ADHS Ameisen
Zwischen Ameisen und Flügeln: Warum neurodivergente Menschen in der Arbeitswelt wie Schmetterlinge im Ameisenhaufen sind – und warum sie trotzdem bleiben
Es ist Montagmorgen, und das Büro erwacht wie ein sich selbst organisierender Ameisenhaufen. Die Luft summt, ein fast physisches Dröhnen der Effizienz liegt in der Luft. Um dich herum wimmeln sie, die Anzugträger, die 'Erfolgreichen'. Ihre Schritte folgen einem unsichtbaren Muster, als wären sie programmiert, wie eine Armee kleiner Maschinen, die in immer gleichen Zyklen arbeiten. E-Mails, Meetings, Deadlines. Die Taktik ist immer dieselbe: reibungslos und vorhersagbar. Für sie. Für dich ist es, als würdest du durch einen Nebel laufen, die Füße in zähem Morast. Du trägst denselben Anzug, trinkst denselben lauwarmen Kaffee, aber innerlich? Innerlich bist du woanders.
Du bist ein Schmetterling im Ameisenhaufen, und dein Gehirn gleicht mehr einem verrückten Kaleidoskop als einem gut geölten Uhrwerk. Während deine Kollegen strukturiert ihre Aufgaben abarbeiten, fliegst du gedanklich zwischen Themen hin und her. Du siehst nicht nur das Offensichtliche, sondern die verborgenen Verbindungen zwischen den Dingen, die anderen entgehen. Dein Verstand schießt Funken – wild, chaotisch, oft genial. Und doch spürst du den Druck, den Ameisenweg zu gehen. „Anpassen“, sagt man dir, „es ist der einzige Weg zum Erfolg.“
Aber du weißt, dass das nicht stimmt. Du hast diesen Moment schon oft erlebt: eine Art Klarheit, fast wie ein Blitzschlag, in dem dir bewusst wird, dass das, was sie tun, vielleicht kurzfristig Erfolg bringt, aber dich auf lange Sicht lähmt. Du siehst die Zukunft vor dir: eine Vision von dir selbst, wie du frei und kreativ arbeitest, ungebunden an ihre rigiden Systeme. Ein Arbeitsplatz, an dem Ideen wachsen dürfen, ungehindert von To-do-Listen und Mikromanagement. Wo du deinem inneren Antrieb folgst und die Projekte in deinem eigenen Rhythmus entwickelst – sprunghaft vielleicht, aber voller bahnbrechender Einfälle.
In dieser Vision bist du derjenige, der Innovationen schafft, während die anderen sich um Routineaufgaben kümmern. Du arbeitest nicht länger gegen deine Natur, sondern mit ihr. In dieser Welt würdest du nicht versuchen, ein Ameise zu sein – du würdest die Tatsache feiern, dass du ein Schmetterling bist. Statt in einem Meer aus Excel-Tabellen zu ertrinken, würdest du die großen Zusammenhänge erkennen und Dinge voranbringen, die den Ameisen nie in den Sinn kommen würden. Du würdest die Regeln brechen, das ganze System umkrempeln, weil du weißt, dass es funktioniert. Anders. Besser.
Und doch, während du am Schreibtisch sitzt und den kalten Kaffee in der Hand hältst, tust du nichts davon. Du bleibst. Du bleibst in ihrem System, in dieser Welt, die nicht deine ist. Warum? Weil es sicherer ist. Weil es einfacher ist, sich in das Muster einzufügen, das die anderen vorgeben. Die Struktur gibt dir eine Art Komfort, auch wenn sie dich erstickt. Der Ameisenweg ist unbequem, aber er ist bekannt. Und wenn du versuchst, ihn zu verlassen, begegnest du dem tief verwurzelten Widerstand: „Warum solltest du anders sein? Warum kannst du nicht einfach funktionieren wie sie?“
Es ist, als würde ein unsichtbares Band dich zurückhalten. Du kennst die Konsequenzen, wenn du aufhörst, dich anzupassen: die schiefen Blicke, das stille Urteil, die Frage, warum du nicht produktiv genug bist. Warum du nicht effizient genug bist. Warum du nicht „normal“ bist. Also machst du weiter. Du schreibst die E-Mails. Du sitzt in den Meetings. Du biegst dich und drehst dich, damit du irgendwie in ihre Kästchen passt, auch wenn es sich anfühlt, als würdest du innerlich brechen. Und während du das tust, wird deine Vision von der Freiheit blasser, verschwindet Stück für Stück.
Aber die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass du es anders machen könntest. Du könntest in den Besprechungen aufstehen und sagen: „Ich werde es anders angehen. Das hier funktioniert für mich nicht.“ Du könntest aufhören, ihre E-Mails nach der vierten Zeile zu lesen, weil du weißt, dass das Wesentliche bereits in der ersten steht. Du könntest Projekte auf deine Art umsetzen, weil dein Gehirn weiß, wie es die komplexesten Probleme löst – nicht linear, sondern durch kreative Explosionen. Und ja, es wäre riskant. Ja, du würdest anecken. Aber in deiner Vision, in dieser besseren Version deiner Arbeitswelt, würdest du nicht nur überleben. Du würdest brillieren.
Doch du tust es nicht. Du machst weiter, als wärst du eine dieser Ameisen. Jeden Tag fühlst du die Last der Anpassung auf deinen Schultern, die dich zu Boden zieht, deine Flügel schwer macht. Du merkst, wie deine Energie schwindet, wie dein inneres Feuer langsam, aber sicher verlöscht. Weil es bequemer ist, sich zu fügen, als zu kämpfen. Du siehst die Lücken im System, die Fehler, die sie übersehen. Du weißt, dass du es besser machen könntest, aber das Risiko, das Unbekannte, das Sich-ständig-Erklären-Müssen, hält dich zurück.
Vielleicht hoffst du, dass eines Tages jemand kommen wird, der das alles sieht. Jemand, der erkennt, dass die neurodivergenten Schmetterlinge nicht Fehler im System sind, sondern das, was dem System fehlt. Aber bis dahin? Bleibst du ein Schmetterling, der sich unter die Ameisen mischt. Du trägst denselben Anzug, trinkst denselben kalten Kaffee, und fragst dich jeden Tag: „Warum zur Hölle tun wir das alles?“
Vielleicht gibt es keine klare Antwort. Vielleicht liegt die Antwort in der Frage selbst: dass du es nur dann herausfinden wirst, wenn du aufhörst, zu fragen, und endlich anfängst, zu fliegen.
Wir hatten gerade bei Dr. Antje Heyer (Öffnet in neuem Fenster) ein tolles Seminarwochende in Lübeln zu Neurodiversitaet, das ganz offensichtlich inspiriert. Wenn Du auch auf der Suche nach deinen Flügeln bist, schliesse dich uns vielleicht in der ADHSSpektrum Community an und Lebe ein (Arbeits-)Leben, das nicht durch Verstecken sondern Akzeptanz der individuellen Stärken und Bedürfnisse geprägt ist. Zum Nutzen von Firmen und von Dir. Und für mehr Freiheit für beide.
Was sind deine Gedanken zu den fleissigen Ameisen, ihren Ameisenpfaden und der Freiheit von Flügeln? Lass uns den Start in die Woche mit ein wenig Utopie und Selbstfürsorge starten. Ach ja, teile den Beitrag bzw. markiere Kolleginnen und Kollegen, damit er Flügel bekommt :-)
Den Text habe ich heute auf meinem LinkedIn-Account schon veröffentlicht