Steady Newsletter: Alltag, Rituale und Routinen
Meine liebe Steady Crowd,
der September ist fast vorbei und hier kommt der nächste Newsletter. Heute soll es um Rituale und Routinen im Alltag gehen und warum sie mir aktuell so wichtig sind.
Bild: Chiara Doveri
Mein Alltag ist ziemlich voll. Da sind Schule und Kindergarten mit Elternabenden, Elterngesprächen, Gesamtelternvertretungsversammlungen, Hausaufgaben, notwendigen Besorgungen, Begleitung. Da ist meine Arbeit, bei der ich das Gefühl habe, mich etwas besser strukturieren zu müssen, um zuverlässiger Content bieten zu können. Da ist die laufende Scheidung und all die kleinen und großen Diskussionen und die Termine bei der Anwältin, die finanzielle Belastung durch den Trennungsunterhalt, der organisatorische Aufwand, was die Umgangszeiten angeht.
Da sind soziale Kontakte, die gepflegt werden wollen, das Orchester, in dem ich jetzt mitspiele, da ist meine Therapie und all die damit verbundene emotionale und mentale Arbeit. Da ist der Haushalt. Und für Selbstfürsorge muss ich ja auch noch Zeit finden.
Es ist viel. Es ist schon viel, wenn es mir gut geht und wenn es mir nicht gut geht, wird es noch mehr. Was ich im letzten Jahr aber sehr deutlich gelernt habe, ist wie wichtig Prävention ist. Und gerade da kommen meine Routinen ins Spiel.
Haushaltsroutinen
Ich bin so eine mittelgute Hausfrau. Ich mag Haushalt nicht, ich bin eigentlich super chaotisch, aber ich brauche für meine mentale Gesundheit ein Mindestmaß an Ordnung und Sauberkeit. Eine Haushaltshilfe kann ich mir aktuell nicht leisten, outsourcen ist also gerade keine Lösung.
Meinen Haushaltsplan habe ich schon vor einigen Jahren erstellt, er ist exakt auf meine Ausreden angepasst und funktioniert für mich. Den Link zum selbst Bearbeiten findet ihr hier (Öffnet in neuem Fenster) und zum Download gibt's den Plan hier (Öffnet in neuem Fenster). Optisch bin ich noch nicht so glücklich, aber gerade hat anderes Priorität.
Der Plan ist die eine Sache - ihm folgen die andere. Seit ich alleinerziehend bin, fällt es mir tatsächlich leichter. Die Aufgabenverteilung ist klarer: Ich bin für alles allein verantwortlich. Das ist auf der einen Seite schwer, auf der anderen fallen die Absprachen und Diskussionen weg, wer was übernehmen kann.
Meine mentale Einstellung dazu ist gerade: Ich mache abends noch eine Sache, für die ich mir am nächsten Tag dankbar sein werde. Ich will unser Zuhause schön machen für die Kinder und mich. Ich kümmere mich um die äußere Ordnung, damit wir es im Alltag leichter haben.
Ein bisschen ist auch innerer Druck dabei: Ich habe große Versagensängste. In meinem Kopf steht mir quasi täglich das Jugendamt auf der Türschwelle und bewertet, wie gut ich mich um die Kinder kümmere. Das ist natürlich absolute Katastrophisierung, das Jugendamt ist weit davon entfernt, überhaupt in meine Nähe zu kommen und würde auch niemals einen "normal chaotischen" Haushalt verurteilen. Ich weiß auch, dass diese Angst, jemand könnte mir sagen, dass ich mich nicht gut genug um die Kinder kümmere, sehr tief sitzt und überhaupt keinen Bezug zum Alltag hat. Ich habe die Große ja mit 21 bekommen, ich wirkte damals eher so wie 18 und habe teils ganz schön vernichtende Blicke in der Öffentlichkeit bekommen oder habe es zumindest so empfunden. Nach der Geburt kam dann diese irrationale Angst, jemand könnte sagen, dass ich zu jung wäre für mein Kind und es mir wegnehmen. Das ist definitiv ein Thema, an dem ich arbeiten muss, denn im Grunde weiß ich, dass ich mich gut um die Kinder kümmere und sie mit allem versorgt sind. Niemand denkt auch nur im Ansatz daran, mir die Kinder wegzunehmen. Ich versuche, diesen Gedanken umzuformulieren in: Wenn morgen eine fremde Person meinen Haushalt besuchen würde, soll er in einem einladenden Zustand sein.
