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Heißer Herbst, kalter Winter?

Heiß oder kalt oder umgekehrt? Nein, nicht das Wetter, sondern die allgemeine Lage. In diese Stimmung der Unsicherheit fällt mit dem Tod der englischen Königin eine weitere Zäsur. Nach so langer Regentschaft ein wahres Jahrhundertereignis, das umgeben vom Krieg in der Ukraine, der Corona-Pandemie, fernöstlichem Säbelgerassel und einem extremen Sommer, der den Klimawechsel unübersehbar macht, dass uns allen klar werden muss, dass wir in einer Zeit des Abschieds von bisherigen Gewißheiten und des Aufbruchs in eine teilweise noch unbekannte Welt leben. Martin Luther King hat gesagt: „In jeder Krise gibt es nicht nur eine Chance, sondern auch eine Möglichkeit. “  Er hat mit diesem Mutmacher-Satz recht. 

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Lehren aus der Geschichte

Die Menschheitsgeschichte reicht viel weiter zurück, als es archäologische Funde und schriftliche Aufzeichnungen gibt. So banal diese Feststellung ist, so wahr ist sie.  Wir stehen in der Mitte einer sehr langen Reihe unserer Vorfahren und unserer Nachfahren. Jeder Mensch ist einzigartig und zugleich ein Staubkorn. 

Die Menscheit wurde stets von unterschiedlichen Gefühlen gleichzeitig beherrscht, Verzweiflung und Angst, zugleich aber auch Aufbruch und mutiges Voranschreiten. Es ist also keine Prophetie zu behaupten, dass wir auch die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden werden. Irgendwie. Wie die Welt danach aussehen wird, kann man nicht so einfach voraussagen, denn es gibt viele Möglichkeiten, darunter bessere und schlechtere Alternativen.  Eines ist jedoch sicher: Mit Mut und Optimismus die vor uns stehenden Aufgaben anzupacken wird uns ein mental besseres Leben gewähren, als pessimistisch jammernd abzuwinken. 

Wenn Millionen von Ameisen Staubkörner wegtragen, können scheinbar unüberwindliche Berge verschwinden. Es mag sehr lange dauern, aber es ist möglich. Dies gilt für fast alle Fragen des Lebens. Den ersten Schritt muss jedoch jeder selber für sich tun und nicht bequem auf Politiker oder die "Anderen" warten.  

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Bargeld

Die Münze klimperte
auf die Fliesen,
rollte langsam davon,
machte Kurven,
traf auf Eisen,
kippte um
und verschwand
im Gully.

Der Bettler
hob die Augen,
der achtlose Spender
ging rasch weiter.
Eine Träne
rollte in den Bart
und glitzerte
in der Sonne.

Hot summer 22  -  signierte, numerierte Original-Grafik (25) im Format A4

=>  VERLOSUNG von 3 Original-Grafiken Hot summer 22 unter allen Teilnehmern, die per Email die einfache Frage beantworten:  Wieviele Personen sind auf der Grafik Hot summer 22 zu sehen?

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Niemand entgeht der Vergangenheit

Als mich neulich ein Kollege fragte, über was ich einen Essay schreiben würde, wenn das gewünscht oder irgendwie notwendig sein sollte, war ich einen Moment ratlos. Der Kollege verwies auf meine Biografie, die wäre doch variantenreich und bunt genug. Eigentlich hatte er recht damit.

Als gelernter Historiker schaue ich gerne zurück, denn ich habe früh gelernt, dass die Vergangenheit direkt oder auch auf Umwegen unsere Gegenwart beeinflusst. Bruchstücke des Denkens und Fühlens früherer Zeiten sind immer noch aktiv in unserer Sprache und unserem Handeln. Vor einiger Zeit beobachtete ich, wie eine Wagenkolonne mit Motorradpolizisten vorneweg an mir vorbei brauste. Ludwig XIV. und sein Hofzeremoniell standen mir vor Augen, Kutschen statt gepanzerte Limousinen, Reiter statt Motorräder, aber sonst hatte sich eigentlich nichts verändert. Mir war das bewusst, vielen Menschen aber nicht.

In meiner Kindheit war ich so friedlich umgeben von Buddhisten, Hindus, Christen, Juden und Moslems, dass mir die Unterschiede der Religionen, die sich dann oft als abfällige Feindschaft zeigten, unverständlich waren und eher wie ein buntes Märchenpuzzle wirkten. Später beschäftigte ich mich intensiver damit, las die heiligen Bücher, aber stets mit den Augen des nüchternen Historikers. Für mich waren, kritisch betrachtet, alle Religionen Menschenwerk. Sie entsprachen den Vorstellungen und dem Kenntnisstand der Menschen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Allwissend waren ihre Schöpfer nicht, weise in manchen Einsichten dagegen schon.

Die Vorstellung eines gerechten Gottes oder mehrerer gütiger Götter, die in ihrer Allmacht schon alles richtig machten, schien mir völlig absurd. Im Angesicht der mich umgebenden ungerechten, brutalen Welt ein aus Angst und Verzweiflung geborenes Wunschdenken. In unserem Universum herrschten von Anbeginn die Naturgesetze in ihrer ganzen unerbittlichen Härte, der Tod ist unausweichlich. Die Philosophie war es eigentlich, die versuchte, den Menschen ethisches Verhalten nahe zu bringen. Wenn in Religionen ebenfalls ethische Gebote enthalten waren, so wirkte das wie ein Feigenblatt vor der gleichzeitig verkündeten gnadenlosen Ablehnung und Verfolgung Andersdenkender.

