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Die Bären der Avenue des Gobelins

Salut aus Paris,

in dieser Woche zeigen wir euch eine kleine Attraktion, die seit einigen Jahren das Gesicht der Avenue des Gobelins ausmacht. Aus fast jedem Schaufenster sowie vielen Restaurants und Cafés lacht einem ein riesiger Teddybär entgegen. Mittlerweile sind die Plüschtiere eng mit dem Viertel verbunden und fast so berühmt wie die große Manufacture des Gobelins. Doch wie sind sie überhaupt dorthin gekommen? Und wer steckt hinter der Aktion? Wir nehmen euch mit auf die Avenue des Gobelins!

Neben den Bären gibt es dort noch viele andere Dinge zu entdecken: beispielsweise das kleine Château der „weißen Königin“, das heute ein Wohnhaus ist oder den Square René Le Gall, der von einem Architekten entworfen wurde, der unseren Hamburger Lesern bekannt sein dürfte. Schließlich nehmen wir euch mit in das Restaurant „Les Frangins“, das sich auf einen französischen Klassiker spezialisiert hat.

Viel Spaß beim Lesen
İrem & Arthur

Was war diese Woche los in Paris?

„Gerechtigkeit für Nahel“. Seit dem 27. Juni prangt der Slogan an den Wänden der französischen Städte und wird von zahlreichen Demonstranten gerufen. An diesem Tag wurde der 17-jährige Nahel M. am Steuer eines Sportwagens und nach mehreren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung bei einer Polizeikontrolle in Nanterre, einem Vorort von Paris, getötet. Die ursprüngliche Version der Polizei, der zufolge der Teenager absichtlich auf die Ordnungskräfte zugefahren sei (Öffnet in neuem Fenster), wurde durch das Video eines Zeugen der Szene, das in den sozialen Netzwerken stark verbreitet wurde, widerlegt.

Obwohl der Polizist schnell in Polizeigewahrsam genommen wurde und fast alle Politiker seine Tat verurteilten — allen voran Emmanuel Macron, der von einem „nicht vertretbaren“ und „unentschuldbaren“ Vorfall sprach (Öffnet in neuem Fenster) —, sind in der darauffolgenden Nacht große Unruhen ausgebrochen. Die Krawalle haben Erinnerungen an das Jahr 2005 geweckt, als zwei Jugendliche sich nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei in einem Stromtransformator versteckt haben und dort ums Leben gekommen sind. Viele Beobachter sind der Meinung, dass Frankreich fast zwanzig Jahre später immer noch zu langsam gegen die Polizeigewalt und den Abstieg ganzer Bevölkerungsgruppen vorgeht (Öffnet in neuem Fenster).

Die Unruhen der letzten Tage führten nach Angaben der Behörden zu zahlreichen Sachbeschädigungen und Plünderungen (Öffnet in neuem Fenster). Die Rede ist einem Dutzend betroffener Einkaufszentren, 200 Geschäften, 250 Bankfilialen und 250 Tabakläden. Auch mehrere Rathäuser, Bibliotheken oder Polizeistationen wurden angegriffen. Im Gegensatz zu 2005 blieben die Unruhen nicht auf die Vorstädte beschränkt, sondern erreichten auch die Zentren von Großstädten wie Paris, Lyon oder Marseille. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden im ganzen Land über 1000 Teilnehmer festgenommen.

Am gestrigen Samstag wurde der junge Nahel im Rahmen einer Zeremonie in der Ib-Badis-Moschee in Nanterre beigesetzt. Mehrere hundert Menschen waren anwesend, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Am selben Tag kündigte Emmanuel Macron aufgrund der Situation an, seinen ursprünglich für den 2. bis 4. Juli geplanten Besuch in Deutschland abzusagen (Öffnet in neuem Fenster).

Die Bären der Gobelins

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Die Avenue des Gobelins im 13. Arrondissement ist nicht nur wegen der ehemaligen königlichen Tapisserie-Manufaktur, dem Schloss der weißen Königin oder dem Blick auf das Pantheon einen Besuch wert. Auch in den Schaufenstern der Geschäfte oder auf den Terrassen der Cafés gibt es einiges zu sehen: Dort wartet eine Vielzahl großer Teddybären aus Plüsch auf die Passanten.

In unterschiedlichen Positionen, nur mit einem Pullover bekleidet oder den Kopf mit einem Hut bedeckt! Wie zum Beispiel drei Teddybären, die das Schaufenster und den Verkaufsraum eines Optikers auf der Avenue besetzen. „Die Kinder freuen sich immer sehr, wenn sie sie sehen. Das hat eine echte Anziehungskraft, sowohl für die Kunden als auch für die Touristen“, erzählt eine Mitarbeiterin.

Die Initiative ist dem Betreiber eines kleinen Zeitungskiosks auf der Avenue zu verdanken und geht bis Oktober 2018 zurück. „Es war eine düstere Zeit für das Geschäft. Das Ziel war, die Leute zum Lächeln zu bringen und ein bisschen gute Laune in die Gegend zu bringen“, erzählt Philippe gegenüber Aus Paris. Da kam ihm die Idee, kostenlos Teddybären an die Geschäftsleute zu verteilen.

Den Leuten, die sie nach diesen Bären fragen, „sollen die Ladenbesitzer sagen, dass sie nicht wissen, woher sie kommen, dass sie sie vor ihrer Tür gefunden und freundlich aufgenommen haben“, sagt Philippe. Auf die ersten beiden Teddys Ursus Gobelinus und Natacha, die „auf dem Standesamt geheiratet“ haben, folgte eine ganze Familie, die immer noch wächst. Wie viele sind es insgesamt? „Das entspricht zwei großen Flugzeugen“, sagt ihr Schöpfer.

Zunächst war es Philippe, der in den Geschäften um Kunden warb, doch inzwischen kommen die Ladenbesitzer zu ihm, um die Teddys zu bekommen. „Sie müssen sich bewerben und wir schauen, ob sie einen guten Platz für den Teddy haben, von dem aus die Leute ihn von außen sehen und Fotos machen können“, erklärt er. So ging unter anderem dem Besitzer der Weinhandlung Nicolas. In seinem Schaufenster stehen zwei Teddybären, darunter Nectar, der „mindestens zehn Mal am Tag“ fotografiert wird und wahrscheinlich „überall im Internet“ zu finden ist, wie der Weinhändler lachend erzählt.

Die Teddybären der Gobelins sind mittlerweile kleine Berühmtheiten, sei es auf Facebook oder Instagram, wo ihrem Konto schon 32.000 Menschen folgen. Gleichzeitig hat sich ihr geografischer Horizont erweitert: „Wir haben sie in der ganzen Welt! In Australien, den USA, Marokko und seit einer Woche sogar in Japan“, berichtet Philippe. „Ein Bär ist auch nach Berlin und München gereist“, fügt er hinzu.

Um sie innerhalb von Paris oder anderswo zu transportieren, hat Philippe sich ein „Nounoursmobile“ — ein fast speziell ausgestattetes Auto — zugelegt. Einige seiner Bären vertraut er auch freiwilligen Reisenden an, die Fotos aus allen Ecken der Welt mitbringen. Schließlich werden einige Teddybären an Vereine oder ehrenamtliche Tätigkeiten verliehen, um diesen zu helfen, bekannter zu werden. Es geht nicht darum, „Geld zu machen“, betont Philippe, aber Spenden werden gerne angenommen, um die Familie weiter wachsen zu lassen und den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

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