Das WTMGW-Alphabet (Teil 4)
Auf Instagram poste ich bis zur Veröffentlichung von “Welcome to my Ghost World” das WTMGW-Alphabet. Für alle, die kein Instagram haben, poste ich das Alphabet in vier Teilen auch hier. Viel Spaß.
„Es würde mir ohnehin niemand glauben, wenn ich die Wahrheit sage. Trotzdem zwirble ich leicht nervös an dem Papierschildchen vom Tee. »Nie änderst du die Vergangenheit, aber stetig die Zukunft«, steht darauf.“
Seit ich denken kann, stehe ich auf Übersinnliches. Akte X, Sabrina total verhext, Charmed, Buffy, … die Liste geht weiter und weiter.
Woher diese Faszination kommt? Ich habe absolut keine Ahnung. 😅
Wissenschaftlich gesehen, weiß ich natürlich, dass einiges gegen Magie, Geister und dergleichen spricht. Trotzdem mag ich die Vorstellung davon, dass da noch mehr ist. Vielleicht weil das von der Gesellschaft angestrebte vermeintliche „Normal“ mir schon immer ein bisschen zu langweilig war. Und wenn sich die Geister, Vampire und Hexen sich mir nicht zeigen, dann verbringe ich meine Zeit mit ihnen eben in Geschichten. 😄
Vergehen. In „Welcome to my Ghost World“ kommen einige davon vor. Manche sehr offensichtlich, andere weniger offensichtlich. Nicht alle haben Konsequenzen für die Personen, die sie begehen.
Lus Mitschüler Wieber zum Beispiel kommt mit vielem einfach so durch.
Meine Verantwortung als Autorin ist mir durchaus bewusst und gerne hätte ich Wieber für all seine Vergehen bestraft. Aber leider ist es im Leben nicht so, oder? Nicht immer bekommen alle das, was sie verdienen und viele können froh darum sein. Wieber kommt mit seinem Mist durch, trotzdem gibt es im Buch Gerechtigkeit. Nicht alles verläuft so wie es sollte, Gerechtigkeit braucht manchmal eine Weile und fällt anders aus, als man sie sich wünscht oder vorgestellt hat. Manchmal verliert man, obwohl man alles richtig gemacht hat.
Als Jugendliche mochte ich diese Geschichten am liebsten. Die, die nicht so getan haben, als wäre am Ende alles immer gerecht und toll. Die Bösen werden bestraft, die Guten belohnt. Dazwischen gibt es nichts. Ende gut, alles gut.
So einfach ist es nicht, manchmal gibt es sogar keine Gerechtigkeit, obwohl alle Beteiligten wissen, dass es anders sein sollte. Und dann ist es wichtig, sich daran nicht abzuarbeiten, sondern einen konstruktiven Umgang zu finden. Das muss auch Lu im Buch lernen. So frustrierend sich das auch erstmal anfühlen mag …
„Welcome to my Ghost World“ besteht aus gut 80.000 Wörtern und ist damit mein bisher dickstes Buch.
Noch absolut im Rahmen meiner Komfortzone, habe ich als Leserin ja immer ein bisschen Angst vor dicken Büchern. Oft sind sie nämlich nur dick, weil sie dick sein wollen und nicht, weil all die Worte eine zielführende Relevanz hätten. (Das war jetzt sehr wertend, sorry for that! I don’t judge)
Das bekannteste Buch das mir dazu einfällt und das mich sehr gequält hat, ist Dracula. Das hätte locker auf ein Drittel gekürzt werden können und wäre dadurch weniger nervtötend und einschläfernd geworden.
Aber das ist natürlich Geschmacksache.
Die einen lieben es, wenn drei Seiten lang das Blatt eines Baums beschrieben wird (I‘m looking at you Tolkien) und ich gehöre eben zu denen, die die Kunst darin sehen, das Blatt am Baum mit möglichst wenigen Worten genauso eindrucksvoll beschreiben zu können.
Das spiegelt sich natürlich auch in meinem eigenen Schreiben wieder. Für mich ist weniger meistens mehr. Eine gute Geschichte mit so wenig Worten wie möglich zu erzählen, das ist mein Ziel beim Schreiben.
Es war wirklich überhaupt nicht einfach was passendes für den Buchstaben X zu finden. Verzeiht mir also die plumpe Überleitung von X-Chromosom zu meinem überwiegend weiblichen Cast in „Welcome to my Ghost World“. 🥲
Ich halte mich für feministisch, weltlich relativ aufgeklärt, Aufmerksam gegenüber Problematiken, die weibliche und weiblich gesehene Personen haben, die aber keine Relevanz bekommen, cause it’s a man’s world, we’re just living in it. 🫠
Trotzdem haben in meinen ersten beiden Büchern die Hauptrolle (und viele Nebenrollen) Männer bekommen. Und selbst in den Kurzgeschichten, in denen das Geschlecht der Figuren nicht preisgegeben wird, sind es in meinem Kopf oft eher männliche.