Wir sind umgeben von Erfahrungen, die uns eigentlich lehren sollten, die Fehler der Geschichte nicht zu wiederholen. Kreuzzüge, der Dreißigjährige Krieg zwischen Katholiken und Protestanten, Religionskriege zwischen Sunniten und Schiiten, die Massaker zwischen Moslems und Hindus, alles wiederholt sich, so grausam und so sinnlos, immer und immer wieder. Wer aus der Geschichte nicht lernt, muss sie leider wiederholen.

Es sind die ganz großen und die ganz kleinen Dinge, die sich verblüffend ähneln. Anders gesagt, am Ende hat Alles mit Allem zu tun, direkt oder nur weitläufig verbunden.  Ich konnte das irgendwann auch an meiner eigenen Biografie entdecken.

Mein Vater war ein Schweiger. Aus einem protestantischen Pfarrhaus stammend,  war er Berufsoffizier geworden, weil das Geld, nach dem frühen Tod seiner Eltern, nicht für ein Studium reichte. In der Reichswehr wurde er Ingenieur.  Dann musste er wie alle Soldaten in den Krieg ziehen. Er wurde bald schwer verwundet und war nicht mehr diensttauglich, nur noch für Schreibtischarbeit einsetzbar. Ein Glück, oder doch nicht?

Er meinte einmal, als Ingenieur habe er an der Fertigung der V2-Rakete mitgewirkt.  Am Ende des Krieges war er in der Nähe von Erfurt stationiert gewesen. Aus der „Ostzone“ flüchtete er in den Westen, als die Russen alle in ihrem Bereich verbliebenen Mitarbeiter an der V2 einsammelten und nach Baikonur schafften, um eigene Raketen zu bauen, so wie im Westen die Amerikaner.  Ich hatte immer das Gefühl, dass an dieser Geschichte etwas nicht ganz stimmte, wichtige Details fehlten. Doch mein Vater war ein ruhiger, freundlicher, in sich gekehrter Mann, ich vergaß das alles im Laufe der Zeit.

Eines Tages sah ich im Fernsehen eine Dokumentation über das KZ-Lager Nordhausen bei Erfurt, dessen Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen zum Bau der V2 in unterirdischen Bunkeranlagen gezwungen wurden.  Mein Vater war da schon gestorben, aber die Stichworte V2 und Nordhausen ließen ein ungutes Gefühl wach werden. Wo sonst hätte er in der Nähe von Erfurt an der V2 arbeiten können? Niemand entgeht der Vergangenheit.

Meine genealogische Neugier stieß in meiner eigenen Familie nicht auf großes Interesse. Doch eines Tages schenkte mir eine Tante handschriftliche Aufzeichnungen von einem Onkel ihres Vaters, der sich mit Familiengeschichte beschäftigt und Kirchenbücher ausgewertet hatte. Zettel in  Sütterlinschrift, schwer zu entziffern; ich legte alles in einen Karton und vergaß es.

Doch während des Geschichtsstudiums streiften wir auch die verwandten  Themen Heraldik und Genealogie, und lasen in den verzwickten Stammbäumen des europäischen Hochadels.  Rebellisch dachte ich, jeder hat doch seinen eigenen Stammbaum, nicht nur der Adel. Jeder ist genetisch durch seine Vorfahren beeinflusst, ihre Berufe, ihre Wanderungen, ihr Leben und Sterben. Warum das nicht erforschen?

Ich nahm mir den Karton mit den Zetteln meines entfernten Vorfahren und begann alles zu entziffern und zu ordnen. Plötzlich entfaltete sich ein Panorama von Schicksalen vor mir, von Aufstieg und Fall, Armut und Reichtum, von Seuchen und hoher Kindersterblichkeit. Darunter waren Bauern, Pfarrer, Lehrer und sogar Erfinder.  Ausgewandert waren auch einige. Ich suchte über das Internet und fand tatsächlich in den USA und auch in anderen Ländern heutige Namensvettern.

Doch eines Tages fand ich noch mehr. Menschen, viele Menschen, mit meinem Nachnamen, waren in den Todeslagern der Nazis umgebracht worden. Es waren Juden, doch in meiner Familie hatte es keine Juden gegeben. Wie konnte das sein?  Ich fand die Spur in den  Zetteln.

Tatsächlich war vor über 250 Jahren ein Bauernbursche Richtung Amsterdam aufgebrochen, um sein Glück in der neuen Welt zu suchen. Doch er hatte das Schiff nach Amerika nie bestiegen, sondern sich offenbar in die Tochter eines jüdischen Kaufmanns verliebt, hatte sie geheiratet und war geblieben.  Es gab reichlich Nachkommenschaft, und von den Nach-Nachkommen wurden viele von den Nazis ermordet. Ihre Namen zieren heute Gedenklisten der Opfer.  Mir gefror das Blut in den Adern, es war eigentlich nicht meine persönliche Geschichte und doch war es meine Geschichte.

Niemand entgeht der Vergangenheit.

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