Unternehmertum und Wachstum: Wohin wollen wir wachsen?
#11 : Die Verteidigung des unternehmerischen Wachstums
Dies ist die elfte Ausgabe von 4. Mio+ , dem regelmäßigen Briefing von Cathi Bruns. Diesmal:
Wachstumskritik und Unternehmertum als Gegenbewegung
Ein Gespräch mit Justus Enninga, Ökonom und Wirtschaftsjournalist, über die moralische Pflicht zu wachsen
Ein paar Gedanken zur Rolle der Selbstständigkeit bei Transformationsprozessen
..und der Einsatz für die Selbstständigkeit wird wichtiger!
Hi.
Nach 10 Ausgaben und einer kurzen Pause ist 4. Mio+ zurück. ✌️
Die Verzögerung tut mir leid, aber untätig war ich war nicht. Im Gegenteil: Es gab wieder viel Gelegenheit die Selbstständigkeit zu verteidigen.
Alle reden von Wachstum, aber einige glauben auch an „Postwachstum“ 😵💫
Kürzlich war ich zum Beispiel Teil einer Diskussion zum Thema „Postwachstums-Ökonomie“. In den letzten Jahren macht der Ruf nach einem Umbau der Wirtschaft zu einer Gesellschaft ohne Wachstum, immer mal wieder die Runde.
Jetzt, wo auch Deutschland kein ausreichendes Wirtschaftswachstum (Öffnet in neuem Fenster) hervorzubringen droht, mutet die Debatte besonders schräg an.
Schon immer tarnte sie sich Wachstumskritik als gemeinwohliger Fortschritt, ist aber in Wirklichkeit nichts als ein Albtraum, der selbstverständlich auch das freie Unternehmertum vollkommen zur Strecke bringen würde.
Denn keins der Argumente der Postwachstums-Apologeten hält einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung in der Realität stand: So zu tun, als könnten Unternehmen da einfach planvoller weiterarbeiten und nur noch das produzieren, was wirklich gebraucht wird, oder zwar im privaten Eigentum verbleiben, aber dabei staatlich gelenkt werden, ist nichts anderes als die irrsinnige Abkehr von der Marktwirtschaft, mit dem Resultat, nichts als Armut und Unfreiheit zu schaffen.
Und nur darum beschäftige ich mich überhaupt damit. Es gilt, gegenzuhalten.
Wenn man sich für Selbstständigkeit, Unternehmertum und Innovation stark macht, muss man auch Wachstum verteidigen. Denn nur Unternehmertum bringt Fortschritt und Aufstieg für alle. Und wenn wir da alle mehr mitmischen, haben wir die besten Chancen auf eine klar wertebasierte Wirtschaftsweise für bessere Produkte, neue Dienstleistungen und Nachhaltigkeit.
Warum Wachstum auch für eine moderne Gesellschaft so wichtig ist, und warum wir es unter allen Umständen und auch gegen die vielen Leitartikel und antikapitalistischen Bestseller unbedingt unternehmerisch verteidigen sollten, kläre ich daher gern in dieser Ausgabe.
Das Postwachstumsszenario ist allerdings nicht die einzige Transformation, die nicht wünschenswert ist. Viel wahrscheinlicher ist die „Großkonzernisierung“ der Arbeitswelt, die schon jetzt von politischen Entscheidungen und einer arbeitsgesellschaftlichen Abkehr von der Selbstständigkeit getrieben wird.
Derartige Entwicklungen machen auch vor den Freien Berufen nicht Halt. Die Transformationsprozesse dort zeigen beispielhaft, wohin die Reise geht, wenn wir unsere Selbstständigkeit jetzt nicht verteidigen.
Wie schaffen wir es, Wachstum, die Entwicklung zur „Großkonzernisierung“ und Verteidigung des unabhängigen Unternehmertums in Einklang zu bringen?
Ohne Selbstständigkeit ist die Gesellschaft nicht unabhängig, ohne Voraussetzungen für Wachstum wird ein System autoritär. Man muss das so klar sagen. Es ist kein freiheitliches Denken, Wachstum zu verteufeln.
