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ADHS und Hausärzte

Diesen Beitrag hatte ich auf meinem Zweit-/Dritt-/Viertblock Psycho-Handwerker bei DocCheck heute gepostet. Aber er ist nicht für alle frei lesbar,
Daher ein Repost von mir von mir selbst….

ADHS: Worauf Hausärzte achten sollten

Die ADHS-Diagnose ist ein Wendepunkt im Leben der Patienten. Wie die Betreuung Betroffener in der Hausarztpraxis trotz Versorgungslücken gelingt, erfahrt ihr hier.

Die Versorgung von Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (Öffnet in neuem Fenster) (ADHS) stellt eine erhebliche Herausforderung im Gesundheitssystem dar. Ein zentrales Problem sind der Mangel und die langen Wartezeiten für Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere bei Fachärzten für Psychiatrie, psychotherapeutischen Behandlungsplätzen sowie Zugängen zu spezialisiertem Coaching.

ADHS kommt selten allein

Aus meiner Erfahrung ist die Diagnosestellung von ADHS oft ein Wendepunkt im Leben der Betroffenen. ADHS ist weit verbreitet; 20–59 % aller Patienten in ambulanter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung zeigen eine ADHS-Disposition. Und natürlich nicht nur Defizite, sondern auch ganz viele Stärken und tolle Eigenschaften. In unserer psychosomatischen Klinik beobachten wir aber, dass besonders Erschöpfungszustände in der Perimenopause bei Frauen oder langjährig wiederkehrende Depression mit Stimmungsschwankungen, jedoch erhöhtem Antrieb, auf ein mögliches ADHS-Syndrom bzw. ein Erschöpfungssyndrom bei lebenslanger Überkompensation hinweisen können. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn auch weitere Familienmitglieder von Neurodiversität (wie dem Autismus-Spektrum (Öffnet in neuem Fenster), ADHS, Legasthenie (Öffnet in neuem Fenster)) betroffen sind oder Lernstörungen und ungerade Lebensläufe mit häufigen Abbrüchen oder Jobwechseln resultieren.

ADHS tritt selten isoliert auf. Neben den psychischen Begleiterkrankungen sind auch viele somatische Erkrankungen direkt oder indirekt von der Fähigkeit zur Selbstkontrolle, die bei ADHS beeinträchtigt sein kann, abhängig. Dies ist relevant für die Prognose vieler Erkrankungen wie z. B. Diabetes, Selbststeuerung bei Adipositas oder anderen chronischen Erkrankungen.

Diagnostik nicht unterschätzen

Die Anzahl der Fachärzte, die sich auf ADHS spezialisieren, ist unzureichend. Die Behandlung ist oft nicht kostendeckend, was zu langen Wartezeiten und einer Unterversorgung führt. Viele therapeutische Angebote, insbesondere spezialisiertes ADHS-Coaching, müssen oft selbst finanziert werden, da sie nicht immer von den Krankenkassen übernommen werden. Die Verordnung von psychisch-funktioneller Ergotherapie stellt hierbei nur eine begrenzte Unterstützung dar. Die Diagnostik sollte jedoch nicht unterschätzt werden; auch wenn ADHS-Screener Frauen mit ADHS möglicherweise nicht identifizieren, bieten sie dennoch einen wichtigen Ausgangspunkt.

Als Hausärzte spielen Ärzte eine entscheidende Rolle als erste Anlaufstelle für Betroffene. Ihre Aufgabe ist es, Symptome zu erkennen, eine vorläufige Diagnose zu stellen und Patienten an die richtigen Fachärzte und Therapeuten zu verweisen, auch wenn dies oft mit einer langen Suche und Wartezeit verbunden ist.

Wann ihr an ADHS denken solltet

  • Familiäre Disposition: ADHS oder ähnliche Symptome bei direkten Familienangehörigen weisen auf eine genetische Komponente hin.

  • Therapieresistenz bei Depression: Mehrere erfolglose Behandlungsversuche bei Depression oder Angststörungen, besonders wenn herkömmliche Antidepressiva oder Verhaltenstherapie keine oder nur geringe Wirkung zeigen.

  • Früher Beginn der Symptome: Berichte über Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten oder impulsives Verhalten, die bereits in der Kindheit begannen.

  • Eingeschränktes Funktionsniveau für Alltagsanforderungen: Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben und Anforderungen zu bewältigen, die nicht durch andere medizinische oder psychische Ursachen erklärt werden können. Hohes Funktionsniveau, wenn es um andere geht. Scheinbar paradoxe Defizite der Selbstfürsorge bzw. Alltagsaufgaben (Rechnungen bezahlen, Steuer, Haushalt, Ordnung).

  • Chronische Desorganisation und Vergesslichkeit: Anhaltende Probleme mit der Organisation des Alltags und Vergesslichkeit, die über normale Vergesslichkeit hinausgehen.

  • Impulsive Entscheidungen und Handlungen: Tendenz zu spontanen, oft unüberlegten Entscheidungen in wichtigen Lebensbereichen.

  • Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen: Probleme, stabile Beziehungen zu pflegen, aufgrund von Missverständnissen oder Konflikten, die durch Impulsivität oder Unachtsamkeit verursacht werden.

  • Hohe Stressanfälligkeit bei Multitasking: Übermäßiger Stress und Überforderung beim Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen.

  • Stimmungsschwankungen und affektive Labilität: Schneller Wechsel der Stimmungslage ohne erkennbaren äußeren Anlass, Wutausbrüche bzw. geringe Frustrationstoleranz.

Und was ist mit Medikamenten?

Ein wichtiger Aspekt Ihrer Rolle ist die Verschreibung von Medikamenten, insbesondere Psychostimulanzien, in Zusammenarbeit mit Verhaltensstörungsexperten. Trotz der primären Zuständigkeit der Psychiatrie für diese Medikamente, fordern Versorgungslücken oft auch Hausärzte heraus, diese Aufgabe zu übernehmen, was fundiertes Wissen über ADHS-Medikation und deren Management voraussetzt.

Fazit: Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir Ärzte die Versorgungslücke bei ADHS anerkennen und alles in unserer Macht Stehende tun, um unseren Patienten die notwendige Unterstützung und Behandlung zu bieten. Wir verstehen ADHS und Autismus heute als Aspekte der Neurodiversität, nicht nur als Störung oder Defizit. Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Psychiatern, Psychotherapeuten und anderen Fachkräften ist entscheidend, um die Versorgung von ADHS-Patienten zu optimieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Quellen

ADHS-Screening-Fragebogen (WHO) (Öffnet in neuem Fenster)

DIVA-5 Fragebogen zur Diagnostik nach ICD 10  (Öffnet in neuem Fenster)

IDA-R Fragebogen (Pharmaindustrie) (Öffnet in neuem Fenster)

ADHS Hausarztbroschüre (Pharmaindustrie) (Öffnet in neuem Fenster)

Zentrales ADHS-Netz (Öffnet in neuem Fenster) (mit Regionalnetzen), nicht mehr wirklich aktualisiert

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