Ich habe eine feste Zeit, zu der ich mich um den Haushalt und die täglichen Aufgaben kümmere. Nach dem Abendessen haben die Kinder Hörspielzeit (ich bin noch dabei zu etablieren, dass sie vorher 5 Minuten aufräumen), währenddessen räume ich auf.
Diese Routinen sind mittlerweile so fest, dass ich sie auch dann schaffe, wenn es mir nicht gut geht. Das absolute Minimum ist definiert. Dadurch ist der Haushalt meist so einigermaßen im Griff und das entspannt den Alltag immens.
Rituale mit den Kindern
Bild: Chiara Doveri
Mit den Kindern habe ich viele kleine Rituale geschaffen. Meist kamen sie daher, dass es organisatorische Schwierigkeiten gab und ich sie auf eine verbindende Weise lösen wollte.
Morgens am Frühstückstisch lese ich vor. Das kam daher, dass es immer ein Akt war, die Kinder morgens aus dem Bett zu bekommen. Seit sie sich auf das nächste Kapitel freuen, klappt das deutlich besser - denn ich schaffe nur ein ganzes Kapitel, wenn sie früh genug da sein. Denn der Zeitpunkt, zu dem sie spätestens zur Schule müssen, steht fest.
Damit ich morgens die Ruhe zum Vorlesen habe, muss ich die Brotdosen der Kinder abends vorbereiten. Die Zeit fehlt mir sonst morgens und es wird wieder stressig. Der Gedanke an einen entspannten Morgen hilft mir, abends an diese kleine Routine zu denken.
Freitags ist Filmabend. Ich bin Freitag abends meistens ganz schön erledigt von der Woche und würde gern ruhig ins Wochenende starten. Eine schöne Zeit, in der wir gemeinsam entspannen, hilft dabei. Entweder schaue ich den Film mit oder ich erledige die organisatorischen Aufgaben, die noch vor dem Wochenende fertig werden müssen. Dafür ist Raum und Ruhe, wenn die Kinder einen Film schauen. Wir bereiten immer ein Tablett mit Obst, Gemüse und "Kinderchips" (Pombären) vor und die Kinder sind alt genug, um das selbst machen zu können. Sie haben auch viel Spaß dabei, dieses Ritual ist für mich also eine große Entlastung. Damit keine großen Diskussionen beim Film entstehen, suchen wir wöchentlich abwechselnd aus. Ich möchte noch etablieren, dass die Auswahl am Donnerstag stattfindet, damit sich alle für Freitag schon darauf einstellen können.
Damit das Wohnzimmer bereit ist für den Filmabend, räumen wir vorher gemeinsam die Wäsche weg. Donnerstags ist ja laut Haushaltsplan das Bad dran, da werfe ich auch noch eine Ladung Wäsche in die Waschmaschine und hänge sie abends auf. Dann ist sie am Freitag trocken und wir räumen sie abends zusammen ein. Ohne Wäscheständer ist das Wohnzimmer viel gemütlicher. Meist klappt das tatsächlich ziemlich gut.
Am Donnerstag haben die Mädchen abwechselnd Quality Time mit mir. Das klappt deswegen so gut, weil der Jüngste am Donnerstag Nachmittag beim Papa ist. Eins der Mädchen geht jeweils selbstständig nach der Schule ins Jugendzentrum, mit dem anderen verbringe ich Zeit. Wir besprechen Wünsche schon im Vorfeld. Dieses Ritual entspannt meinen Alltag immens, weil ich vorher immer das Gefühl hatte, dass irgendein Kind zu kurz kommen könnte.
Bild: Chiara Doveri
Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Kind im Alltag mal zurückstecken und warten muss. Wenn aber klar ist, dass es regelmäßig ungestörte Zeit nur mit mir gibt, wissen sowohl das Kind als auch ich, dass wir das aufholen und kompensieren können. Es ist etwas anderes, wenn ich sage "Bitte warte jetzt doch mal, ich muss mich um ... kümmern." oder wenn ich sage "Ich muss mich jetzt erst mal um ... kümmern, aber wir nehmen uns am Donnerstag ganz viel Zeit dafür, ja?".
Der Jüngste hat dienstags Quality Time mit mir, da sind am Nachmittag die Mädchen beim Papa.
