Klischees und Kategorien helfen uns, in dieser komplexen Welt zu leben.

Japan ist für fast alle von uns immer noch Sushi, Kimono, Harakiri auch wenn das mit der Alltagsrealität vieler Japaner gar nichts zu tun hat.

Überall auf der Welt trägt man inzwischen Jeans und T-Shirt.

Überall kann man Hamburger von Mac Donalds essen und Starbucks Kaffee trinken.

Viele Mitmenschen sehen angesichts der Zahl der "Fremden" die nach Deutschland kommen die deutsche Kultur in Gefahr.

Was ist heute deutsche Kultur?

Wir essen beim "Griechen, Italiener, Chinesen".

Wir tragen in Asien gefertigte Kleidung.

Unsere Smartphones sind von amerikanischen oder asiatischen Firmen produziert

Zur Entspannung gibt es Yoga und Meditations Apps.

Warum machen Menschen mit Kopftuch und Vollbart Angst?

Was ist Überfremdung?

Was ist Heimat?

Wer ist ICH in Zeiten der vertikalen und horizontalen Mobilität?

Auf drei 3 monatigen Reisen in Asien in den 90ern, 

während des Studiums in Freiburg, Berlin, des internationalen Masterprogramms in London und Prag, 

den vielen unterschiedlichen Arbeitserfahrungen in der Theaterwelt 

später der fast 5 jährigen Lebens-/ Arbeitszeit in Italien 

und schließlich als "Fremde" in der schwäbischen Provinz

bin ich immer wieder mit der Frage nach meiner Herkunft, meiner nationalen Kultur konfrontiert worden.

Kann es, soll es, muss es heute eine nationale Kultur geben?

Wie verortet sich Mensch heute?

Wie immer freue ich mich über Gedanken und Anregungen

und schicke viele herzliche Grüße in den heißen Sommer

*** Julia von Troschke

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