Alles beim Alten
25. Oktober 2024
Liebe Lesende,
manchmal ist es gut, wenn alles beim Alten bleibt. So sehen es die Kreistagsfraktionen in Bezug auf die Gesellschafterversammlungen der kreiseigenen Gesellschaften. In diese wurden in der letzten Kreistagssitzung Kreistagsmitglieder als Teilnehmende mit Antrags- und Rederecht, jedoch ohne Stimmrecht, entsandt - so, wie in den vergangenen Jahren auch. An dieser Stelle könnte der Text enden, denn journalistisch ist ein Thema dann interessant, wenn es neu oder überraschend ist und Relevanz für den Leser hat. All diese Faktoren scheinen nicht gegeben. Doch die Debatte um die Gesellschafterversammlung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dahme-Spreewald (WfG) ist im Zusammenhang mit der Abberufung des langjährigen WfG-Geschäftsführers Gerhard Janßen und der Beurlaubung der Beigeordneten und Vizelandrätin Susanne Rieckhof aufgeflammt. Das Neue ist für den Moment: das Alte.
Wie 2014 und 2019 auch wurden für die aktuelle Wahlperiode in der Kreistagssitzung am 16. Oktober die Vertreter bzw. Vertreterinnen des Landkreises in wirtschaftlichen Unternehmen, Vereinen, Zweckverbänden und sonstigen Einrichtungen bestellt. Das sichert dem Kreistag eine gewisse inhaltliche Teilnahme an den Aufgaben, für die die kommunalen Gesellschaften gegründet wurden, zu. Für die 100prozentigen Tochtergesellschaften des Landkreises wie WfG, Technologie- und Gründerzentrum (TGZ) und Regionale Verkehrsgesellschaft (RVS) wurden also erneut Kreistagsmitglieder entsandt: mit Rede- und Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht. Alleiniger Vertreter des Gesellschafters mit Stimmrecht ist der Hauptverwaltungsbeamte, also der Landrat, oder ein von ihm beauftragter Mitarbeiter der Kreisverwaltung.
So sieht es die neue Kommunalverfassung seit 2007 im Paragrafen 97 vor. Dass die Entsendung stimmrechtloser Teilnehmer möglich ist, geht explizit aus Rundschreiben des Innenministeriums von 2008 und 2013 zur Klarstellung der 2007 erfolgten Neuerungen hervor. An die neue Kommunalverfassung war 2012/13 der Gesellschaftsvertrag der WfG angepasst worden. Und auch in der Beteiligungsrichtline des Landkreises aus dem Jahr 2013 steht es so drin.
Im Sommer nun hat die Gesellschafterversammlung der WfG beschlossen, dass Gerhard Janßen als Geschäftsführer abberufen wird. Getagt hat allein Landrat Sven Herzberger “unter Verzicht auf die Einhaltung sämtlicher gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Anforderungen hinsichtlich Frist und Form der Einberufung und der Abhaltung einer Gesellschafterversammlung”, wie es im Beschluss heißt. Das ist laut Gesellschaftsvertrag durchaus möglich. Aber die Erwartung der entsandten Kreistagsmitglieder war eine andere, wie beispielsweise Beate Burgschweiger (SPD) in der Sondersitzung des Kreistages am 4. September äußerte. Sie fragte, warum sich der Landrat nicht von Kreistagsmitgliedern beraten lassen habe. Das sieht auch der Gesellschaftsvertrag so vor - dachte zumindest Tina Fischer (SPD) und merkte das in derselben Sitzung an. Sie wurde von Sven Herzberger zurecht gewiesen: Es gebe Neuerungen in der Gesetzgebung und der entsprechende Paragraf “laufe leer” - das müsse sie als Juristin doch wissen, so der Landrat.
Dies hatte Sven Herzberger zuvor auch auf meine Nachfrage bestätigt. Er schrieb, soweit „weitere Vertreter als beratende Mitglieder, ohne Stimmrecht in die Gesellschafterversammlung entsandt wurden, entspricht dies heute nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage“. Es sei vorgesehen, sämtliche Gesellschafterversammlungen (WfG, RVS, TGZ) nicht mehr mit Kreistagsabgeordneten zu besetzen, da “es die geltende Rechtslage darstellt”. Änderungen im Gesellschaftsvertrag müssten vorgenommen werden. Damit begründete auch der Kreistagsvorsitzende Olaf Schulze (CDU), warum die Kreistagsabgeordneten nicht, wie üblich, in der auf die Konstituierung des Kreistages folgenden Sitzung bestellt wurden, sondern später.
Bis heute wurde keine Änderung des Gesellschaftsvertrages vorgenommen. Aus den Fraktionen war mehrheitlich zu hören, dass eine geringere Teilnahme des Kreistages am Wirken der Gesellschaften wohl nicht mitgetragen würde. Die Fraktion SPD/Grüne/Linke/WfKW/BIS war ohnehin der Meinung, dass es gar keine Änderungen gebe. Die Fraktion CDU/FDP/Bauern/StdD befinde sich in der Meinungsfindung, hatte ihr Vorsitzender Björn Lakenmacher Anfang September mitgeteilt.