Gleichzeitig müssen wir uns für die wichtigen Transformationsprozesse auch selbst zuständig machen, etwas Eigenes bauen, erhalten und weiterentwickeln, damit wirtschaftliche Macht sich nicht auf zu wenige Akteure konzentriert.
Wer baut die Zukunft? Damit der Wandel gelingt, braucht es Selbstständigkeit.
Darum geht es heute: Die Verteidigung des unternehmerischen Wachstums.
Warum muss uns das beschäftigen?
Deutschland hat alles, was es für Wirtschaftswachstum braucht. Trotzdem haben wir derzeit ein Wachstumsproblem. Die Wirtschaft ist in die Stagnation geraten, das deutsche Erfolgsmodell bröckelt. Im Land des industriellen Mittelstands und der Automobilindustrie sind die Rahmbedingungen für Wachstum durch Standortfaktoren wie hohe Energiepreise, hohe Arbeitskosten und hohe bürokratische Anforderungen in letzter Zeit immer schlechter geworden.
Die privaten und vor allem die staatlichen Investitionen fehlen, auch wenn es an Geld nicht fehlt. Das Land hat viel zu lange von der Substanz gelebt und auch noch falsche Prioritäten gesetzt. Der Wohlfahrtsstaat wurde immer größer, aber nun wackeln die Brücken, die Schulen vergammeln, die Selbstständigen werden weniger, die Nachfolge-Lücke immer größer: Deutschland hat ein ganz grundsätzliches Problem: Es fehlt die Aufbruchstimmung.
Ich möchte in dieser Ausgabe über Wachstum sprechen, weil ich den Rückgang der unternehmerischen Ambitionen und der selbstständigen Arbeitsform mit großer Sorge beobachte. Und weil es zwischen der unselbstständigen Gesellschaft und fehlendem Wachstum einen Zusammenhang gibt.
Unternehmertum ist die Gegenbewegung zu Abstieg und Flaute
Selbstständigkeit ist nicht nur die Chance auf persönliches Wachstum. Sondern selbstverständlich spielt Selbstständigkeit und neues Unternehmertum eine entscheidende Rolle für gesellschaftliche Innovation und Wirtschaftswachstum. Welt.de (Öffnet in neuem Fenster) berichtete kürzlich über eine aktuelle EY-Studie die belegt, dass deutsche Konzerne zu satt und zu behäbig sind - Deutschland hinke hinterher und das sei eben auch selbstverschuldet.
Wir werden immer mehr zu einem Land voller angestellter Manager und fesselnder Bürokratie, aber mit zu wenig freien Unternehmerinnen und Unternehmern, die noch Risiken eingehen und überall enthusiastisch ankurbeln.
„Wenn eine Gesellschaft ihren Anspruch auf Selbstständigkeit aufgibt, verlieren wir Freiheit. Dagegen wehre ich mich.“
Ich habe das in einem Interview (Öffnet in neuem Fenster) gesagt, ich hab es im Vortrag wiederholt und ich wiederhole es auch hier nochmal.
Wenn wir Unternehmertum weiter erschweren, unsere Selbstständigkeit aufgeben, Freiheit beginnen umzudeuten oder gar zu belächeln, Inhaberschaft lieber abgeben, unternehmerische Verantwortung immer weiter durchreichen, bei Eigentum bloß abwinken und Wachstum verächtlich machen - dann promoten wir ein gefährliches Verarmungsprogramm und machen ebenso die freiheitliche Werteordnung und Demokratie verächtlich. So deutlich muss man es sagen.
Um da raus zu kommen, müssen wir radikal kultivieren, was Werte schafft und dafür selbst an die Arbeit gehen: Mehr Selbstständigkeit, mehr Unternehmertum. Schöpferische Zerstörung, statt unkreative Schrumpfung (Öffnet in neuem Fenster).
Sorry für die Unbequemlichkeiten, aber es wird dringlicher.
Die Lage
Es ist keine Neuigkeit ist, dass die Zahl der Selbstständigen in Deutschland auf historischem Tiefstand liegt. Laut statistischem Bundesamt beobachten wir einen Abwärtstrend, der nunmehr seit über 12 Jahren anhält. In Q2 2024 zählen wir laut Statistischem Bundesamt (Öffnet in neuem Fenster) nochmals 29.000 Selbstständige weniger. Doch solange die Beschäftigung steigt, also die Zahl der Angestellten stabil bleibt oder sogar wächst - auch wenn es sich um unproduktive Verwaltungsjobs handelt - verschleiert die Statistik die Probleme.
