So einfach ist eine Rettungskampagne
Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Diese Woche: SOS.
Hallo!
Ich arbeite fast immer von zu Hause. Darum gehe ich inzwischen nicht mehr zur Tür, wenn es klingelt, denn das ist eigentlich immer ein Paketmensch. Ein harter Job, bei dem es auf Effizienz ankommt. Was offenbar dazu führt, dass man als Paketprofi weiß, wer Homeoffice macht, sodass man dem armen Tropf (mir) ein dutzend Boxen in die Arme stapeln kann. Dann klingeln Nachbarn, die eine dieser Boxen abholen kommen, die in der Zwischenzeit teilweise wochenlang den Flur verhässlicht haben. Die Papiermülltonne unseres Hauses ist seit Jahren immer voll mit den verhäckselten Resten der Amazon-Kisten. Es würde mich wundern, wenn es bei dir anders wäre.
Und das ist ein Problem für Magazine und Zeitungen.
Wie unsere Amazon-Kartons den Medien schaden
Denn während der Corona-Zeit stieg der Bedarf nach Kartons stark an, sodass die Papierpreise explodierten (siehe unten links). Danach kam der Ukraine-Krieg und mit ihm der Anstieg der Energie-Preise, was das Drucken und Ausliefern von Zeitungen und Zeitschriften nochmal verteuerte. Erst seit dem Frühjahr entspannt sich die Lage etwas.
Wenn ein Verlag jahrelang von der Substanz leben muss, weil man die verrückten Papierpreise nicht an die Leserschaft weitergeben kann, wenn gleichzeitig die Anzeigen zeitweise komplett wegbrechen, und wenn dann noch die Inflation einsetzt, dann geht irgendwann das Licht aus.
Die Community als Rettung
Ich habe keine exklusiven Informationen darüber, warum in den vergangenen Wochen erst das Indie-Magazin Katapult (Opens in a new window), dann die kleine Titanic (Opens in a new window) verkünden mussten, dass eine Insolvenz zu erwarten wäre, würden die Umsätze nicht sprunghaft steigen. Ich gehe davon aus, dass sie nicht die einzigen Druck-Medien bleiben werden, die in den kommenden Wochen und Monaten existenzielle Schwierigkeiten mitteilen. Die Kleinen, die über wenige Rücklagen verfügen, dürften nur die Vorboten der Druck-Krise sein – aber das ist meine Spekulation.
Was Titanic und Katapult gezeigt haben: Es gibt einen Ausweg, wenn man eine echte Community hinter sich hat. Beide Medien konnten mit Rettungskampagnen in kurzer Zeit so hohe Summen von ihren Fans einsammeln, dass sie weiter bestehen. Für traditionelle Medien wird das schwerer werden.
Bild: CC BY-NC-ND 4.0 (Opens in a new window) Katapult (Opens in a new window) (Stand Sonntag)
So eine Kampagne ist einfach nachzumachen. Auch wenn ich sehr hoffe, dass du nicht in eine ähnliche Lage gerätst, kommt hier kleine Anleitung.
Das Wichtigste ist die richtige Einstellung. Man muss schonungslose Transparenz darüber herstellen, wie ernst die Lage ist. Denn nur wenn jeder überprüfen kann, dass finanzielle Hilfe von der Community wirklich die letzte Rettung ist, sind die Leute bereit, die Kreditkarte hervorzukramen. Falls theoretisch noch die Möglichkeit besteht, dass Gesellschafter, Investoren oder weiße Ritter auftauchen und Geld nachschießen, warten die Leute erstmal ab, wer kann es ihnen verdenken.
An der Einstellung scheitert meiner Erfahrung nach so eine Kampagne allerdings. So eine Krise kommt nicht über Nacht. Meist erträgt man schon seit Jahren die hoffnungslos erscheinende Situation. Es wird jeden Monat schlimmer. Natürlich macht man sich Gedanken darüber, wie das Leben ohne das vermaledeite Projekt weitergehen würde, und dieses Alternativ-Szenario (Kneipe eröffnen, auswandern, Lehrer:in werden) wird immer attraktiver, je mehr der Druck steigt. Häufig fehlt im Moment der Krise dann die Energie, das eigene Scheitern offenzulegen und um Unterstützung zu bitten.
So kannst du eine Rettungskampagne erfolgreich nachmachen
Nehmen wir an, du und deine Mitstreiter:innen bringen diese Energie auf. Wie fangt ihr an?
Sammelt die Zahlen. Schreibt kurz und verständlich auf, was sie bedeuten, macht Grafiken daraus.
Rechnet aus, wie viel Geld ihr braucht, um weiter machen zu können. Nehmt die geringste Summe, die ein Weitermachen ermöglichen würde (auch wenn mehr Geld natürlich sehr nett wäre).
Bittet Leute aus euer Community, die über Glaubwürdigkeit und Reichweite verfügen, um Unterstützung. Bedeutet: ein Foto und einen Satz (siehe unten).
Stellt einen Balken auf eure Webseite, der den Fortschritt eurer Kampagne abbildet, also wie weit ihr bereits gekommen seid auf dem Weg zum Ziel.
Schreibt eine SOS-E-Mail an alle Mailadressen, die ihr habt. Darin bittet ihr um Unterstützung – in Form von Geld und in Form von Öffentlichkeit. Bittet eure Community, euren Aufruf zu verteilen. Nennt die Summe, die ihr erreichen müsst, und einen Zeitraum, in dem das geschehen muss (vier Wochen sind gut). Drückt auf „Senden“.
Die Planung sollte nicht länger als einen halben Tag dauern, die Umsetzung vielleicht eine Woche. Schon nach einem Monat wisst ihr, ob’s funktioniert.
Nebenbei: Meiner Meinung nach ist so eine Kampagne der perfekte Zeitpunkt, sich von den Altlasten zu befreien, die einen erst in diese Lage gebracht haben. Ich würde also vorschlagen, die Druckausgabe einzustellen und stattdessen auf digitale Mitgliedschaften oder Abos zu setzen und eure Marke in die Gegenwart zu führen in Form von Newsletter, Podcasts und Online-Magazinen. Die Leute werden das mitmachen.
Bis nächste Woche,
👋 Sebastian
PS:
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