Nun also erfolgte in der vierten Sitzung des Kreistages die Bestellung auf der Grundlage der seit 2007 geltenden Kommunalverfassung und des seit 2013 geltenden Gesellschaftsvertrages. Dort steht: “An der Gesellschafterversammlung können weitere vier vom Kreistag zu bestellende Vertreter teilnehmen. Diese Vertreter haben kein eigenes Stimmrecht sondern lediglich ein Teilnahmerecht, beschränkt auf das Rede- und Antragsrecht.” Gleichwohl, teilte der Landrat auf meine erneute Anfrage mit, seien die Kreistagsmitglieder nicht wie üblich entsandt worden: “Vielmehr wurden nun, der Rechtslage entsprechend keine zusätzlichen Mitglieder der Gesellschafterversammlung, sondern beratende Teilnehmer an der Versammlung entsendet.” Meine nochmalige Nachfrage nach dem Unterschied zwischen beidem - manchmal hat man ja einen Knoten im Kopf - wurde damit beantwortet, dass die entsandten Kreistagsmitglieder kein Stimmrecht hätten, mithin keine Mitglieder seien, sondern nur beratende Teilnehmer.
Einzig die Tatsache, dass die Gesellschafterversammlung zur Abberufung von WfG-Chef Gerhardt Janßen nach der Kommunalwahl und vor der Bestellung der neuen Vertreter getagt hat, ist ein Grund, sie eben ohne weitere Teilnehmende abzuhalten. Das hatte der Landrat auf meine Anfrage hin zunächst nicht so begründet. Später im Kreistag und auch im Kreisausschuss wurde darauf als Grund verwiesen. Warum dann aber erst in der vierten (abzüglich der Sondersitzung der dritten) Sitzung die Bestellung erfolgte, beantwortet die Kreisverwaltung so: Die Sitzung am 16. Oktober 2024 sei die reguläre 2. Sitzung des Kreistages gewesen. Ob zweite, dritte oder vierte Sitzung: Es war jedenfalls nicht, wie 2014 und 2019, jene Sitzung, die im Abstand von wenigen Tagen auf die Konstituierung folgt.
Die ganze Diskussion, die eigentlich keine hätte sein müssen, hat für viel zusätzliche Verwirrung im Umfeld der Debatten um Abberufung und Beurlaubung gesorgt. Das zeigt auch eine kleine Umfrage unter den Fraktionsvorsitzenden über die nun erfolgte Entsendung:
“Der Landrat hat nach der Sitzung am 4.9. versprochen, sich noch mal zu informieren, was er dann auch getan hat”, teilt Kersten Haase, Fraktionsvorsitzender von BVB/Freie Wähler & Die Partei, mit. Deshalb sei dem Wunsch aller Fraktionen zur Entsendung von Kreistagsmitgliedern in die Gesellschafterversammlung entsprochen worden. “Ein Verschulden vom Landrat schließe ich aus, er kann nicht alles wissen”, so Kersten Haase.
Björn Lakenmacher von CDU/FDP/Bauern/StdD betont, dass „beratende Teilnehmer der Gesellschafterversammlung“ bestimmt wurden. “Diese sind also - und das ist wesentlich - keine (!) Mitglieder der Gesellschafterversammlung.” Nach seinem Kenntnisstand habe der Landrat “zu keinem Zeitpunkt eine anderweitige Darstellung getätigt”. Eine Änderung der Gesellschaftsverträge sei zu erwarten.
“Die Mitglieder sind doch weiterhin nicht stimmberechtigt”, sagt Frank Selbitz (UBL). Der Landrat entscheide alleine. “Das war doch auch die Rechtsauffassung des Landrates. Die SPD/ Grünen Fraktion hatte eine andere Auffassung.” Dass sich der Landrat “ein Gremium (auch weiterhin) an die Seite stellt, ist aus unserer Sicht eine richtige (aber nicht notwendige) Entscheidung”.
Die Fraktion SPD/Grüne/Linke/WfKW/BIS sei “zufrieden und erleichtert, dass der Kreistag wie bisher auch in den Gesellschafterversammlungen vertreten ist”, teilt die Vorsitzende Andrea Lübcke mit. Warum die Bestellung nicht wie üblich erfolgte, sei ihr nicht bekannt. Nach Ansicht der Fraktion habe sich die Rechtslage nicht geändert, hatte der Co-Vorsitzende Thomas Irmer auf eine frühere Anfrage mitgeteilt. Der Gesellschaftsvertrag habe Regelungen getroffen, die der Kommunalverfassung nicht entgegenstünden.
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