Angestelltenland baut auf sozialversicherungspflichtig Beschäftigung, nicht auf Selbstständigkeit. Das heißt aber auch: solange die Arbeitslosigkeit nicht hoch ist, wird es keine besseren Rahmenbedingungen für Selbstständigkeit geben.
Das letzte Mal, als es drastische Förderprogramme für mehr Selbstständigkeit gab, wurden sie für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus geschaffen. Einige erinnern sich vielleicht noch an die umgangssprachlich so genannte „Ich-AG“. Der damalige Existenzgründungszuschuss war von 2003 - 2006 aus arbeitsmarktpolitischer Sicht zwar überaus erfolgreich (Öffnet in neuem Fenster), wurde aber trotzdem schnell wieder zugunsten der Aufnahme einer Festanstellung reformiert.
Ich plädiere hier nicht für neue Förderprogramme, sondern erwähne es, weil ich es für einen Fehler halte, erst auf hohe Arbeitslosigkeit zu warten, um eine Kultur der Selbstständigkeit zu stärken.
Denn natürlich hat die fehlende Selbstverständlichkeit zur Selbstständigkeit und das mangelnden Interesse daran unternehmerisch tätig zu werden, Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt. Es hat Auswirkungen auf Mentalitäten und auf die Politik in diesem Land. Ich bin regelmäßig schockiert darüber, wie egal es allen ist, dass Selbstständigkeit hierzulande wie selbstverständlich als unattraktiv wahrgenommen wird.
Sichtbar wird das nicht nur durch die fehlenden Unternehmensgründungen oder keine Lust auf Nachfolge, sondern auch in den politischen Entscheidungen einer Regierung, die einst mit hohem Fortschrittsanspruch antrat.
Jedem muss klar sein: Nur freies Unternehmertum und Selbstständigkeit sind Garant für Wohlstand und Wachstum. Ohne die freie, kreative Gesellschaft, die sich selbst etwas für sich ausdenkt, sind wir verloren.
Auch bei niedriger Arbeitslosigkeit, ist fehlende Selbstständigkeit und der Mangel an marktwirtschaftlicher Kreativität ein großes Problem. Die „Großkonzernisierung“ schreitet voran und mit ihr die seelenlosen Jobs, die „Linkedinisierung“ der Arbeitskultur, die unselbstständige Gesellschaft, die sich auch noch für innovativ hält, weil sie glaubt eine 4-Tage-Woche sei „New Work.“
Aber warum überhaupt wachsen?
Warum Wachstum so wichtig ist und wir sogar eine moralische Verpflichtung haben ökonomisch zu wachsen, habe ich mit Justus Enninga besprochen.
Justus promoviert in politischer Ökonomie in London, ist Wirtschaftsjournalist bei The Pioneer in Berlin und Direktor Hekaton Cities bei dem Think Tank Prometheus.
Justus und ich kennen uns durch das Prometheus Institut, denn dort bin ich im Ehrenamt Teil des Kuratoriums und auch ehrenamtlich in das Hekaton (Öffnet in neuem Fenster) Mentoring-Programm involviert. Unabhängig davon waren wir beide kürzlich Teil einer schon oben erwähnten Diskussion (Öffnet in neuem Fenster) zur Wachstumsgesellschaft, veranstaltet durch die Friedrich Naumann Stiftung.
Es lohnt sich, die Wachstumsdebatte zu führen - denn es liegt ganz maßgeblich an uns allen in der Rolle der Unternehmerinnen und Unternehmer, der arbeitenden Bevölkerung und der Konsumenten, wie wir Arbeit und Wirtschaft, aber auch gesellschaftlichen Fortschritt in Zukunft gestalten möchten und was Wohlstand und Fortschritt bedeuten soll.
Das Gespräch
Lieber Justus,
warum müssen wir immer weiter wachsen?
