Heute beantwortet die Userin @Fotobus , die bei Twitter viel zum Thema Autismus aufklärt die 3 Fragen zum Thema Autismus in den Medien. Danke Fotobus für die Zeit, die du dir genommen hast. Unter dem Interview habe ich Fotosbus' Blog verlinkt.
Viele Menschen haben sich erst durch Greta Thunberg mit dem Thema Autismus beschäftigt, die von Anfang an sehr offen mit ihrer Diagnose umging. Es folgte viel Häme wegen ihres Engagements, vor allem aber wurde sich viel an ihrer Diagnose aufgehangen, und völlig falsche Ansichten dargestellt, was Autismus überhaupt sei. On-und offline. Das Häufigste, was ich dazu gelesen habe, war, dass sie als Autistin gar nicht selbst diese Initiative für den Klimaschutz zeigen könne, da müsste eine PR-Maschinerie und/oder die Eltern verantwortlich sein. Es folgten viele Klischeevorstellungen und Beleidigungen. Greta Thunberg war eine ganze Weile sehr präsent in den Medien. Manche bezeichneten sie „Aushängeschild“ für die Autismus-Bewegung, was immer man darunter verstehen mag. Sie ist nun ein recht erfolgreiches und prominentes Beispiel, wie viel man trotz oder wegen der Diagnose erreichen kann. Die Schattenseiten kamen mir persönlich zu kurz. Nicht jeder Autist kann verreisen, auf welche Art auch immer. Nicht jeder Autist kann an Demos teilnehmen, für viele wäre schon der Weg dorthin mit Overloads verbunden vom Mitmarschieren mit zig Tausenden Menschen ganz zu schweigen. Als das scheint für sie auf den ersten Blick kein Problem darzustellen. Wie sagt man so schön, kennst du einen Autisten, kennst du genau einen Autisten. Aber wir wissen auch alle, die Medien zeigen längst nicht alles, sondern sie Formen ein Bild von etwas, so wie sie es haben wollen. Glaubst du, Greta Thunberg hat es für Autisten leichter oder schwerer gemacht, sich zu erklären, sich zu outen, oder verstanden zu werden? Oder hatte das deiner Meinung nach keinen Einfluss? Und wenn du noch beantworten magst: Hat es dich irgendwie persönlich beeinflusst?
Auf eine Art hat Greta Thunberg es schon leichter gemacht, offen zu Autismus zu stehen, einfach weil die Bekanntheit von Autismus mit ihr gestiegen ist. Menschen neigen leider zur Generalisierung, daher kann es natürlich passieren, dass es Menschen gibt, die sowas sagen wie: "Aber du bist anders als Greta!" Und dass diese Menschen dann auch denken, jeder Autist käme so gut oder auch schlecht wie sie klar. Manche haben sich auch über einige Szenen lustig gemacht, in denen sie, soweit ich das beurteilen kann, im Overload zu sehen war - was aber nirgends je erklärt wurde. Mich persönlich hat es wenig beeinflusst, weil ich, so denke ich, schon vor ihrem Bekanntwerden recht gefestigt war in meinem Selbstverständnis als Autist. Insgesamt denke ich, sie hat sowohl Positives als auch Negatives bewirkt in Bezug auf die Wahrnehmung von Autisten, was aber stark vom Rezipienten abhängt. Ihr eigenes Hauptthema ist ohnehin nicht der Autismus, sondern der Klimawandel. Daher sehe ich sie nicht als "Aushängeschild der Autismus-Bewegung"
Es gibt mittlerweile vermehrt Dokumentation über autistische Frauen. Früher habe ich gedacht, Autismus und das Spezialinteresse für Züge gehören zwangsläufig zusammen, weil in jeder Dokumentation über Autismus ein männlicher Autist vorkam, der irgendwann an einem Güterbahnhof gefilmt wurde, wie er sämtliche Zugtypen auswendig aufsagen kann plus Baujahr etc. Glaubst du, dass Frauen oder nicht binäre Autisten sowie männliche Autisten, die als unauffällig gesehen werden, unterpräsentiert sind in der Berichterstattung? Gibt es etwas, das dir in solchen Dokumentationen fehlt?
Zu den Dokumentationen kann ich wenig sagen, da ich nicht mehr so viele anschaue, nachdem ich mich über die meisten bislang vorwiegend aufgeregt habe. Da wird oft so viel an Fehlinfos transportiert, so ganz allgemein, nicht (nur) bezogen auf das "Weißer Junge, der Züge mag"-Klischee. Ich denke da z. B. an die Dokus auf ARTE, in denen der Magen-Darm-Mythos durchgekaut wurde bis dorthinaus und damit die Quacksalber von MMS/CDL über Diäten bis hin zu Entgiftung/Chelat befeuert wurden.
Da ist das "Junge liebt Züge"-Klischee noch das kleinste Übel. Was mir da fehlt? Mehr Autisten, die selbst berichten. Mehr Zuhören der Macher, so dass im Off-Kommentar nicht dauernd das Gegenteil von dem gesagt wird, was der Autist selbst sagte, nur weil "man ja weiß, dass es so und so ist, weil man ja mal Rain Man sah oder uralte Doku X oder veraltetes Fachbuch Y".
Für viele Menschen sind Autisten immer noch die seltsamen Einzelgänger ohne Gefühle, weswegen oft in Zusammenhang mit Amokläufen Aussagen wie „autistisches Verhalten“ „wie ein Autist“ etc. getätigt werden. Denkst du, dieses falsche Bild über autistische Menschen wird irgendwann der Vergangenheit angehören?
Ich hoffe, dieses falsche Bild vom gefühllosen bis gewalttätigen Autisten wird zeitnah der Vergangenheit angehören. Aber noch sehe ich das leider nicht. Die Medien befeuern das einfach auch zu gern.
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