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Als Autistin einkaufen - was niemand sieht.

Ich betrete einen Drogeriemarkt. Das Licht ist grell. Draußen ist es heiß, hier drinnen ist die Klimaanlage so kühl eingestellt, dass ich beinahe friere. Der plötzliche Wechsel von Heiß zu Kalt, er macht was mit mir, auch wenn ich es schlecht in Worte fassen kann. Meine erhitzte Haut fühlt sich auf einmal anders an. Kurzzeitig habe ich das Gefühl von Nadelstichen auf der Haut. Ich versuche, es zu ignorieren und an meinen Einkauf zu denken. Ein Kind schreit direkt neben mir. Draußen bellt ein Hund. An der Kasse piept es. Ich gehe schnell weiter, suche das erste Produkt von meiner Einkaufsliste. Müllbeutel. Meine sind immer grün mit einem gelben Band. Aber die sehe ich nirgendwo. Nur gelbe, orange und schwarze. Ich werde nervös, gucke das Regal sorgfältig durch, denn ich brauche meine grünen Müllbeutel, die ich immer nehme. Veränderungen bedeuten Stress. Mich rempelt jemand an. Hinter mir weint ein Kind. Ich finde diese blöden Müllbeutel nicht. Die kühle Luft auf meiner Haut fängt an zu schmerzen. Die Klimaanlage ist zu kalt eingestellt. Ich greife notgedrungen nach den gelben Müllbeuteln, auch wenn ich nicht weiß, ob ich sie benutzen kann. Ob sie in meinen Mülleimer passen. Ob sie sich genauso gut zuschnüren lassen. Ob ich damit genauso wie mit den anderen meinen Müll „managen“ kann. Panik steigt in mir auf. Mir ist zum Heulen. Doch ich schaue wieder auf meinen Einkaufszettel, versuche mich von der Panik nicht überwältigen zu lassen. Ich stelle fest, dass das Shampoo nun woanders ist. Ich finde es nicht. Bin einen Moment lang völlig verwirrt, lande in zwei falschen Gängen, dann wieder in einem, in dem ich schon zwei Mal war. Das Licht in dem einem Gang flackert. Ich bin inzwischen so unruhig, dass ich mich fühle, als hätte ich drei Kaffee getrunken. Um mich zu regulieren knete ich unauffällig meine Hände, schlage leicht gegen meine Oberschenkel. Bloß nicht auffallen. Ich trete in etwas Klebriges, was bei jedem meiner Schritte ein schmatzendes Geräusch verursacht, das mich wahnsinnig macht. Ich ertrage dieses klebrige Gefühl unter der Sohle nur schlecht. Es nimmt den ganzen Raum ein. Mir steigen Tränen in die Augen. Ich versuche ruhig durchzuatmen. Bald bin ich wieder zu Hause und kann die Schuhe wechseln. Ich gucke wieder auf meine Liste, was wollte ich noch? Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Ein weiteres Kind weint, ein anderes schreit unaufhaltsam nach seiner Mutter. Wieder werde ich angerempelt. Mein Körper fühlt sich wie elektrisiert an. Ich will hier nur noch raus. Schmatz, schmatz, schmatz, dieses Geräusch meiner Sohlen, ich will das nicht. Ich gehe zur Kasse mit meinen Müllbeuteln. Die Schlange ist lang. Vor mir stehen drei Teenager, deren aufdringliches Parfum sich mit ihrem Gekreische und Lachen vermischen und anschwellen zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Ich suche meine NC-Kopfhörer, doch ich habe sie in der anderen Tasche zu Hause. Draußen halte ich mir die Ohren zu. Der Lärm hallt nach. Alles ist laut und wirr und zu viel in meinem Kopf. Tränen rennen über meine Wangen. Ich eile mit gesenktem Kopf davon, nach Hause, wo ich sofort die Schuhe ausziehe und mich erschöpft auf die Couch fallen lasse. Anschließend dunkle ich das Schlafzimmer ab und lege mich hin. Ich brauche Ruhe, um wieder Ruhe in meinem Kopf zu bekommen. Alles ist zu viel. Jedes Geräusch. Das Summen der Mücke. Der Autoverkehr. Das Flugzeug. Ich setze mir die NC- Kopfhörer auf. Ruhe. Doch in mir ist alles in Aufruhr. Die ganzen Eindrücke vom Einkauf kann ich erst nach und nach verarbeiten. Ich bin erschöpft, meine Augen brennen, mein Körper streikt, ich kann nicht mehr reden, könnte keine simple Frage beantworten. Irgendwann schlafe ich ein. Nach zwei Stunden packe ich die Müllbeutel aus und tu sie in den Schrank.

 

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