Justus Enninga: Wir Ökonomen wissen bis heute nicht genau, wie wir weiter wachsen können. Es gibt keinen Wachstumsimperativ. Wir wissen aber, welche Vorbedingungen es notwendigerweise für Wachstum braucht:
Erstens: Marktwirtschaft statt Autoritarismus
Zweitens: Freier Flow von Wissen statt Zensur
Drittens: Wertschätzung von Unternehmertum statt Abwertung
Wer weniger wachsen will, macht einfach das Gegenteil: Autoritarismus, Zensur und Abwertung von Unternehmern.
Die meisten würden aber sagen: diese Vorbedingungen sind moralisch richtig - ganz egal, ob sie zu Wachstum führen oder nicht: Liberalismus und Marktwirtschaft sind moralisch richtig und führen - ganz nebenbei - auch noch zu Wachstum.
Deshalb haben wir die moralische Pflicht, weiter zu wachsen.
In den letzten Jahren wird verstärkt über eine Postwachstums-Ökonomie diskutiert. Haben die Postwachstums- und Degrowth-Fans einen Punkt?
Justus Enninga: Nein. Degrowther wollen Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und mehr Demokratie durch weniger Wachstum. Das Gegenteil trifft aber zu. Empirisch können wir beobachten, dass weniger Wachstum auf Dauer zu mehr Umweltzerstörung führt, weniger Wohlstand für die Armen schafft und die Robustheit unserer Demokratien bedroht.
Den einzigen Punkt, den sie haben: das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist kein perfektes Wohlstandsmaß. Das stimmt. Wirtschaftswachstum ist viel mehr als das BIP. Das wissen Ökonomen aber auch schon seit Jahrzehnten. Bisher ist nur noch keiner mit einer besseren Alternative um die Ecke gekommen. Also verwenden wir als gute Sozialwissenschaftler das beste Maß, das wir haben: das BIP.
Welche Rolle spielt Selbstständigkeit und neues Unternehmertum für das Wachstum?
Justus Enninga: Ohne privates Unternehmertum gibt es auf Dauer kein Wachstum. Autoritäre Staaten wie China können, wenn sie es clever anstellen, für einige Jahre wachsen, weil sie “catching-up”-Ökonomien sind: Sie kopieren und reproduzieren erfolgreiche Geschäftsmodelle.
Sobald sie aber entwickelt sind und zu “cutting-edge”-Ökonomien werden, brauchen sie privates Unternehmertum auf freien Märkten.
Denn niemand weiß, was das nächste große Ding ist. Nur das kreative Experimentieren von tausenden, gar Millionen von Unternehmern mit knappen Ressourcen bringt genug potenzielle Lösungen hervor, die dann im Wettbewerb ihren Erfolg beweisen müssen.
Ein zentraler Staat bietet immer nur wenige, zentral generierte Lösungen an. Dagegen ist die dezentrale Marktwirtschaft eine Maschine für die millionenfache Produktion und Selektion von Ideen.
Die deutsche Wirtschaft stagniert, bzw. schrumpft derzeit sogar, die Politik versucht daher, Wachstum anzukurbeln. Was braucht es deiner Meinung nach jetzt am dringendsten?
Justus Enninga: Unsere beste Chance ist die Stärkung von zwei der drei Vorbedingungen für Wachstum.
Wir müssen die Ketten um die Marktwirtschaft lockern. Die Ampel nennt das „Entbürokratisierung”, was nichts anderes als Deregulierung ist: Mehr Freiheit für Bürger, neue Lösungen auszuprobieren und im Wettbewerb gegeneinander zu testen.
Und wir brauchen mehr Wertschätzung für Unternehmertum. Das ist wohl der wichtigste Punkt. In Deutschland wird es nicht gefeiert, wenn man Unternehmer wird. Mir wird schon Angst und Bange, wenn ich in den Daten sehe, wie viele junge Menschen lieber beim Staat arbeiten als das Risiko der Selbstständigkeit einzugehen. Das ist der gruselige Vorbote von Stagnation und Abstieg.
Vielen Dank, lieber Justus!
..Ok, und jetzt?