How come?
Ich glaube, das hat zwei Gründe.
Zum einen hat es mir selbst Sicherheit gegeben, dass Richie ein anderes Geschlecht hat als ich. Er war weiter weg und ich konnte freier erzählen, ohne mich sorgen zu müssen, dass zu viel reininterpretiert wird. Denn ja, mit Richie habe ich wohl eine ganze Menge verarbeitet (if you know, you know) und die Tatsache, dass er ein Mann ist, hat mir den Abstand gegeben, den ich unterbewusst wohl brauchte.
Der zweite Grund ist eine Art internalisierter Misogynie. Die Gesellschaft hat mir (nun ja, uns allen) beigebracht, dass Frauen das schwache Geschlecht sind, dass ich andere Frauen als Konkurrenz zu sehen habe, dass Frauendinge peinlich und kindisch sind und so weiter und so weiter. Die Liste ist lang. Ich habe erst in den letzten Jahren sehr aktiv auf diese Dinge geachtet: wie viele weibliche Schreibende lese ich im Vergleich zu männlichen? Dasselbe bei Musik, Filmen, Serien, …
Und da ist mir aufgefallen, dass ich so verinnerlicht hatte, dass weibliche Figuren immer nur Mütter oder Hauptfiguren in Romanzen sind, dass ich das gar nicht mehr hinterfragt habe. 😳 Und ich bin froh, dass ich diese Arbeit gemacht habe und immer noch mache. Nicht nur, dass ich mich besser fühle mit mir und meinem Leben und allem was ich tue, mit der Entscheidung dieses Mal aktiv den Frauen in meiner Geschichte den Vortritt zu lassen, habe ich mit Lu, Medi und Kaya drei Figuren geschaffen, auf die ich sehr, sehr stolz bin. 🥰
Vor einiger Zeit sind die Begrifflichkeiten Young Adult und New Adult aus dem Englischen rübergeschwappt. Diese Begriffe sind kein Genre, sondern lediglich ein Hinweis darauf, wie alt die Protagonist*innen im Buch sind bzw. wie alt die lesende Zielgruppe ist. (Young Adult etwa 12-18 Jahre, New Adult etwa 18-Mitte/Ende 20)
Nun hat es sich auf dem deutschen Buchmarkt irgendwie entwickelt, dass New Adult als Romance im College-Alter verstanden wird und Young Adult als solche während der Highschool. Diese Begriffe sind nun so stark mit Romance verknüpft, dass sie ihren eigentlichen Sinn, nämlich das Einsortieren in eine Alterskategorie, verloren haben.
Im ursprünglichen Sinn ist „Welcome to my Ghost World“ Young Adult. Kann ich auf dem deutschen Markt, aber aus genanntem Grund nicht fürs Marketing nutzen.
Denn es gibt keine Liebesgeschichte in „Welcome to my Ghost World“. Es gibt eine Freundschaftsgeschichte (eigentlich sogar mehrere), es gibt eine Kriminalgeschichte, eine Geistergeschichte (wenn auch nicht im klassisch-schaurigen Sinne). Aber eine romantische Liebesgeschichte gibt es nicht.
Kaya ist Tod, aber hängt noch in der Zwischenwelt fest. Aus dieser auszubrechen und zurück in unsere Welt zu kommen, beschreibt sie als äußerst anstrengend. Und je emotionaler eine Situation wird, umso schwieriger fällt es ihr in unserer – ihrer alten – Welt zu bleiben.
Aber wie sieht die Zwischenwelt aus?
Für jeden anders.
Kaya beispielsweise spaziert durch von Monet gemalte Kulissen. Dort fühlt sie sich wohl, zwischen seinen Farben und Pinselstrichen.
Genau das war meine Vorstellung von der Zwischenwelt: Orte und Situationen in denen man sich besonders wohl fühlt. Für jeden individuell. Keine Zwischenwelt sieht wie die andere aus.
In meiner gäbe es einen Ententeich und Wälder, Gänseblümchenwiesen, Freibadpommes, Festivalmusik bei Sonnenuntergang, viele viele Katzen, Strand und Meer, Wind der in Baumkronen raschelt, Bücher, Tee und Zimtschnecken, ein frisch bezogenes Bett und unendliches Brettspiele spielen mit meinen Liebsten.
Wie sähe eure Zwischenwelt aus? Was dürfte dort auf keinen Fall fehlen?
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