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Anstellerei!

Über die Frage, ob wir wirklich nur unter bestimmten Bedingungen schreiben können oder wir uns nicht so anstellen und es viel öfter einfach tun sollten.

Anstellerei… ist das nicht wieder mal ein herrliches Wort? Ich schnappte es vor einigen Tagen in einem winzigen Podcastausschnitt auf und kann es seitdem nicht mehr vergessen. Es tauchte in „Schreiben und Schreddern“, einem Podcast von und mit Marc-Uwe Kling, dem Autor der „Känguru-Chroniken“ auf. Um ehrlich zu sein, finde ich seine Werke nicht allzu berauschend, auch ein erfolgreicher Autor wie er trifft eben nicht den Geschmack der gesamten Menschheit (nur als kleiner Reminder, dass es völlig normal ist, wenn auch ab und mal jemand unsere Kunst nicht mag). Dennoch spitzte ich an der Stelle die Ohren, als er im Gespräch mit einem anderen Schriftsteller übers Schreiben sprach, denn zum einen finde ich es höchst interessant, zu erfahren, wie andere so schreiben und zum anderen funktioniert das, was er tut, offensichtlich ganz gut. Mal wieder ging es um die Frage, wie man schreibt und darum, dass dies für viele von uns vermeintlich nur unter gewissen Bedingungen möglich sei. Als wäre das Schreiben ein magischer Vorgang, der nur funktioniert, wenn ein heiliges Ritual eingehalten wird oder aber man nennt das Kind beim Namen und gibt zu, dass das Ganze reine Prokrastination ist und man eigentlich nur Angst davor hat, dass einem nichts einfällt. Da gibt es die Fraktion „absolute Ruhe und kahle Wände“, diejenigen, die erst anfangen können zu schreiben, wenn die Wohnung aufgeräumt und geputzt ist (das bin ich) und die ganz mystischen Wesen, die darauf warten, von der Kreativität geküsst zu werden. Sicher gibt es noch viele mehr, aber diese drei Typen begegnen mir doch recht häufig.

Die beiden Autoren kamen in ihrem Talk zu dem Schluss, dass das alles einfach „Anstellerei“ ist und man sich als Schriftsteller:in nicht so anstellen und einfach schreiben sollte, wenn man die Gelegenheit dazu hat. Da kam mir wieder einmal der Gedanke, dass wir unser Schreiben häufig auf einen Thron setzen und es damit selbst als etwas deklarieren, das nur schwer oder gar nicht für uns Normalsterbliche zu erreichen ist. Dabei ist „schreiben“ ein Tu-Wort, wie wir bereits gelernt haben. Also muss man es einfach nur tun, ganz gleich wie es auch aussehen mag. Nach dem „Wie“ und „Was“ fragt erst mal niemand. Es geht einzig und allein darum, zu schreiben.

Ich wundere mich, wieder einmal, darüber, dass auch ich etwas, das ich so gerne tue, immer wieder so weit hinauszögere. Genieße ich etwa die Vorfreude so sehr, dass ich sie so lange wie möglich halten möchte? Eventuell hat es auch damit zu tun, dass man sich erst etwas gönnt, wenn die Pflichten erfüllt sind. Und manchmal fehlt der Mut. Dieser Cocktail klingt für mich nach einem Bestseller, der so einige von uns davon abhält, unseren eigenen Bestseller zu schreiben. Zumindest könnte es in dem ein oder anderen Fall weitaus weniger schleppend vorangehen mit dem Schreiben, wenn diese vertraute Mischung nicht ganz so doll knallen würde.

Man möge das Ganze etwas pragmatischer angehen, so die beiden Autoren im Podcast, und beispielsweise Zugfahrten für eine Handvoll Worte nutzen. Das finde ich aus verschiedenen Gründen spannend, denn auch ich schreibe sehr gerne im Zug. Das Setup ist ideal, man kann nicht weg und mal eben noch das Bad putzen oder staubsaugen. Viele Mitfahrende lesen oder arbeiten an ihren Laptops, das verleiht dieser Situation gerne mal einen Co-Working-Vibe. Ein geschäftiges Treiben, etwa wie im Café, nur dass man ihm für einen gewissen Zeitraum nicht entkommen kann. Was einerseits so ausgeschrieben etwas unangenehm klingt, ist eigentlich die perfekte Gelegenheit. Ich sehe diese Zugfahrten immer ein bisschen als geschenkte Zeit, in der ich gerne aufs Smartphone verzichte und stattdessen lese oder schreibe. Sofern man keinen Platz im Ruheabteil ergattert, ist das von Zeit zu Zeit auch ein prima Konzentrationstraining.

Ich bilde mir so oft ein, meine Schreibzeit braucht eine Art Vorbereitung und sobald ein Detail nicht stimmig ist, fange ich gar nicht erst an. Das Erstaunliche: Auch wenn diese sorgfältig organisierten und perfekt vorbereiteten Dates mit meinem Schreiben in der Regel gut funktionieren und tatsächlich eine gewisse Wortproduktion hervorbringen, passieren die Momente des Durchbruchs meist völlig ungeplant kurz vor dem Einschlafen oder an einem Nachmittag auf dem Sofa, wenn weder die Wäsche gewaschen noch das Geschirr abgespült ist. Ein bisschen verwirrend finde ich das alles ja, denn natürlich möchte ich dem Schreiben einen festen Platz in meinem Alltag geben, was völlig ohne Planung zunächst schwierig sein dürfte, andererseits möchte ich es auch nicht kaputtplanen und so die Kreativität aussperren. Manch einer kann es vielleicht erahnen, das Wort, das nun folgt: Balance. Mein Ziel ist es für den Moment einen Mittelweg zu finden, zwischen der Selbstverständlichkeit des Schreibens und der Magie, die es braucht für meine Kunst. Für diejenigen unter euch, die gerne nüchtern an ihre Worte gehen, klingt das jetzt eventuell nach Esoterik-Kram oder dem Gipfel der Kitschigkeit, aber ich garniere meine gerne mit einer Prise Feenstaub.

Im Grunde kreise ich hier gerade um etwas, das ganz offensichtlich ist… Wer das Verlangen verspürt zu schreiben, sollte es tun und nicht dauernd darüber nachdenken, wann, wie und wo oder ob überhaupt. Die Kunst liegt im Tun, nicht in den Gedanken darüber, ob man es vielleicht so oder so tun könnte und wie es besser wäre. Einfach nur tun. Und das gilt nicht nur fürs Schreiben. Alles andere ist doch Anstellerei, oder?

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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