Wachstum geschieht also auch ohne, dass wir uns Wachstum speziell vornehmen müssten, sondern spontan und unter den richtigen Voraussetzungen. Es gibt weder einen angeordneten „Wachstumszwang“, noch ist die Abkehr von wirtschaftlichem Wachstum irgendwie verheißungsvoll.
In einer Gesellschaft, in der es immer weniger Interesse an Selbstständigkeit und kaum unternehmerische Ambition gibt, verfangen sich die Postwachstums-Erzählungen allerdings womöglich besser - denn die Story vom zerstörerischen Zwang zu wachsen, überflüssiger Fülle und Ausbeutung hört sich für viele plausibel an.
Auch aus dem Grund ist die unselbstständige Gesellschaft so gefährlich: Man kann ihr alles erzählen. Es geht allerdings nicht darum, dass man den Kapitalismus nicht kritisieren darf oder sollte. Nein, es muss immer darum gehen, Systeme zu verbessern und auch wirtschaftliche Systeme weiterzuentwickeln. Den Kapitalismus kann man besser machen, alles andere jedoch, scheitert schon an den fehlenden Vorraussetzungen für Freiheit.
Das Schlimmste an der überzogenen Wachstumskritik ist, dass sie ihre autoritären Grundsätze verschleiert. Es gibt keinen freiheitlichen Weg, die Wirtschaft absichtsvoll zu schrumpfen. Und schon allein deshalb, muss man alle Degrowth-Fantasien strickt ablehnen. Nicht nur um reiche Gesellschaften zu schützen, sondern vor allem, damit Wohlstand in sich entwickelnden Ländern überhaupt möglich und erreichbar bleibt.
Aus Krisen kann man nur herauswachsen.
Die Wichtigkeit Kreativität, Selbstständigkeit und freies Unternehertum zu verteidigen, darf hier keinen Millimeter zurückweichen. Die satte Gesellschaft, die meint nicht mehr wachsen zu müssen, vergisst wie arm der Rest der Welt noch ist. Und, dass auch reiche Gesellschaften sich stets weiterentwickeln müssen, anstatt von sich selbst als fertiges Vorbild auszugehen. Ein Wahnsinn, mit welcher Nonchalance wir heute „Postwachstum“ und gar gefährlichen Degrowth-Quatsch diskutieren, als seien es fortschrittliche Ideen.
Das Befürworten, derart in Eigentums- und Einkommensverhältnisse eingreifen zu wollen, ist entweder die (un)bewusste Ablehnung ökonomischer Realitäten oder ideologische Verhärtung, die letztlich das Ende der freien Gesellschaft und Demokratie besiegeln würde.
Niemand, der bei Trost ist, wird diesen Ideen folgen. Von daher braucht man sich über die tatsächliche Umsetzung weniger Sorgen zu machen - solange noch für freiheitliche Werte, und dazu gehört die Marktwirtschaft und freies Unternehmertum, gestritten und diese Werte auch gelebt werden.
Das letzte Wort zur Degrowth-Debatte überlasse ich dem bekannten Programmier und Autor Paul Graham, der Folgendes dazu bei X schrieb:
https://x.com/paulg/status/1838912565906227346 (Öffnet in neuem Fenster)Unternehmerisches
☝️ Transparenz: Für Vorträge oder die Teilnahme an Panel-Diskussionen stelle ich selbstverständlich ein Honorar und etwaige Reisekosten in Rechnung. Das Aufgreifen der Thematik im Folgenden ist aber weder Teil von Vereinbarungen, noch ist es bezahlt. Ich berichte hier darüber, um die Debatte weiterzuführen und, wie in all meinen Beiträgen, um gesellschaftliche Entwicklungen hinsichtlich der Selbstständigkeit zu diskutieren.
Der Wandel der Arbeitswelt ist auch in den freien Berufen deutlich spürbar. Einen spannenden Wachstumsmarkt sehen wir zum Beispiel in der Tiermedizin. Und ein gutes Beispiel dafür, warum für wünschenswertes Wachstum die Rolle des freien Unternehmertums, inklusive der Eigentumsverhältnisse, so wichtig ist.
Letzten Monat konnte ich als in einem Vortrag beim DACH-Wirtschaftsforum des Bundesverbandes der praktizierenden Tierärzte (bpt) dazu ein paar Gedanken formulieren.
