Zum Hauptinhalt springen

TW Suizid, sexueller Missbrauch

Kerstin hatte zwei kleine Kinder, als sie eine Überdosis Tabletten nahm, um ihr Leben zu beenden. Kerstin hieß in Wirklichkeit anders, aber das spielt keine Rolle. Sie gab es wirklich, sie war 37 und sie war eine sehr gute Freundin. Meine Vertraute zu dem Zeitpunkt.

Kerstin hatte viel im Leben erlebt. Zerrüttetes Elternhaus, sexueller Missbrauch vom Onkel. Sie war aber auch eine Kämpferin. Hat sich von der einfachen Hilfskraft ohne „guten“ Schulabschluss zur Sachbearbeiterin einer großen Firma hochgearbeitet und gut verdient.  Mit 18 hat sie eine Zeit lang in einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent gelebt. Viel erzählt darüber hat sie nie. Zurück in Deutschland war sie obdachlos, schlief auf der Straße, lebte mal hier und dort in Unterkünften oder Hauseingängen. Der Inhaber eines griechischen Lokals gab ihr oft Essen. Die Ehefrau nahm sich ihrer an.  Dann bekam sie ein „Zuhause“, suchte sich eine Arbeit, arbeitete sich hoch, lernte ihren Mann kennen, bekam zwei Kinder. 

Als wir uns kennenlernten, trennte sie sich gerade von ihm. Nach einem Suizidversuch war sie in der Psychiatrie. Überdosis, irgendwo im Wald. Aber man hatte sie rechtzeitig gefunden. Die Ehe war vermutlich länger nicht glücklich. Ich kann nur mutmaßen. Die Kinder waren zwischen 1 und 3 und blieben bei ihrem Mann. Sie suchte sich nach der Entlassung eine kleine Wohnung. Die Trennung war nicht "endgültig" gedacht. Man wollte erst mal schauen. Beide waren überfordert mit der Situation und Kerstin wusste nicht, was sie empfand, weil ihr immerzu gesagt wurde, was sie zu empfinden hat. Sie hatte sich irgenwann selbst verloren. 

Einmal saß ich bei ihr zum Kaffee auf der Couch und sie hat mir ein neues Messer gezeigt, das sie zuvor gekauft hatte. Es waren immer Butterfly -Messer oder Klappmesser, manche größer, andere mit Verzierungen. Ich sah sie mit hochgezogenen Brauen an und sagte so etwas wie: „Sag mal, ein etwas morbides Hobby, was willst du mit den ganzen Messern?“ Sie hatte eine ganze Sammlung. Eine ganze Schublade voll davon. 

Da sagte sie etwas wie: „Um mich zu schützen. Ich habe Angst, dass mein Onkel irgendwann hier steht.“

Ihr Onkel war mittlerweile um die 70. Der Missbrauch lag 30 Jahre zurück. Und noch immer hatte sie Angst vor ihm. Und keiner hat das ernst genommen. Ich war ehrlich gesagt zu schockiert, um angemessen zu reagieren. Wie reagiert man aber angemessen? Zuhören? Nachfragen? Hilfe anbieten? Welche? 

Um diesen Beitrag lesen zu können, musst du Mitglied werden. Mitglieder helfen uns, unsere Arbeit zu finanzieren, damit wir langfristig bestehen bleiben können.

Zu unseren Paketen (Öffnet in neuem Fenster)

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von being_different und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden