So wirst du Miracoli-profitabel
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: Woher am Anfang dein Geld kommen könnte.
„Future of Media“ – der Channel zu Perspektiven der Presseverlage
Das Webmagazin des DIGITAL PUBLISHING REPORT richtet sich gezielt an Medien-Profis. Im Fokus: Antworten auf zentrale Fragen zur Zukunft der Presseverlage in der digitalen Transformation.
Hallo!
„Heute ist Miracoli-Tag“ heißt es in einer alten Werbung. Mit „geheimen Gewürzen“ (👻), „fruchtigen Tomaten“ (also, ähm, Tomatenmark) und einem Päckchen „Parmesello”-Käse (wer kennt ihn nicht?). 1 DM kostete das Wundergericht in den Achtzigern. Auch noch zu Beginn meiner Uni-Zeit war so mancher Tag ein Miracoli-Tag, weil halt billig.
Wer eine eigenes Medienunternehmen gründen will, sollte sich ein erstes, bescheidenes Ziel setzen: Miracoli-profitabel werden.
(Opens in a new window)Den Begriff habe ich soeben improvisiert, und mich dabei bei diesem 15 Jahre alten Blog-Post (Opens in a new window) von Paul Graham bedient (Gründer des Accelerators Y Combinator (Opens in a new window)), der darin den Namen für ein einfaches Konzept prägte: ramen profitable. Sein Fertiggericht war eine ikonische Ramen-Suppe aus dem Plastikbecher. Aufgegossen mit heißem Wasser ist das so ziemlich die billigste Mahlzeit, die man in einem amerikanischen Supermarkt kaufen kann. (Ganz ehrlich: Es gibt schlimmeres Essen.)
Warum du an Geld scheitern könntest
„Ramen-profitabel“ ist ein Unternehmen dann, wenn du kein Geld mehr auftreiben musst, um zu überleben. Du verdienst also eine Summe, die dich gerade so am Leben hält – zur Not mit Plastikbechersuppe – und deine möglichst geringen Kosten deckt. Graham fand damit ein schön-schreckliches Bild für die Startup-Strategie, auf die die meisten unabhängigen Medienmacher:innen wie du wahrscheinlich zurückgreifen, um nicht aufgeben zu müssen, bevor es richtig losgeht. Das Wichtigste an dieser Art von Rentabilität ist, dass man nicht von anderen abhängig ist. So lang dein Unternehmen Geld verbrennt, musst du entweder Geld auftreiben oder dichtmachen. Bist du aber Ramen-profitabel, kannst du einfach weitermachen.
Ich versuche mal, das Problem grafisch darzustellen.
Bis dein Umsatz die Kosten deckt (der Break-even), bewegt sich dein Kontostand immer weiter ins Minus. Es sei denn, du hast Investoren, Ersparnisse oder andere Geldquellen. Verfolgst du die Strategie der Ramen-Profitabilität, müssen die Kosten runter. Je weniger du in dieser Phase ausgibst, desto besser. So lang isst du Fertig-Ramen.
Der Trick ist, nicht zu sterben
Ramen-Profitabilität ist natürlich nicht das Ziel, so ein Leben wäre auf Dauer traurig. Graham schreibt: A startup's destination is to grow really big; ramen profitability is a trick for not dying en route. Denn tatsächlich scheitern ein Drittel der Startups unter anderem daran, dass ihnen das Geld ausgeht. Der einzige, noch häufigere Grund: Niemand interessiert sich für das Produkt.
Wie in einer früheren Blaupause angedeutet („Content skaliert nicht (Opens in a new window)“): Meiner Meinung nach sind viele der üblichen Startup-Regeln auf Creator-Gründungen gar nicht anwendbar. Ein klassisches Startup-Investment ist sehr unwahrscheinlich, es fehlt normalerweise der Weg zur steilen Skalierung.
Auch glaube ich, dass es für sehr junge Gründer:innen, die direkt nach dem Uni-Abschluss gründen, schwierig ist, ein erfolgreiches Medien-Startup hinzubekommen. Die Mark Zuckerbergs dieser Welt können sich an diesem Punkt in ihrem Leben auf der Höhe ihrer Kompetenzen befinden, weil sie gerade an einer Elite-Uni im Studierendenwohnheim von anderen brillanten Ingenieur:innen umgeben waren. Jungen Creators und Journalist:innen dagegen fehlen die Erfahrungen und das Netzwerk, meistens auch noch die persönliche Social-Media-Reichweite.
Es ist unfair, Absolvent:innen für die Zukunft der Medien™ verantwortlich zu machen, nur weil sie aussehen wie Klischee-Gründer:innen. Deswegen ist es schlecht, wenn Gründungsförderungen an genau diese Bedingung geknüpft sind. Rein statistisch am erfolgreichsten sind schließlich Gründer:innen zwischen 40 und 50 (siehe Grafik).
Wie kommst du jetzt in diesen magischen Zustand der Ramen-Profitabilität? Meiner Meinung nach gibt es dazu einen goldenen Weg. Und es gibt einige akzeptable Kompromisse.
Kompromiss 1: Gründungsförderung
Es gibt in Deutschland hervorragende Programme spezieller Institute der Landesmedienanstalten, die Medienmacher:innen helfen, ein Start-up zu gründen. Die mir bekannten sind das Journalismus Lab (Opens in a new window) in Nordrhein-Westfalen, das Media Lab Bayern (Opens in a new window), das Medieninnovationszentrum Babelsberg (Opens in a new window) in Berlin-Brandenburg, Next Media Hamburg (Opens in a new window) und in Österreich zum Beispiel das FJUM (Opens in a new window) der Stadt Wien. (Mit allen habe ich in irgendeiner Form schon etwas zu tun gehabt oder zusammengearbeitet.)
Auch den Prototype Fund (Opens in a new window) solltest du dir mal angucken, die Initiative Vocer (Opens in a new window) und das European Journalism Centre (Opens in a new window). Die EU stellt immer wieder enorme Fördersummen zur Verfügung (hier (Opens in a new window) oder hier (Opens in a new window)), die Beantragungs-Spezialisierte offenbar auch bekommen (ich kann sowas nicht).
Es gibt viele Vorteile so einer Förderung. Der Kompromiss besteht meiner Meinung nach darin, dass die Institute selbst stark reguliert sind. Mal dürfen sie nur Technologien fördern, aber keine Inhalte; mal braucht es Ausschreibungen, dann wieder findet die nächste Sitzung erst in mehreren Monaten statt und so weiter.
Kompromiss 2: Stiftungen und Gemeinnützigkeit
Machen wir es kurz, denn ich fühle mich unterqualifiziert: Um Geld von gemeinnützigen Stiftungen zu bekommen, musst du im Normalfall selbst als gemeinnützig anerkannt sein. Das ist Journalismus im Moment nicht. Könnte sich aber bald ändern, und es gibt Ausnahmen.
Das Ziel des Forums Gemeinnütziger Journalismus (Opens in a new window) ist die Anerkennung von Journalismus als gemeinnützig. Es gibt schon heute Konstrukte drumherum, das beweisen Projekte, die ich respektiere, wie Netzpolitik, Finanztip oder Correctiv. Die wichtigsten mir bekannten Stiftungen, die sich für Journalismus engagieren, sind die Augstein-Stiftung (Opens in a new window) und die Schöpflin-Stiftung (Opens in a new window). Am interessantesten ist zur Zeit der neue Media Forward Fund (Opens in a new window), der sehr gut ausgestattet ist (und Gefahr läuft, zum Monopolisten zu werden).
Gerade im lokalen Journalismus könnte Gemeinnützigkeit in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Für ein Start-up lohnt es sich aber normalerweise nicht, diesen Status anzustreben. Gewinne Versteuern ist gerade nicht dein Problem, und an 7 Prozent Mehrwertsteuern wirst du nicht scheitern.
Kompromiss 3: Impact-Investor:innen
Klassische Risikokapital-Geber werden nicht in Content-Startups investieren. Es gibt aber Investor:innen, denen es nicht um den Profit geht, sondern die an einer ideellen Rendite interessiert sind. Der return of investment besteht für sie nicht in mehr Geld, sondern in mehr Journalismus, mehr Demokratie, impact. Erfolgreiche und dadurch reiche Menschen sind meiner Erfahrung nach nicht notwendigerweise gierig. Im Gegenteil gibt es immer mehr wohlhabende Menschen, die sich Gedanken darüber machen, wie sie mit ihrem Geld etwas Sinnvolles tun, selbst wenn sie es nicht von der Steuer absetzen können. Früher nannte man das Mäzenatentum. Heute heißt es Impact Investment.
Fragst du dich jetzt, wo man diese Menschen findet? Also, ich kenne hunderte von ihnen, genauer gesagt etwa 600. Das ist die Zahl der Menschen, die Anteile an der Krautreporter-Genossenschaft (Opens in a new window) besitzen. Auch die Taz gehört bekanntlich einer Genossenschaft (Opens in a new window), bestehend aus so vielen Mitgliedern wie noch nie: Mehr als 23.000 sind es inzwischen. Ein weiteres Beispiel sind die von einer Genossenschaft getragenen Riffreporter (Opens in a new window).
Eine Genossenschaft zu gründen ist gar nicht so aufwändig, wie oft behauptet wird. Das noch einfacher zu machen, versucht die Initiative #GenoDigitalJetzt (Opens in a new window). Aber auch ohne Genossenschaft sind manche Investor:innen bereit, Geld gegen Anteile zu tauschen. Rums (Opens in a new window) ist von Lokalpatriot:innen aus Münster getragen. Und Neue Narrative (Opens in a new window) ist ein Medienunternehmen, das durch das Modell des Verantwortungseigentums (Opens in a new window) profitables Wirtschaften und gesellschaftlichen Auftrag zusammenbringt und dadurch trotzdem Investor:innen an Bord haben kann.
Der Kompromiss: Investoren zu finden, hält enorm auf. Es ist viel Arbeit bei unbekannten Erfolgsaussichten. Und danach gehört dir dein Unternehmen halt nicht mehr allein. Du kannst nicht mehr tun und lassen, was du willst. Es ist einfacher, sich scheiden zu lassen, als Mit-Gesellschafter wieder loszuwerden.
Kompromiss 4: Side Hustles
Solange das Produkt selbst noch nicht genügen Geld abwirft, arbeiten viele Gründer:innen nebenher. Sie freelancen zum Beispiel in ihrem alten Job, geben Workshops oder kellnern. Der amerikanische Begriff dafür lautet Side Hustle, also in etwa „Nebenbei-Hektik“, und das trifft es ganz gut.
Das Internet bietet mindestens hunderte Möglichkeiten, mit einem Side-Hustle Geld zu verdienen, oder gleich mehrere Hektiken zu kombinieren. Der Side Hustle Stack (Opens in a new window) ist eine Liste mit Plattformen für folgende Tätigkeiten: Adult Content Creator, Audio Content Creator, Chef, Coach, Community Leader, Content Creator, E-commerce, Event Organizer, Driver, Fitness Instructor, Gamer, Livestreamer, Personal Shopper, Pet Caretaker, Podcaster, Rentals, Reseller, Restaurant Worker, Salesperson, Tasks & Services, Teacher, TechVideo Course Creator, Writer. (Ganz recht: „Adult Content Creator“ bedeutet, sich auszuziehen und die Bilder gegen Geld anzubieten.)
Die Nachteile dieser Lösung sind offensichtlich, denke ich. Ein Side-Hustle lenkt ab vom Kernprodukt. Einen nicht-offensichtlichen Nachteil beschreibt der Medienwissenschaftler Christopher Buschow in einer schon älteren Studie. Seiner Forschung zufolge führt diese Methode bei vielen Medien-Gründungen dazu, dass das Geldverdienen sich mehr und mehr von den Inhalten abkoppelt, bis du dich vielleicht fragst, ob du nicht lieber dein Side-Hustle zum Beruf machen solltest: „Warum aber soll in einem Unternehmen überhaupt journalistische Arbeit stattfinden, wenn doch Gewinne vor allem abseits dieser erzielt werden? Wer so denkt, verabschiedet sich Schritt für Schritt von der personalintensiven und kostspieligen Journalismusproduktion“, beschreibt er als Grund (Opens in a new window), warum journalistische Start-ups häufig irgendwann aufhören, Journalismus zu produzieren. Ohne es zu planen, wirst du nach und nach zu dem B2B-Dienstleiter, der du nie sein wolltest.
Kein Kompromiss: deine Community
Meiner Meinung nach der beste Weg zur Ramen-Profitabilität für Medien-Gründer:innen ist die eigene Community. Ich werde diese Strategie in einer späteren Blaupause nochmal ausführlich beschreiben, aber hier die Kurzversion:
1. Du machst öffentlich, was du vorhast.
2. Du erklärst schonungslos offen, wie viel Geld du brauchst, um Ramen-profitabel zu werden.
3. Du bietest allen, die diese Idee gut finden, an, sie zu ermöglichen, indem sie dir einen Vertrauensvorschuss geben und Geld zusammenlegen.
Du denkst jetzt wohl gerade: Oh no, ein Crowdfunding. Falsch! Eine Kickstarter-artige Sammel-Aktion ist eine einmalige Sache, ein Strohfeuer. Man sammelt Geld, gibt es aus und ist dann wieder da, wo man angefangen hat. Eine Membership-Kampagne dagegen ist der Beginn einer anhaltenden Beziehung zwischen dir und deiner Community, die sich unter anderem in Geld ausdrückt. Gemeinsam startet ihr dieses Projekt und etabliert dadurch gleich das Geschäftsmodell: wiederkehrende Zahlungen. Du hast erste monatliche Einnahmen und kannst anschließend beginnen, an dem schwierigen Rest zu arbeiten: Was genau ist ein Produkt, das funktioniert? Wie erreiche ich meine Zielgruppe und wer ist das so genau? Wie funktioniert Wachstum? Und so weiter. Aber der Samen ist im Boden.
Memberships sind ein nachhaltiges, stabiles Geschäftsprinzip. Ich finde, es ist für unabhängige Medienmacher:innen das beste, und auf kurz oder lang wird es zumindest einen Teil deiner Einnahmen ausmachen (müssen).
Aber ich weiß auch, dass die Membership-Kampagnen-Strategie manchmal einfach nicht passt. Zum Beispiel, weil die Idee noch nicht fertig und damit attraktiv genug ist. Oder weil du keine Reichweite hinbekommst. Oder schlicht, weil das Leben dazwischenkommt und du höhere Kosten hast. Weil: Familie, Kinder, vielleicht sogar ein Auto! Oder du gibst den Lebensstandard einer Festanstellung auf, von dem du schlicht nicht so leicht wieder runterkommst. Deswegen brauchst du mehr Geld. Und das bedeutet: Kompromisse machen.
Bis nächsten Montag,
👋 Sebastian
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