Dort habe ich die Selbstständigkeit verteidigt und über die „Großkonzernisierung der Arbeitskultur“ und „Corporatisierung“ der freien Berufe gesprochen. Wir sehen es in der Humanmedizin, wir sehen es bei Anwalts- und Steuerkanzleien und eben auch in der Tiermedizin.
Zwar wird in den freien Berufen natürlich noch gegründet, aber auch in vielen klassischen freien Berufen wird die Festanstellung immer beliebter. Laut deutschen Tierärzteblatt (Öffnet in neuem Fenster) wurde die Tierärzteschaft in den vergangenen 20 Jahren immer weiblicher und die Festanstellung gewann immer mehr an Bedeutung.
Wie überall im Mittelstand gerät die Selbstständigkeit unter Druck. Die Vorschriften werden immer mehr, Sicherheiten und Freizeit oder auch Vereinbarkeit wird den jüngeren Generationen und besonders Frauen immer wichtiger und dann geht die Präferenz eben nicht zur Selbstständigkeit, sondern zur Festanstellung. Obwohl es an Nachwuchs in der Branche nicht mangelt, haben niedergelassene Tierärzte es hierzulande schwer, junge Nachfolger zu finden, die ebenfalls noch eine eigene Praxis führen möchten.
Gleichzeitig erleben wir die verstärkte Übernahme von Praxen und Kliniken durch Konzerne und Ketten. Eine Entwicklung, die etwa in Schweden und Großbritannien schon weiter fortgeschritten ist, und wo sich neben positiven Effekten, wie etwa gesicherter Versorgung und Entlastung von Praxen, langsam auch die Schattenseiten der Abhängigkeit von großen Playern abzeichnen.
Wir haben also hier ein Thema: Es geht mir ausdrücklich nicht darum, irgendeinem „Small is beautiful“-Kitsch zu frönen, sondern worum es geht, ist die Unabhängigkeit der Akteure und die Vielfalt in der Marktwirtschaft.
Es geht um Wahlfreiheit für Verbraucher und um unternehmerische Freiheit, Selbstständigkeit und bestimmte Werte, die mit inhabergeführtem Mittelstand verbunden sind, die stets von irgendwem auch kultiviert und gelebt werden müssen, damit sie bestehen. Im Austausch mit zwei selbstständigen Tierärztinnen in unterschiedlichen Praxismodellen wurde in der an meinen Vortrag anschließenden Diskussion deutlich, dass die Selbstständigkeit trotz gegenläufiger Entwicklung noch Aufgabe und Traum sein kann, der auch gern gelebt wird. Man muss es eben wollen.
Aus meiner Sicht wird die Zukunft der Selbstständigkeit - auch in den freien Berufen - in der fachlichen Spezialisierung und einer starken Positionierung liegen, um robust am Markt mitzumischen.
Wachstum ist wichtig, aber Monopolisierung ist schlecht.
Monopole sind an erster Stelle schlecht für den Verbraucher. Hier sind Unternehmerinnen und Unternehmer gefragt, die dem Ausverkauf der Berufe und der Abkehr von der Eigenständigkeit Einhalt gebieten.
Genauso wichtig, wie eine verbindliche Rechtsordnung und Politik, die fairen Wettbewerb sichert und keine Monopolisierung zulässt.
Eins müssen wir uns klar machen: Die kreative Zerstörung, nach Schumpeter (Öffnet in neuem Fenster), zur Erneuerung und Innovation, wird nicht von Großkonzernen getrieben. Corporates übernehmen dort, wo kreative Zerstörung fehlt. Und das macht uns alle zu Konzernmitarbeitern. „New Work“ ad absurdum.
Nun könnte man sagen, wenn Investoren Interesse zeigen und viel Geld in eine Branche gesteckt wird, dann ist das ein gutes Zeichen für Wachstum. Und das ist auch nicht falsch.
Wohin sich die freien Berufe langfristig entwickeln und ob eine Balance aus Großunternehmen und inhabergeführten Praxen, Kanzleien etc. noch leistbar und gewollt ist, wird sich zeigen.