Samstags frühstücken wir im Bett. Das ist etwas, das sich die Kinder sehr gewünscht haben. Meistens gibt es Waffeln, zur Not kaufe ich die tatsächlich auch einfach fertig. Obst und Sahne dazu, die Kinder sind glücklich, wir starten gemütlich ins Wochenende und dass wir danach alle gemeinsam das Bett ab- und neu beziehen, ist auch logisch, wir haben schließlich gekrümelt.
Freundschaften pflegen
Das Sozialleben zu pflegen ist oft ziemlich schwierig, sobald man Eltern wird. Ich habe auch dafür mittlerweile ein paar Routinen. Einmal die Woche videotelefoniere ich mit einer Freundin aus Unizeiten, die in Belgien wohnt. Ungefähr einmal die Woche gehe ich mit dem Baby einer anderen Freundin spazieren, danach trinken wir noch Kaffee zusammen oder essen zu Mittag. Einmal die Woche (mit Unterbrechungen) gehe ich mit einer anderen Freundin spazieren zum Grab ihrer Tochter. Unregelmäßig treffe ich mich mit Kolleginnen oder Freundinnen zum Mittagessen oder auf einen Kaffee zwischendurch und Freitag oder Samstag abends kommt mein Babysitter und ich unternehme meistens etwas mit anderen.
Gerade versuche ich noch zu etablieren, dass ich sonntags Sprachnachrichten an Freund:innen und meine Mutter schicke, um wenigstens ein bisschen in Kontakt zu bleiben. Viele meiner Unibekanntschaften leben ziemlich verstreut in der Welt, kommen aber immer mal wieder auch nach Berlin zu Besuch.
Selbstfürsorge Rituale
Bild: Chiara Doveri
Ich habe mich selbst viel zu lange vernachlässigt. Da meine Belastungen jetzt größer geworden sind, weiß ich, dass ich auch regelmäßig Entlastung brauche. "Wenn du keine Zeit für deine (mentale) Gesundheit hast, musst du dir irgendwann Zeit für Krankheit nehmen" - das habe ich auf die harte Tour gelernt.
Ich habe einige kleine Selbstfürsorgerituale, aber ich mache sie meist phasenweise. Jetzt weiß ich genau, dass ich sehr viel mehr brauche als ich mir meistens zugestehe. Meine Ressourcen müssen größer sein als meine Belastungen. Je mehr Belastungen da sind, desto mehr muss ich für einen Ausgleich sorgen - und zwar präventiv.
Dass ich meinen Alltag sehr flexibel gestalten kann, ist ein großer Vorteil und Luxus. Ich habe mir manche Freiheiten früher nicht zugestanden, weil ich es irgendwie "unfair" gefunden hätte anderen gegenüber, aber letztendlich bringt das ja auch niemandem etwas.
Ich frühstücke morgens meistens erst, wenn ich den Jüngsten in die Kita gebracht habe, weil ich dann Ruhe und Zeit für mich habe. Ich lege mich in meine geliebte Hängematte und starte den Arbeitstag entspannt, selbst wenn viel ansteht. Ich habe wieder angefangen (viel) zu lesen, das mache ich meist abends, wenn die Kinder schlafen. Wenn die Energie nicht reicht, schaue ich eine Serie. Ich laufe viel zu Terminen, wenn das machbar ist, weil mir Spazierengehen gut tut, und meistens habe ich dabei Musik auf den Ohren. Sport geht gerade unter, aber gerade sehe ich das entspannt. Irgendwann finde ich wieder mehr Zeit dafür und mein Alltag ist sehr bewegt. Ich spiele im Orchester (Donnerstag Abend, was für mich super passt, weil der Jüngste da meistens beim Papa schläft und die Leihoma die Mädchen ins Bett bringt). Dadurch habe ich auch wieder mehr Motivation, Geige zu spielen, schließlich muss ich regelmäßig üben, um bei den Proben mithalten zu können.
Der Alltag ist immer noch ganz schön voll, manchmal hetze ich gefühlt nur von Termin zu Termin. Aber die kleinen Routinen und Rituale strukturieren ihn, halten ihn übersichtlich, geben Halt und das Gefühl, dass doch so insgesamt eigentlich Raum für alles da ist, was ich brauche. Vielleicht nicht jeden Tag, aber regelmäßig. Und das gibt mir ein gutes Gefühl.
Wie ist das bei euch? Mögt ihr erzählen?
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Habt einen guten Start in den Oktober!
Alles Liebe,
Anna