Mein Plädoyer ist klar. Freie Arbeit hat einen hohen Wert. Wenn wir diesen Wert nicht mehr kennen, werden sich die Berufe, die Versorgung und unsere Art zu wirtschaften massiv verändern. Wahlfreiheit, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit stehen auf dem Spiel.
Jeder muss sich fragen, Teil welcher Entwicklung möchte ich sein?
(Öffnet in neuem Fenster)Zahl der Woche
(Öffnet in neuem Fenster)Politisches
Wir Selbständige wissen, dass nicht Politiker die Wirtschaft ankurbeln, sondern, dass Unternehmertum der Motor für alles ist.
Politik kann nur günstige Rahmenbedingungen schaffen, nicht aber Wachstum verordnen. Wie wir im Gespräch mit Justus oben gelernt haben, wächst die Wirtschaft, wenn die Bedingungen gut sind. Derzeit werden gute Vorbedingungen aber überall aufgehalten. Und wir halten uns selbst auf.
Was Deutschland jetzt braucht, ist eine Selbstständigkeitsoffensive. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit dürfen wir nicht vorsichtiger, sondern müssen unternehmerischer werden.
In der von der Regierung geplanten „Wachstumsinitiative (Öffnet in neuem Fenster)“, einem Bündel aus 49 Einzelmaßnahmen ist aber nichts dabei, was hierbei hilfreich wäre. Und das, obwohl die Selbstständigkeit ein ganz wichtiger Faktor bei der Dynamisierung der Wirtschaft ist.
„Da die Wissensarbeiter*innen eine wichtige Rolle im Innovationsprozess einnehmen, verschenkt Deutschland Wachstumspotenzial“, so Oliver Falck. Er ist Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien und Co-Autor einer Studie von 2021 über die Potenziale freier Wissensarbeit. Der Zusammenhang von freier Arbeit und Wirtschaftswachstum ist nicht zu vernachlässigen. (Zur Quelle und Studie) (Öffnet in neuem Fenster). Deutschland hemmt also Wachstumspotenziale, wenn sich die Voraussetzungen für selbstständige Arbeit sich nicht endlich verbessern.
In der Ampelregierung wird das aber weiterhin ignoriert. Anstatt freie Arbeit radikal zu liberalisieren, werden Selbstständige weiter mit selbstständigkeitsfeindlichen Regelungen gemobbt. Die Chance, zB. das leidige Statusfeststellungsverfahren überflüssig zu machen, wurde sogar jetzt, wo es wirklich auf alle dynamisierenden Kräfte ankommt, nicht wahrgenommen.
Selbstständige müssen in diesem Land Petitionen (Öffnet in neuem Fenster)starten, um weiter selbstständig arbeiten zu können und weiterhin frei mit Freien arbeiten zu können(!). Dass so etwas nötig wird, ist eine vollkommen unnötige politische Frechheit und alles nur, weil dieses Land so ein gestörtes Verhältnis zur Selbstständigkeit hat.
Und diese Petitionen werden noch nicht mal millionenfach unterstützt - nein, aber es kommen sofort irgendwelche typisch deutschen Heinis daher und belehren mich und andere in den sozialen Medien, dass es sich bei Jogalehrerinnen und Fitnesstrainern um abhängig Beschäftigte handelt und da bestünde nunmal Sozialversicherungspflicht. Brav. In Deutschland gibt es eben mehr ehrenamtliche Rentenversicherungsprüfer und Möchtegernfinanzbeamte als Selbstständige.
Die Kultur des sich gegenseitigen Einhegens, ist großer Teil des Problems. Wenn jemand sagt, dass er sich selbstständig machen möchte und dann das Umfeld, Lehrer, Freunde und Familie davon abraten oder Unverständnis äußern, dann ist das keine gute Kultur.
Über die unzeitgemäßen Regelungen zur Scheinselbstständigkeit und die ausgesprochen unschönen Auswirkungen auf die freie Arbeit habe ich mich schon ausführlich in einer anderen Ausgabe (Öffnet in neuem Fenster) beschäftigt. Seit Jahren schreibe ich dazu Kommentare, führe Gespräche, thematisiere es.
Leider bewegt sich in der Sache nichts in die richtige Richtung. Und nicht nur Politiker halten es für nicht so wichtig, auch gesellschaftlich wird die Drangsalierung von Freien zur sozialstaatlichen Notwendigkeit verdreht.
Daniel Eckert, Autor bei Welt, schrieb kürzlich in einem Welt+ Artikel (Öffnet in neuem Fenster): „Von allen Erwerbstätigen in Deutschland wird ihre Stimme am wenigsten vernommen: Dabei spielen Selbstständige eine wichtige Rolle, wenn es um die Lebensqualität aller und die volkswirtschaftliche Dynamik geht.“
Volkswirtschaftliche Dynamik, Leute.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex (Öffnet in neuem Fenster) schmiert sowohl für die Gesamtwirtschaft, als auch und insbesondere für Selbstständige und Kleinunternehmen (Öffnet in neuem Fenster) immer weiter ab. „Die deutsche Wachstumsschwäche trifft die kleinen und mittelgroßen Unternehmen weit stärker als die Gesamtwirtschaft“ ist in der F.A.Z. zu lesen (Öffnet in neuem Fenster), die nun regelmäßig den neuen „Datev-Mittelstandsindex“ veröffentlicht.
Das Ansehen der Selbstständigkeit leidet unter diesen Vorraussetzungen. Selbstständige raten anderen inzwischen von der Selbstständigkeit ab. Dabei gibt es nichts besseres! Eigentlich. Wer soll es noch glauben, wenn wir selbst nicht mehr daran glauben.
Zur schwindenden Zahl der Selbstständigen hören wir aus dem politischen Berlin kein Wort. Kein einziges Wort. Denn das Ganze regelt sich ja ganz wunderbar zugunsten der Festanstellung. Aber es hat einen Preis. Wenn eine Gesellschaft ihren Anspruch auf Selbstständigkeit aufgibt, verlieren wir Freiheit.
Der Streit für die Selbstständigkeit wird immer wichtiger.
Es braucht viel mehr unternehmerisch denkende und handelnde Menschen in diesem Land, die sich für die Lösung der Probleme zuständig machen und Chancen auf Unabhängigkeit ergreifen. Es braucht ökonomische Lösungen, nicht weniger Marktwirtschaft, sondern mehr! Viel mehr Gewinnorientierung und Eigenständigkeit, mehr Wachstum, nicht weniger. Nicht bloß Startup-Förderung, sondern jede unternehmerische Anstrengung ist gefragt. Besonders aber die selbstständige, die eigenverantwortliche und die, die nicht erstmal nach Fördergeld sucht.
Deutschland braucht freies Unternehmertum. Viel mehr davon. Den Wettbewerbe der Ideen und der Konzepte. Eine Angebotsvielfalt und mündige Bürgerinnen und Bürger. Das ist jetzt die Aufgabe. Kleinteilige Einzelmaßnahmen sind typisch für unser Land, aber gebraucht wird der große Wurf. Und dafür müssen eben auch mal ein paar Risiken eingegangen werden.
Die nächste Regierung muss endlich die Wichtigkeit einer Liberalisierung freier Arbeit erkennen und alles, was einer neuen Selbstständigkeit im Weg steht, eliminieren. Zurück zu marktwirtschaftlichem Denken für mehr unternehmerisches Handeln. Die ganze Gesellschaft würde profitieren.
Die Stärkung
Was gibt diese Woche Schub?
„2024 kein Wachstum in Sicht“
„Die deutsche Wirtschaft zeigt nahezu depressive Züge“ sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung (Öffnet in neuem Fenster).“
Die Frage ist: wie kommen wir da wieder raus? Zuversicht ist gefragt. Ein schönes Thema für eine nächste Ausgabe. Mit wem könnte ich dazu für eine Ausgabe sprechen?
Zum Gründen gehört es groß zu träumen - zum Erwachsenwerden die Selbstständigkeit. In diesem Sinne - nicht aufhalten lassen!
Bis zum nächsten Mal! FYI: Die Ausgaben erscheinen ab #10 nicht mehr streng 1x die Woche, sondern mindestens 1x im Monat, bei besonderen Entwicklungen und mehr Zeit (und Mitgliedern) auch häufiger.
Cathi ✌️
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